31. Oktober 2011

Ich liebe Berlin. Unter all den Städten, die ich im Laufe meiner 33 Lebensjahre durchwanderte, in denen ich lebte, liebte, arbeitete, urlaubte, die ich erlebte oder erlitt, war sie diejenige, in der ich mich angenommen, aufgehoben, geborgen, zuhause fühlte. Mit 21 Jahren zog ich hierher, um an der FU Indologie zu studieren, das war im Oktober 1999. In Aus der Umarmung des Wassers schrieb ich, wie ich die ersten Monate in der Hauptstadt empfand: »Es war eine Zeit des Aufbruchs und des Ankommens — und eine Zeit des Verliebens. Ich verliebte mich in Indien, seine Sprachen und seine kindlich-pompöse Kunst, in Henni und Thekla mit ihren feinen, weit gebogenen Augenbrauen und ihrer klaren Stirn, in die morgendliche Fahrt in der U1 vom Kottbusser Tor nach Dahlem-Dorf, in die Konzerte von Boris Steinberg und Tanja Ries, die mit ihren Songs mein Leben veränderten und mich meiner Muttersprache noch näher brachten, in die Charlottenburger Jazzclubs und die vielen Straßencafés und Bibliotheken der Stadt. Berlin war keine Liebe auf den ersten Blick. Vielmehr lernte ich, diese Stadt mit all ihren ›Defekten‹ und geheimen Zauberorten zu lieben. Vor allem ist und bleibt Berlin ein Kriegsverwundeter, einmal auseinander gerissen und nach vierzig Jahren der Entfremdung wieder zusammengeflickt. Es sind gerade diese Narben im Fleische der Stadt, die ihr die Schönheit eines Exoten verleihen. Es ist ein Wallfahrtsort für Flüchtlinge, pulsierend, vibrierend, brodelnd, wachsend und in sich zusammenschrumpfend, ein Schnittpunkt zweier Welten und dutzender Kulturen, eine Stadt für Suchende, Rast- und Heimatlose und diejenigen, die von der Provinz ausgespieen wurden. Berlin ist Kreuzfahrtdampfer und Nachtzug, realistisch und träumerisch, Vergangenheit und Zukunft, Gespenst und Meerestier — und die Mutter, die uns nach durchzechter Nacht Daheim erwartet und empfängt, uns tröstet oder straft. Oder doch der Vater? Denn es ist eine maskuline Stadt, aggressiv und sexuell.«
     In Berlin bekam ich meinen ersten Kuss, damals, Ende April 1996. Der Mensch, der ihn mir gab, ist immer noch einer meiner liebsten Freunde. Die Liebe meines Lebens lernte ich vier Jahre später kennen, ebenfalls in Berlin. Obwohl ich damals schon viel unterwegs war, waren Markus und Berlin doch meine Basis. Sein Tod entwurzelte mich zwar, aber Berlin hielt mich. Gerade in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends — und zwar bis 2006, 2007 — war die Stadt ein kreativer Pool, überall war Bewegung, Entwicklung spür- und erlebbar. In den letzten Jahren kippte das ein wenig. Der enorme Zulauf, dem Berlin sich ausgeliefert sieht, die Touristenströme, die Kommerzialisierung der einst so charmanten Geheimtipps… Nein, das hat Berlin nicht gut verkraftet. Und trotz der Arbeitslosigkeit und der tief verwurzelten Ranzigkeit gibt man sich als Metropole. Was einfach nicht der Fall ist. Der Reiz Berlins lag unter anderem gerade darin, dass es einerseits riesengroß und vielfältig, andererseits jedoch sehr dörflich strukturiert ist. Berlin ist nicht London, ist nicht Paris, ist nicht Madrid oder Barcelona, ist nicht Rom, ist erst recht nicht New York. Der künstlich erschaffene (oder erredete?) Boom führte zu einem kreativen Stillstand und zu einer latenten Kälte und Arroganz, die durch die feschen Bezirke der Innenstadt wabert.
     Natürlich kann ich hier jetzt nur an der Oberfläche kratzen, ohne lang auszuschweifen. Auch möchte ich nicht endlose Schimpftiraden loswerden, dafür liebe ich Berlin zu sehr. Ich hatte hier so wunderbare Begegnungen! Barbara, Gianni, Nikolaus, Dominique, Sascia, Sirko, Mark und Heiko, Ingo B., Ralf, Stefan, Jennifer, Georg, Boris, Tanja, Giovanna, Franz, Tilly, Thomas B. — ach, ich kann sie gar nicht alle aufzählen, ich würde die Hälfte vergessen. Und wenn ich an die vielen schönen Spaziergänge am Paul-Lincke-Ufer denke, an die Konzerte im Quasimodo, die Abende in der Ankerklause, kommen mir fast die Tränen. Die Weitläufigkeit dieser Stadt, das Wasser, das Grün — oh ja, Berlin ist einer der schönsten Orte der Welt.
     Andererseits… Ach, das Andererseits erwähne ich an dieser Stelle nicht; es ist heilsamer, das Böse schlafen zu lassen.
     Meinen Abschied von Berlin nehme ich schrittweise. Zunächst werde ich noch ein kleines Büro mit Schlafsofa haben, den so genannten »Koffer in Berlin«, und natürlich werden wir im Februar und März noch Szenen für Le deuxième commencement hier drehen. Ich werde Berlin immer nah und oft hier sein. In einer guten Beziehung ist es klug und ratsam, hin und wieder mal ein wenig auf Distanz zu gehen, um den anderen besser sehen zu können. Nur, wenn man sich voneinander entfernt, kann man sich auf wieder annähern. Dieser Gedanke macht den Schmerz des Weggangs erträglicher für mich.
     Während ich diese Zeilen schreibe, höre ich das Album »Human« von Nitin Sawhney. »From the shadows of my memory I can feel you walking near me and I’m waiting for the rain to fall.« Ich möchte die Schatten meiner Erinnerung nun schweigen lassen und versuchen, dem zu lauschen, was hinter ihnen verborgen ist. Ein Summen, ein Flüstern, ein Rufen? Ich murmle vor mich hin:

Yo le canto al silencio.
A ese silecio que existe
entre cada palabra que sale
de mi boca.

Le canto al silencio,
porque es allí donde se esconde
mi voz, y la voz que quien no
sabe o no puede cantar.

Y si la soledad te enferma el alma, si el invierno llega a tu ventana, no te abandones a la calma — con la herida abierta.  Mejor olvidar y comienza una vida nueva. Y respira el aire puro, sin el vicio de la duda. Si un día encuentras la alegría de la vida. ¡Sé feliz!

André Schneider

Ich habe viel geweint die vergangenen Wochen, aber diese Tränen waren aus beiden Quellen gespeist. Einerseits bin ich traurig, dass ich mein Zuhause verliere, andererseits fühle ich mich frei und, na ja, glücklich. Und das Vagabundieren der kommenden Monate wird aufregend sein.
     Wir lesen uns im Dezember wieder. Bis dahin wünsche ich Euch einen wunderbaren Herbst, gönnt Euch ab und an mal einen kleinen Genuss — vielleicht ein Latschenkieferbad zu zweit?

André

Dimanche 30 octobre 2011

Le deuxième commencement (le scénario)

Plus que quatre semaines avant le début du tournage. Le temps de m’adapter à mon scénario — et bien sûr, à mon rôle. Non, le personnage d’André n’est pas autobiographique. En fait, il me ressemble assez peu. Mais je comprends parfaitement ses pensées et ses actes. Et je partage son profond attachement à Laurent, ce garçon diablement séduisant et insouciant qui prend la vie et l’amour avec tant de facilité et d’allant.
     Lorsque j’ai écrit le scénario, j’avais sur mon bureau une photo de Laurent Delpit. (Quelque chose qu’il avait publié sur Facebook.) Je voulais me plonger dans André et explorer ses sentiments. Qu’est-ce qui l’a attiré à lui pendant toutes ces années ? (Plus de dix ans !) Une attirance physique ? Oui, certainement, ils sont tous les deux très sensuels, sexuels. C’est clairement un lien très fort entre eux, ils sont sur la même longueur d’ondes. Mais il fallait qu’il y ait autre chose. Personnellement, je suis presque certain que c’est parce qu’André veut ressembler à Laurent. Il aimerait prendre les choses moins au sérieux et vivre plus libre qu’il ne l’est véritablement. Son côté allemand lui pèse, aussi son petit ami français l’aide un peu à s’en libérer. C’est, bien entendu, une seule des nombreuses particularités (non négligeable) de leur relation.
     André rencontre également beaucoup de difficultés : jamais il n’a pu partager son partenaire avec sa famille, car Laurent n’a jamais pris la peine d’apprendre l’allemand, et les parents d’André ne parle pas le français. Pour vivre pleinement cette relation, il a dû quitter non seulement sa ville d’origine mais son pays. Il a fait beaucoup de sacrifices.

L’écriture du scénario m’a vraiment éclairé. J’ai toujours été intrigué par l’idée de raconter une histoire d’amour entre deux pays, deux langues, deux cultures. Comment font deux personnes issues de deux contextes complètement différents ? Comment entretiennent-elles leur amour ? Cela demande sûrement beaucoup de courage, d’engagement. L’amour en soi est un défi, mais un amour dans ces conditions particulières doit être plus fort que tout pour survivre.
     Notre film commence par un coup de fil : André reçoit, pour la première fois depuis leur séparation trois ans plus tôt, un appel de son ex, Laurent, qui lui annonce son désir de lui rendre visite à Berlin. Prudemment, André attend l’arrivée de Laurent. Quand ils se retrouvent, ils découvrent que les sentiments qu’ils ont l’un pour l’autre sont toujours aussi forts, et ce, malgré toutes les raisons qui avaient fini par les séparer, dans la douleur. Pour la première fois, ils communiquent réellement — et après un long week-end ensemble, ils choisissent d’accorder à leur relation une seconde chance. Cela marchera-t-il cette fois ?
     On a tous traversé quelque chose, que cela soit un décès ou autre chose ; on reçoit un coup de fil inattendu, et soudain, le cours de sa vie change. Ca va être extrêmement intéressant d’explorer cette expérience dans un film.
     Bises de Berlin.

André

Un fol appétit

Quand nous jouions les paresseux
Que nous fermions les yeux
Pour attendre ensemble le bout de la nuit
Et contempler l’étincelant lever de soleil

Quand nous étions l’un contre l’autre
Que nous respirions d’un même souffle
J’entendais pourtant un faible cri au loin
Me soufflant que notre amour s’évaporait

Il y a toujours une fin à tout
Et jamais un départ
Chaque fois que nous nous rapprochons
Nous nous abîmons

Quand nous parlions d’amour
Whenever we wronged a right
Quand nous nous dévorions
D’un fol appétit

Quand nous devenions toi
Quand nous devenions moi
Que nous jouions aux imbéciles heureux
Amoureux d’un fantasme

Il y a toujours une fin à tout
Et jamais un départ
Chaque fois que nous nous rapprochons
Nous nous abîmons

Quand tu souris quand tu ris
Quand tu pleures quand tu soupires
Souviens-toi que j’étais alors le seul
A entendre ton cri

Il y a toujours une fin à tout
Et jamais un départ
Chaque fois que nous nous rapprochons
Nous nous abîmons

André Schneider