Besos brujos que me matan
Kurzer Bericht. Von (gefühlten) 10 Grad in Berlin zu (realen) 35 Grad in Madrid. Der Kreislauf dankt’s. Das war am Mittwoch. Man konnte sich nur im überchlorten Wasser des Hotelpools aufhalten. — Das Hotel, das Monte Real, ist eine Wucht! Unser schottischer Regisseur, der US-amerikanische Produzent, der spanische Leiter des Ganzen und ich, der Deutsche, sind die einzigen Nicht-Italiener hier, aber wir hatten allesamt einen guten Start miteinander. Als die Chefs außer Hörweite waren, meinte Carlo, der Kameramann: »Mit dem Buch kämpfen wir auf verlorenem Posten, also lasst uns wenigstens versuchen, Spaß zu haben.« Spaß hat er auf jeden Fall. Bei den Außenaufnahmen benutzt er keine Scheinwerfer, stattdessen hat er Holzrahmen, kleine und große, mit Leinwänden bespannen lassen. Damit reflektiert er das Sonnenlicht. Ich bin beeindruckt und beglückt, denn seine Konstruktionen haben sich als brauchbare Schattenspender erwiesen. Am Donnerstag und Freitag hatten wir nämlich 32 Grad im Schatten — nur, dass es keinen Schatten gab.
Am Donnerstag, meinem ersten Arbeitstag, kam auch mein Spanisch-Coach. Süsse 24 ist sie und heißt Mercedes. Eine Strahlefrau. Lust auf Flirtereien haben hier scheinbar alle. Macht wohl das Wetter. Einer meiner italienischen Kollegen hat eine tolle Tätowierung am rechten Unterarm. Am dritten Abend fragte er (von den Feierabendcocktails ziemlich angesäuselt): »Do you want to snog?« Der italienische Akzent hat seinen Charme. Dennoch lehnte ich dankend ab. Mich strengt das Essen schon an, so heiß ist es. Von der Arbeit ganz zu schweigen. Ausserdem schlafe ich schlecht. Das mit dem großen Bett ist ja lieb gemeint, aber wenn neben mir noch locker zweieinhalb Personen Platz hätten, ich mich aber alleine hin- und herwälzen muss, fühle ich mich doch etwas verloren. Mit den Gedanken bin ich eh nicht ganz hier. — Allabendlich sitzen wir an der Hotelbar und gehen unseren Text für den kommenden Tag durch. Die Regie sitzt immer dabei und hört sich geduldig an, was wir alles streichen lassen wollen. Das Ganze ist nämlich nicht nur flach, sondern auch mit Dialogen so überfrachtet, dass sich das kein Mensch länger als zehn Minuten anhören bzw. anschauen wird, wenn wir keine Streichungen machen. Vieles muss nicht ausgesprochen werden. Blicke reichen. »Denken und das Denken sichtbar machen«, sage ich mir und versuche, viel zu denken, wenn die Kamera läuft.
Meine Tage beginnen um sechs Uhr. Um acht Uhr sollen alle drehbereit sein. Um 20 Uhr sind wir meist im Hotel. An la marcha ist bislang nicht zu denken. Und das, wo doch die Nächte das Geilste in Madrid sind. Ich hoffe, ich komm die Tage mal in die Stadt. Hab von einem Laden gehört, in dem es 200 Sorten Olivenöl geben soll. Würde mir gerne ein paar Flaschen abfüllen lassen und mit nach Hause nehmen. Aber wann? Die Außenaufnahmen, für die wir im Convoy rund eine Stunde aus der Stadt fahren, dauern noch an. Wir versuchen, so viel wie möglich zu schaffen. Klar, unser Zeitraum ist knapp bemessen, und jeden Abend beten wir gemeinsam, dass es nicht regnen möge. (Obwohl ich ein bisschen Regen gut gebrauchen könnte, aber das ist rein privat.) Sollte das Wetter umschlagen, muss improvisiert werden. Für die Innenaufnahmen ist eine große Wohnung in Chamberí angemietet.
Es ist jetzt genau 6:27 Uhr. Ich werde diesen Tag jetzt frisch und keck beginnen. Bis bald.