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Meine Familie und ich an meinem 40. Geburtstag im Görlitzer Park.
Der letzte Film, den ich in meinen Zwanzigern gesehen habe, war Marnie. Das war damals, 2008, auch ein prima Geburtstag gewesen. Ich hatte in Hamburg gefeiert, war in einem Hamam und sah mir »Die Zauberflöte« an. Mein letzter Film in den Dreißigern war Come September, weil ich diesen betrunkenen Wellensittich so niedlich fand und Ian den Film noch nicht kannte. — Über den Geburtstag an und für sich möchte ich gar nicht so viele Worte verlieren, aber es war einer der schönsten meines Lebens. Mittags gingen wir mit meinen Eltern, Nadine und Helena im Edelweiß essen, abends feierten wir im The Forsberg in der Gerichtstraße mit Freunden. Viele, mit deren Erscheinen ich fest gerechnet hatte, hatten kurzfristig abgesagt oder tauchten einfach nicht auf, dafür kamen andere, die ich teilweise zuletzt vor drei oder vier Jahren gesehen hatte. Eva Brunner und Bernhard Kempen waren da, Sirko, Connie, Gérard, Daniel, Thorsten und Geertje, die Familien Schubert und Ober, Daniel Aldridge, Jutta und Hubert, Annika, Patrick, Steffen, Jutyar, Tom und Stefan auch. Fabelhaft, wie Ian das alles organisiert hatte! Das Essen war prima, die Gespräche lebendig. Wir blieben, bis die Kneipe um zwei Uhr morgens schloss. Was die Geschenke angeht: Jede(r) Einzelne hat sich wirklich Gedanken gemacht, das berührt mich immer noch ganz tief. Theater- und Konzertkarten, Gutscheine, viel gute Musik, ein Roman von Yasmina Reza, ein Buch mit Erziehungstricks (Titel: »Schnall dich an, sonst stirbt ein Einhorn!«), »1001 Filme, die Sie sehen sollten, bevor das Leben vorbei ist«, reichlich Schokolade, köstliche Tees, Futter für Chelito, Salz- und Pfefferstreuer in Minion-Form, Kakao, Bargeld, ein Prince-Tourheft, eine Badehose, ein Hörbuch plus Foto-Kalender von Bernhard alias Barbara. Ich bin so ergriffen, dass ich gar keine Worte mehr finde.
Mein erster Film in meinen Vierzigern war »Three Billboards Outside Ebbing, Missouri« (Regie: Martin McDonagh). Ian und ich sahen ihn am Sonntag, nachdem wir uns von der Party erholt hatten. Ein brillanter Film, der einen tief verwüstet zurücklässt. Wir haben beide viel geweint und sehr gelacht. Der Film hat einen bitteren Humor, der sich aus einer dunklen Quelle nährt. Frances McDormand war wieder einmal mitreißend und authentisch. Sie hat sich ihren Oscar redlich verdient. Überhaupt waren die 2018er Oscars ungewöhnlich aufregend. Es gab so viele gute Filme wie schon seit Jahren nicht mehr, und praktisch alle gewannen wenigstens einen Academy Award: »Three Billboards…«, »The Shape of Water« (Regie: Guillermo del Toro), »Call Me by Your Name« (Regie: Luca Guadagnino), »Darkest Hour« (Regie: Joe Wright), »I, Tonya« (Regie: Craig Gillespie), »Get Out« (Regie: Jordan Peele), »Phantom Thread« (Regie: Paul Thomas Anderson), »Dunkirk« (Regie: Christopher Nolan), »Una mujer fantástica« (Regie: Sebastián Lelio). Schade, dass »Lady Bird« (Regie: Greta Gerwig) komplett leer ausgegangen ist; ich hätte Laurie Metcalf den Preis als Beste Nebendarstellerin mehr als gegönnt. Dafür wurden Agnès Varda, Donald Sutherland, Owen Roizman und Charles Burnett für ihre langjährigen Verdienste als Filmschaffende ausgezeichnet. Bravo! So darf es die kommenden Jahre gerne weitergehen.
Natürlich ärgere auch ich mich über das, was politisch bei uns los ist. Mit Leuten wie Nahles, Maas oder Spahn ist kein Staat zu machen. Die SPD hat sich ihr eigenes Grab geschaufelt. Nicht, dass sie sich in den letzten 20 Jahren noch wie eine sozialdemokratische Partei verhalten hätte. So sehr ich ihn auch vermisse, aber ich bin froh, dass mein Großvater, der sein Leben lang ein aufrechter Sozialdemokrat gewesen war, den langsamen Niedergang der SPD nicht mehr miterleben musste. Als die Schröder-Regierung die Axt an den Sozialstaat legte, verlor die einstige Volkspartei ihre Glaubwürdigkeit. In vier Jahren dürfte sie kaum mehr als zehn Prozent der Wählerstimmen abgreifen, während die AfD bei etwa 20 liegen dürfte. Und dann waren wieder die Rechten schuld. Das ist so erbärmlich und so schmerzhaft, aber das Credo »Kein Mitleid für Dummheit!« gilt weiterhin. Ich mag auch nicht weiter darüber jammern.
In meinem entbaumten Innenhof blühen mittlerweile die ersten Krokusse, ein sicheres Zeichen dafür, dass der Frühling endlich seinen Weg zu uns gefunden hat. Nun steht mein erster Urlaub seit zehn Jahren (!) vor der Tür. Am 23. hole ich den Leihwagen ab, dann geht es nach Cessy-les-bois. Zehn Tage ohne Telefon und Internet. Das Handy lasse ich in Berlin. Das wird, so hoffe ich, meinen Geist entgiften und mir etwas Kraft schenken. Die brauche ich dringend, denn Arbeit, Schule und Therapie verlangen momentan 150% von mir. Gestern sprachen wir in der Schule über das Urvertrauen, welches ein Baby zwischen dem sechsten und neunten Monat aufbaut — und darüber, wie ein enttäuschtes Urvertrauen das ganze Leben beeinflussen kann.
Da ich erst am 12. Februar mit der Arbeit begann, bekam ich nur die Hälfte meines Monatsgehalts. Die Agentur für Arbeit fühlte ich nicht mehr für mich zuständig, und beim Jobcenter musste ich neue Anträge für die fehlenden Tage stellen. Dieser bürokratische Müll ist erniedrigend und zieht sich vermutlich noch weit bis in den April hinein. Der Urlaub im Burgund steht deswegen ein wenig auf wackligen Beinen. Wer mein Online-Tagebuch und meine Filmtipps mag, mir nachträglich zum runden Geburtstag noch etwas schenken und mich von den Sorgen ein bisschen befreien möchte, den möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich um eine kleine Spende bitten. Selbst der kleinste Betrag hilft mir schon sehr.
An dieser Stelle möchte ich mich bei all meinen Leserinnen und Lesern für ihre Treue bedanken. Ich blogge bereits seit etwa zwölf Jahren und bin wieder und wieder positiv überrascht, dass ich immer noch gelesen werde. Direkt nach meinem Urlaub beginnen die ersten Prüfungen, so dass ich mich erst im Mai wieder zu Wort melden werde. Bis dahin wünsche ich Euch einen wunderbaren Frühling mit kitzelnden Sonnenstrahlen und tanzenden Herzen. Alles Liebe,
André