Da ich dieses scheußliche Weihnachtsfest 2016 einfach nur vergessen möchte, beschränke ich mich auf die Schilderung der schönen Dinge: die Fahrt von Berlin nach Hildesheim und der Goslarer Weihnachtsmarkt. Wir hörten im Auto das Hörbuch »Bellboy oder: Ich schulde Paul einen Sommer« von Jess Jochimsen. Sieben oder acht Jahre war es her, dass ich es zum letzten Mal gehört hatte; mir war zwar noch im Gedächtnis, dass es gut war und dass ich seinerzeit alles darum gegeben hätte, in einer etwaigen Verfilmung den Paul zu spielen, aber die Details hatte ich größtenteils vergessen. Unsere Gespräche während der Fahrt waren schön, und am ersten Feiertag legte Ian mir die Karten fürs nächste Jahr, welches ganz offenbar ein Jahr der Entscheidungen werden wird. Augenblicklich sehe ich das noch nicht. Abwarten. — Die Geschenke waren ebenso schön wie praktisch, ich bekam neue Kopfkissen und eine neue Decke, so dass ich das alte Bettzeugs nun endlich entsorgen kann. Nadine schenkte mir ein Helena-Fotobuch, und im Paket von Ians Vater fand ich einen Roman, den ich ab Januar lesen werde.
Bei unserer Rückkehr erwarteten mich ein paar Weihnachtsgrüße im Briefkasten, die mich freuten, aber die Traurigkeit, die Trostlosigkeit, die Wut und die maßlose Erschöpfung überwogen. Dieses peitschende Gefühl des Ausgebranntseins, das mich im Schwitzkasten hat. Der glücklichste Moment der vergangenen Wochen? Das war ein Mittwoch — ich weiß nicht mehr, welcher —, spätabends, und ich war mit Chelito allein. Im Innenhof war es mucksmäuschenstill. Bei mir im Schlafzimmer auch Stille, keine Musik, kein Film. Nur weiches Kerzenlicht und ein Becher Kräutertee, und ich sank ins Bett und dachte: »Wie schön!« Dann dämmerte mir, dass am nächsten Morgen wieder die Arbeit auf mich wartete und ich bald schlafen musste, um ausreichend Kraft für den kommenden Tag zu sammeln. Aber in diesen kurzen Augenblicken war ich glücklich. Vermutlich ist das momentan alles, was ich erwarten kann. (Ob, wann und wie ich die verbleibenden zwölf Urlaubstage bis Ende März nehmen kann, bleibt das süße Geheimnis meines Chefs.)
Das große Sterben der Stars findet kein Ende. Zu Weihnachten — welch Ironie! — erwischte es auch noch George Michael. 53 Jahre alt. Ich war nie ein wirklicher Fan, aber sein »Older«-Album ist mir seit jeher sehr nahe. Ein vorzügliches Album, tief, traurig, vielschichtig und intim. Es zeigt auch seine Bandbreite als Musiker. David Bowie, Prince, George Michael, es haftet immer noch etwas Unwirkliches an allem. Tags darauf dann Claude Gensac und Carrie Fisher, die beide große Klasse waren. Fisher war nicht nur Prinzessin Leia, sie war auch und vor allem eine fabelhafte Autorin und hatte einen herrlich trockenen, klugen Witz. Ohne ihre Dienste als script doctor wären Filme wie »Hook« (Regie: Steven Spielberg), »Sister Act« (Regie: Emile Ardolino), »The Wedding Singer« (Regie: Frank Coraci), »Coyote Ugly« (Regie: David McNally) oder The Mirror Has Two Faces sicher nicht so erfolgreich gewesen. — Ich habe etwas Angst vor dem, was 2017 diesbezüglich für uns in petto haben wird. Die Großen sind oder kommen ja alle in das Alter: Doris Day, Albert Finney, Vanessa Redgrave, Tippi Hedren, Danielle Darrieux, Betty White, Eva Marie Saint, Jack Nicholson, Mario Adorf, Sean Connery, Alain Delon, Kirk Douglas, Maggie Smith, Shirley MacLaine… Und die Musikerinnen und Musiker habe ich noch nicht einmal angedacht!
Gestern trafen die DVD von »That Cold Day in the Park« (Regie: Robert Altman) sowie die CD von Célien Schneider ein. Damit werde ich mich für den Rest des Tages einigeln. Auf bald!
André