Man kann zu ihr stehen, wie man will: Liz Taylor wird immer Hollywood royalty bleiben. Zu Ehren ihres 85. Geburtstags habe ich heute drei besonders unterhaltsame schlechte Filme mit ihr und Richard Burton ausgegraben, die man einfach gesehen haben muss. Eines Tages werde ich sicherlich auch den Höhe- bzw. Tiefpunkt »Boom!« (Regie: Joseph Losey) besprechen, aber der bekommt einen eigenen Eintrag. Zunächst einmal viel Spaß mit diesen drei epic soap operas. Zufällig ist die Chronologie auch die Qualitäts-Reihenfolge: War »The V.I.P.s« noch ein Riesenerfolg und bietet auch heute noch angenehmen Filmgenuss, so sah es bei »The Comedians« schon ganz anders aus. Irgendwo in der Mitte liegt »The Sandpipers«, ein filmisches Kuriosum, das aufregend und langweilig zugleich ist und in welchem die Taylor eine ihrer schlechtesten (unfreiwillig komischen) Darbietungen abliefert.
#454: Hotel International
Originaltitel: The V.I.P.s; Regie: Anthony Asquith; Drehbuch: Terence Rattigan; Kamera: Jack Hildyard; Musik: Miklós Rózsa; Darsteller: Elizabeth Taylor, Richard Burton, Margaret Rutherford, Louis Jourdan, Elsa Martinelli. GB 1963.
Ein glamouröser Schinken der altmodischen Art, doch das streckenweise äußerst amüsante Drehbuch und die straffe Regie machen das beste aus dem altbekannten Material, das letztlich nichts anderes als eine Variante von Vicki Baums »Menschen im Hotel« — 1932 unter dem Titel Grand Hotel von Hollywood verfilmt — ist. Handlungsort ist diesmal der Londoner Flughafen. Aufgrund dichten Nebels kann die Maschine in die USA nicht starten, so dass die illustren Passagiere gezwungen sind, in der VIP Lounge auf besseres Wetter zu warten. Unter ihnen befindet sich Frances Andros (Taylor), die unglücklich mit dem Geschäftsmann Paul (Burton) verheiratet ist und in den Staaten ein neues Leben mit ihrem windigen Geliebten Marc (Jourdan) beginnen möchte. Ihr ansonsten so kühler Gatte macht Frances am Flughafen eine unverhofft leidenschaftliche Szene. Außer dem Ehepaar Andros befindet sich auch ein italienischer Filmmogul (Orson Welles) mit seiner neuesten Entdeckung, der brachial untalentierten und tumben Gloria Gritti (Elsa Martinelli erinnert in ihrer Rolle entfernt an Jennifer Tilly alias Olive Neal aus Bullets Over Broadway), am Airport. Er muss aus Steuergründen das Land bis Mitternacht verlassen haben. Dann wären da noch die schrullige Herzogin von Brighton (Rutherford), die sich finanziell in einer prekären Situation befindet, sowie der Australier Les Mangrum (Rod Taylor) und dessen heimlich in ihn verliebte Sekretärin (Maggie Smith). Die Figuren und ihre Handlungsstränge sind auf vertrackte Weise miteinander verwoben, und sicher ist Glaubwürdigkeit nicht gerade die Stärke dieses Unterhaltungsfilmchens, welches mir persönlich das liebste der insgesamt elf Taylor/Burton-Machwerke ist, was mit Sicherheit dem erlesenen Dekor, den knalligen Farben und glatten Eleganz geschuldet ist.
Obwohl der Streifen 1963 weltweit die Kinocharts anführte, war »Cleopatra« (Regie: Joseph L. Mankiewicz) aufgrund seiner horrenden Kosten insgesamt ein Verlustgeschäft für die Fox gewesen und besiegelte gewissermaßen den Anfang vom Ende des klassischen Studiosystems. Die Taylor hatte sich zu ihrer Rekordgage von einer Million US-Dollar nämlich zudem noch eine prozentuale Gewinnbeteiligung zusichern lassen. Und die Zuschauer standen Schlange, um das skandalöse Paar Taylor-Burton auf der Leinwand zu sehen. Beide waren nämlich pikanterweise noch anderweitig verheiratet, als sie sich während der langwierigen »Cleopatra«-Arbeiten ineinander verliebten. Dieser Umstand allein sorgte für ein Rauschen im Blätterwald, die Schlagzeilen ebbten nicht ab, und die Paparazzi folgten dem Paar auf Schritt und Tritt. Anatole de Grunwald, der Produzent einiger früherer Burton-Filme und mittlerweile in MGMs Sold, beeilte sich, für das neue Traumpaar ein neues Projekt zu finden. Trotzdem behauptete Burton, nicht mehr gefragt zu sein; das Angebot von »The V.I.P.s« sei »die erste Rolle in acht Monaten« für ihn gewesen, gab er später gerne zum besten. Taylors eigentlich als Scherz gemeinte Bemerkung, sie könne doch auch mitspielen, führte zu einem sofortigen Vertragsabschluss und ihrer von nun an üblichen Gage von einer Million Dollar. Sie sprang damit für Sophia Loren ein, die eigentlich für die Hauptrolle vorgesehen war.
Terence Rattigan erhielt für seine Dienste als Autor nicht weniger als 100.000 Pfund, was ihn damals zum bestbezahlten Drehbuchautor der Branche machte. (Umgerechnet wären das 2017 über 2,2 Millionen Euro.) Ausgangspunkt für seine Idee war eine wahre Geschichte: Vivien Leigh, die eng mit Rattigan befreundet gewesen war, hatte seinerzeit den Versuch unternommen, ihren Ehemann Laurence Olivier für den australischen Schauspieler Peter Finch zu verlassen. Leigh und Finch waren bereits am Flughafen angelangt, doch wurden aufgrund von Bodennebel dort festgehalten, so dass Olivier Zeit genug hatte, seine Frau zurückzuholen. (Er verließ sie wenige Jahre später für Joan Plowright.) Altmeister Anthony Asquith, der einst einer von Rattigans Liebhabern gewesen war, sprang für Vincente Minnelli ein, der ursprünglich von MGM mit der Regie betraut worden war. Die beeindruckenden Juwelen, welche die Taylor in »The V.I.P.s« trägt, stammten allesamt aus ihrer privaten Sammlung, darunter auch die berühmte Brosche aus Smaragden und Diamanten, die ihr Richard Burton mit der Notiz »If it’s Tuesday, I love you« verehrt hatte, und ein diamantenes Diadem, das ein Geschenk von Taylors verstorbenem dritten Ehemann Michael Todd gewesen war.
»The V.I.P.s« gehörte mit einem Einspielergebnis von 15 Millionen US-Dollar zu den zehn erfolgreichsten Filmen des Jahres 1963. Dass die Kritiker die Seifenoper nicht sonderlich mochten, ist angesichts dieser Summe gut zu verschmerzen. Aus der wunderbaren Besetzung ragen vor allem Margaret Rutherford, die für ihr erheiterndes Spiel einen Oscar bekam, Maggie Smith und Linda Christian heraus.
#455: …die alles begehren
Originaltitel: The Sandpiper; Regie: Vincente Minnelli; Drehbuch: Dalton Trumbo, Michael Wilson, Irene Kamp, Louis Kamp; Kamera: Milton R. Krasner [Milton Krasner]; Musik: Johnny Mandel; Darsteller: Elizabeth Taylor, Richard Burton, Eva Marie Saint, Charles Bronson, Robert Webber. USA 1965.
Die ab 1963 praktisch jährlich auf den Markt geworfenen Burton/Taylor-Filme polarisierten: während die Kritiker die Machwerke beinahe ausnahmslos verrissen, strömten Scharen ausgehungerter Kinogänger in die Lichtspielhäuser, um das Traumpaar zu sehen und bescherten den Produzenten einen wahren Geldsegen. Der fleißige Produzent Martin Ransohoff (Boys’ Night Out, The Wheeler Dealers, Don’t Make Waves) wollte anno 1965 auch ein Stück vom Kuchen haben und schlug mit »The Sandpipers« recht wirkungsvoll Kapital aus der Popularität des mittlerweile verheirateten Skandalpärchens: Mit einem Einspielergebnis von über 13,5 Millionen Dollar gehörte »The Sandpiper« zu den 15 erfolgreichsten Filmen der Saison. Die Story hatte Ransohoff ursprünglich als Vehikel für Kim Novak ersponnen, doch mit der lag er dank der gescheiterten Zusammenarbeit an Eye of the Devil im Clinch, so dass er kurzzeitig in Erwägung zog, Burt Lancaster und Deborah Kerr ihre Chemie aus »From Here to Eternity« (Regie: Fred Zinnemann) wiederholen zu lassen. Für die Burtons hatte er eigentlich ein anderes Projekt im Auge, doch da dies einfach nicht zustande kommen wollte, spannte er sie für diesen Film ein. Aus seiner etwas dürftigen Geschichte schusterte ein Team von nicht weniger als vier Autoren — unter anderem der große Donald Trumbo — in Rekordzeit ein Drehbuch zusammen. Für die Regie konnte Ransohoff keinen Geringeren als Vincente Minnelli an Bord holen, der hier die zweitschlechteste Arbeit seiner Karriere ablieferte. Minnelli soll sich bereits bei der Lektüre des Drehbuches bis zur Hornhautbildung die Handfläche gegen die Stirn geschlagen haben. Wie dem auch sei: dieses teure vanity project demonstriert eindrucksvoll den Status des Gespanns Taylor-Burton in den Sechzigern. Ransohoff verkaufte der MGM das Gesamtpaket inklusive Stars, Regie und Drehbuch und konnte sich der klingelnden Kassen gewiss sein. Immerhin ist die Schmonzette dank der umwerfend schönen Landschaftsaufnahmen auch heute noch schick anzuschauen. Das fängt schon beim Titelvorspann an: die Kamera gleitet über die südkalifornische Küste rund um Monterey, der Pazifik brandet in der Abendsonne, Fichtenwälder, schroffe Felsen — ein Träumchen!
Donald Trumbo verriet der Presse damals, dass es sich bei der Geschichte von »The Sandpiper« um ein »nettes, straffes Drama über eine arme junge Frau« handele, »die an der Küste mit einem […] unehelichen Sohn lebt und sich mit einem Geistlichen einlässt«, verkörpert von Dick Burton. Natürlich ist der Kirchenmann auch noch verheiratet. Seine ebenso reine wie langweilige Gattin wird von der wundervollen Eva Marie Saint gespielt, deren Talente hier einmal mehr sträflich vergeudet werden. Das luxuriöse Waldhaus der Taylor, die im Film Laura Reynolds heißt und eine Art Hippie-Künstlerin ist, spricht jeder Realitätsnähe Hohn. Was genau passiert eigentlich? Laura war nie verheiratet, ihr Sohn Danny (Morgan Mason) ist ein Kind der Liebe. Die unkonventionelle Frau unterrichtet das Balg selber, bis die Behörden es ihr wegnehmen und in das Internat von Dr. Edward Hewitt alias Burton stecken. Dieser ist fasziniert von dem freien Geist der Malerin. Er fängt an, sie regelmäßig zu besuchen und schreckt bald schon nicht mehr vor Ehebruch zurück. Durch die Affäre beginnt Hewitt/Burton, ehrlich über sein Leben nachzudenken und bereitet seinen Ausstieg vor…
Das Ganze zieht sich zwei Stunden lang wie Kaugummi, hat aber ein paar unfreiwillig komische Szenen zu bieten. Die schrille Stimme der Taylor, die ihr overacting kaum zu bremsen vermag, lässt einem schier das Blut in den Adern gefrieren. Der Themenkomplex um Leidenschaft, Ehebruch und Steuerbetrug weist nicht gerade wenige Parallelen zur wirklichen Geschichte der Burtons auf, was damals von der Presse als geschmacklos empfunden wurde. Der Film selbst nimmt zu diesen Fragen eine ambivalente Haltung ein; einerseits bewundert er die Selbständigkeit der Taylor-Figur, andererseits lässt er den Priester für seine Sünden büßen. Was für eine Edelschnulze! Witzigerweise (auch mit Hinblick auf die Nebenhandlung mit der Steuerhinterziehung) setzte das Star-Duo durch, dass nur vier Wochen in den USA gedreht wurde — die Außenaufnahmen entstanden im kalifornischen Big Sur, einer der schönsten Filmkulissen, die man sich vorstellen kann! —, während alle Studioaufnahmen in Paris stattzufinden hatten, damit die Burtons Steuern sparen konnten.
»The Sandpiper« gewann 1966 einen Oscar für den von Johnny Mandel komponierten Song »The Shadow of Your Smile«.
#456: Die Stunde der Komödianten
Originaltitel: The Comedians; Regie: Peter Glenville; Drehbuch: Graham Greene; Kamera: Henri Decaë; Musik: Laurence Rosenthal; Darsteller: Richard Burton, Elizabeth Taylor, Alec Guinness, Peter Ustinov, Lillian Gish. USA 1967.
Graham Greenes Adaption seines eigenen Romans, angesiedelt in Haiti unter der Herrschaft des Diktators François Duvalier, genannt Papa Doc, wartet an sich mit einer guten Geschichte auf. Die Taylor gibt uns die Gattin eines südamerikanischen Botschafters (Ustinov), die in Haiti eine Affäre mit einem des Lebens überdrüssigen Hotelbesitzers hat, welcher mehr oder weniger unfreiwillig in eine politische Intrige hineingezogen wird, die den Sturz des Terrorregimes zum Ziele hat. Mit einem falschen Colonel (Guinness), der sich als rückgratloser Feigling herausstellt, führt er eine Schar von idealistischen Freiwilligen in einen zum Scheitern verurteilten Kampf.
Da »The Comedians« aus verständlichen Gründen nicht auf Haiti selbst gedreht werden konnte, suchte und fand man in Westafrika und Südfrankreich optisch adäquaten Ersatz für üppig-pittoreske Außenaufnahmen, während die Innenaufnahmen in einem Pariser Studio entstanden. Berichten zufolge ließen sich die verwöhnten Burtons ganze Flugzeugladungen von Champagner und Delikatessen in das von Armut gepeinigte Benin schicken, was in gewisser Weise schon ein Affront war.
Peter Glenville bediente sich eines schmutzigen Tricks, um Elizabeth Taylor nicht ihre damals übliche Gage von einer Million US-Dollar zahlen zu müssen: Er richtete ihr aus, dass er ihren Part Sophia Loren angeboten habe, woraufhin die Taylor zusagte, den Film für 500.000 Dollar zu machen. Somit verdiente sie erstmals weniger als ihr Gatte Richard Burton, der 750.000 Dollar kostete. In diesem Film, dem insgesamt siebten des Ehepaares Taylor-Burton, wurde Burtons Name auch zum ersten Mal vor dem seiner Frau im Vorspann genannt. Der Streifen selbst wurde von Glenville, der bereits 1964 mit Burton den weitaus gelungeneren »Becket« gedreht hatte, ohne sichtbares Engagement inszeniert, und so wurde aus einer an sich packenden Story ein uninspirierter und langatmiger Film mit einer Lauflänge von 152 Minuten — von denen man übrigens jede Sekunde körperlich spürt —, der trotz seiner Spitzenbesetzung schlechte Kritiken einfuhr und an den Kinokassen auf Gleichgültigkeit stieß. Für den englischen Regisseur wurde »The Comedians« dann auch die letzte Filmarbeit: Glenville wandte sich fortan wieder dem Theater zu.
Dass »The Comedians« ein solcher Reinfall wurde, schrieb man — vielleicht ungerechterweise — den Burtons zu: das (seinerzeit) höchstbezahle Darstellerteam überhaupt hätte mit seinem Star-Status das Gleichgewicht der Produktion aus den Fugen gehoben. In der Tat hatte die Produktion mehr Wert auf ihre zum Gähnen langweilige love story als auf die politische Geschichte des Films gelegt. So kommentierte die »Newsweek«: »Von ihnen abgesehen, falls es außer oder neben ihnen überhaupt etwas geben kann, hätte es vielleicht ein ganz guter Film werden können.« — Besonders Liz Taylor hatte harsche Kritiken wegstecken müssen, da sie diesmal nicht nur schrecklich übertrieben chargierte, sondern offenbar auch Schwierigkeiten mit ihrem für ihre Figur evidenten deutschen Akzent hatte, der sich für die Presse eher französisch anhörte. Sowohl Guinness als auch Ustinov wirken in ihren Parts entsetzlich unterfordert, und so bleiben schauspielerisch nur ein paar Glanzmomente von Lillian Gish, Roscoe Lee Browne, Zakes Mokae, James Earl Jones sowie Cicely Tyson, die wenige Jahre später für ihr brillantes Spiel in »Sounder« (Regie: Martin Ritt) für einen Oscar nominiert wurde. Tyson war damit nach Dorothy Dandridge die erst zweite afro-amerikanische Schauspielerin, die für den höchsten Filmpreis der US-amerikanischen Unterhaltungsindustrie vorgeschlagen wurde.
André Schneider