30. April 2007

37 Grad im Schatten

Der Schweiß rinnt mir nur so den Nacken runter. Und dieser Durst! Alle zwei Haltestellen muss ich aussteigen, um mir eine neue Wasserflasche
zu besorgen. Ich war wütend. Wie konnte er sich nur einbilden, dass ich ihm gehören würde. Als ich aus
der Bahn stieg, überlegte ich noch lange, wo ich ihn schon einmal gesehen hatte. Es mochte mir partout nicht einfallen. Aber er wirkte so vertraut. Ich
spürte, wie meine Wut verpuffte. Insgeheim nahm ich mir vor, ihm seine Kreditkarte zu klauen und das Konto leer zu räumen. Ha! Rache ist Blutwurst!
Ich würde ihm auflauern, den Totschläger in der rechten, das Tränengas in der linken Hand. Er hat keine Chance. Vorher aber noch ein Kippchen.
Ich setzte meine dunkle Sonnenbrille auf und schrieb ihm einen deftigen Abschiedsbrief. Das Schwein sollte bluten!
»Mein Name ist Nobody!« sagte ich ihm, »aber du kannst ruhig Malte sagen.« Er wusste nicht, wie ihm geschah. Die Waffe vor seinem Gesicht habend,
erpresste ich meine blaue Badehose und nahm sie in meine Gewalt. Ich beschloss, ihn am Leben zu lassen und stattdessen
schwollen meine Füße vor Erregung um das Vierfache an. Ich war kurz vorm Asthmaanfall. Er durfte es nicht merken. Also machte ich kurzen Prozess.
Ich spülte ihn im Klo herunter. Ich kippte noch Domestos hinterher. Sicher ist sicher. Ich suchte danach den
Ausgang und verschwand im fahlen Abendlicht.

22. April 2007

Die letzten Tage in Paris

Dank der rund 2.100 Euro, die mich allein Miete und Verpflegung monatlich kosten — die Stadt ist inzwischen fast so teuer wie London —, schrumpften die acht Monate Paris auf lumpige zwei zusammen. Was mich nicht stört, da nächste Woche in Berlin die Dreharbeiten zu dem noch streng gehüteten Geheim-Projekt beginnen und ich in den kommenden Monaten gut beschäftigt sein werde. Meine Kasse wird sich peu à peu erholen, und ich komme weiterhin gut rum. — Ich kam in letzter Zeit kaum dazu, viel über Paris zu schreiben, da ich kaum dazu kam, ausführlich zu bloggen. Außerdem pendelte ich wie ein Depp zwischen Berlin und Irland und Paris und und und, dass ich überhaupt nicht richtig genießen konnte.

Was ich zu Paris noch loswerden möchte? Empfehlenswert und schwer angesagt ist hier dieses Ding mit der Massage zum Kaffee. Ein Trend, den ich sehr in Deutschland begrüßen würde. Wär doch mal eine kesse Geschäftsidee! Im Alcazar, das man sich als Normalsterblicher nicht leisten kann, kriegt man zum Sonntagsbrunch eine Massage. Ein bisschen preiswerter gibt’s das im No Stress Café (Métro: Saint-Georges), das allerdings erst um 19 Uhr öffnet. (Da trinkt man schon keinen Kaffee mehr, oder?) Dann: Wenn Ihr in der Stadt seid, besucht unbedingt das New Morning in der Rue des Petites-Ecuries (Métro: Château d’Eau). Es ist einer der geilsten Jazz-Clubs Europas. Und der berühmteste von Paris. Was wohl vor allem auch an seiner beeindruckenden Geschichte und seinem Ambiente liegt. Wer Jazz mag, wird den »neuen Morgen« lieben. — In der Rue des Lombards (Métro: Châtelet-Les Halles), also ganz bei mir in der Nähe, gibt’s einen Jazzkeller, der richtig Spaß macht: Le Baiser Salé. Sehr entspannt. Und nicht so überteuert. Wer auf Fusion, Funk und Salsa steht… Und die Blues-Sessions! Ich geb’s gerne und offen zu: Ich schmolz seufzend dahin.

Tipp: Hakan Savas Micans Kurzfilm »Fremd« war gut! Ein Kleinod, dessen Poesie mich sehr berührte. Eine Mutter-Sohn-Geschichte und eine Geschichte über das Leben in einem fremden Land, das über Generationen zu einem (fremden) Zuhause wurde.

16. April 2007

Räudige Katze

Nachdem ich am Samstag schon »Vollidiot« (Regie (was ist das eigentlich??): Tobi Baumann) nur unter Schmerzen ertragen konnte, ging ich gestern in die Schaubühne, um mir Tennessee Williams’ Meisterwerk »Die Katze auf dem heißen Blechdach« anzuschauen. Da es sich hierbei um eines meiner absoluten Lieblingsstücke handelt(e) und Kirsten Dene in der Rolle der Big Mama zu sehen war, dachte ich, ich sei auf der sicheren Seite. Pustekuchen! Die zwei Stunden und 15 Minuten Lebenszeit gibt mir kein Mensch zurück. Jetzt weiß ich wieder, warum ich die Berliner Theaterszene nicht mag, und Ostermeier, der mir mit seinen Inszenierungen seinerzeit beinahe gänzlich die Lust am Theater überhaupt genommen hatte, konnte sich bei mir auch nicht rehabilitieren. Es ist bemerkenswert, wie er Williams’ meisterhaften Text mit dieser uninspirierten, langatmigen (obwohl das Stück in seinem Umfang um etwa die Hälfte gekürzt wurde!) und lieblos dahingerotzten Inszenierung entzauberte. — Schauspieler: Der den Brick spielte, schien gar nicht zu wissen, was er da eigentlich tut und machte aus der vielschichtigen Hauptrolle eine blasse Nebenfigur. Bierbichler (als Big Daddy) verlieh dem Debakel ein wenig Glanz, wennschon man ihm anmerkte, dass er mit Ostermeiers Regie unglücklich und hochgradig unkonzentriert war. Er sagte vielleicht zwei Dutzend Mal zu oft »Scheißdreck!« und wienerte sich fluchend durch seine Texthänger. Kirsten Dene war wie gewohnt gut, drohte aber in dem pompösen Gedröhn unterzugehen. Sie durfte auch nur ein paar Male einen Kaffee auf die Bühne bringen. — Ansprechend: Das Bühnenbild. Ein Bussard thronte in einem riesigen Glaskasten über der Bühne und hüpfte tapfer auf seinem Ast herum. Nach etwa einer halben Stunde wurde auch das langweilig. — Und sonst? Wie bei Herrn Ostermeier üblich, dröhnten Musik und merkwürdig zusammenhanglose Videoinstallationen die Zuschauer wach. Emotional mitgerissen wurde man nicht. Und das bei einer der tragischsten, anspruchsvollsten Stücke, die das 20. Jahrhundert hervorgebracht hat. Es verpuffte einfach, man ging heraus und war müde. Nicht, weil man etwa ausgepowert war, sondern einfach, weil es auf halb elf zuging. Und das tat wirklich weh!