Vivàsvan Pictures @ QueerScreen.fr

Des bonnes nouvelles !
One Deep Breath, Sur les traces de ma mère et Bd. Voltaire sont tous disponibles en VOD sur la plateforme QueerScreen.fr ! Bien sûr, les DVDs de Vivàsvan Pictures sont toujours disponibles aussi. Vous pouvez les commander ici, ici ou ici, par example. Bon week-end !

Filmtipp #630: Free Samples

Free Samples

Originaltitel: Free Samples; Regie: Jay Gammill; Drehbuch: Jim Beggarly; Kamera: Reed Morano; Musik: Eric Elbogen; Darsteller: Jess Weixler, Jesse Eisenberg, Jason Ritter, Halley Feiffer, Tippi Hedren. USA 2012.

Happy Birthday, Miss Hedren!
Die geheimnisvollste aller Hitchcock-Blondinen wird heute 90 Jahre alt. Es war nicht leicht, unter den rund 50 Kino- und Fernsehfilmen, die sie nach Marnie noch drehte, einen herauszusuchen, der einer Besprechung würdig sei; A Countess from Hong Kong, Mister Kingstreet’s War, The Harrad Experiment, Tiger by the Tail und Satan’s Harvest hatte ich ja bereits vor Jahren rezensiert. Ab ca. 1988 arbeitete Hedren für ihre Verhältnisse sehr viel, hauptsächlich fürs Fernsehen. Eine Gastrolle hier, ein TV-Filmchen da, dazwischen Kinokost im C-Bereich. Viele ihrer Filme aus den 1990ern und frühen 2000ern waren schlecht, aber leider, leider nicht so schlecht, dass sie Spaß gemacht hätten. Im vorigen Jahr habe ich sogar einige ihrer Machwerke aus meiner Sammlung verbannt: »Icemaker« (Regie: David Gaz, Annelie Wilder) hatte zwar eine vergleichsweise gute Rolle für sie, war als Ganzes aber kaum anguckbar, »Strike the Tent« (Regie: Julian Adams, A. Blaine Miller) war sterbenslangweilig, »Mind Rage« (Regie: Mark Allen Michaels) war der letzte Schrott. Nein, viel Gutes gab es für Hedren nach 1965 nicht mehr. Wenn man seinen Einstand mit einem Meisterwerk wie »The Birds« (Regie: Alfred Hitchcock) gibt, dann kann es im Anschluss logischerweise nur noch abwärts gehen. — Ende 2011, also rund 50 Jahre nach ihren berühmten Probeaufnahmen für Hitch, stand Hedren für »Free Samples« vor der Kamera: eine kleine Independent-Produktion, die in nur 13 Tagen abgedreht war. Um es gleich vorweg zu nehmen: Der Film ist kein großer Wurf. Im letzten Drittel bröckelt die Kontinuität völlig, die strukturellen Probleme des Drehbuches treten dann ungeschönt zutage. Insgesamt fragt man sich, was die Intention hinter diesem Gemisch aus humorloser Komödie und undramatischem Drama gewesen sein mag. Aber seltsamerweise hat »Free Samples« etwas, das ihn liebenswert macht, und für Tippi Hedren gibt es eine schöne Altersrolle — vielleicht ihre beste seit ihrem Gastauftritt in »Hotel« vor über 30 Jahren.

Die Handlung dreht sich um eine junge Frau namens Jillian (sehr gut gespielt von Jess Weixler), die ihr Studium — Jura in Stanford — geschmissen hat und sich nun fragt, was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Eines Tages bittet ihre beste Freundin (Halley Feiffer) die völlig verkaterte Jillian darum, ihren Eiswagen zu übernehmen. Missmutig kutschiert sie das Teil durch Los Angeles und verbringt den Großteil ihres Tages damit, Kunden abzuwehren. Unter ihnen ist auch Tex (Jesse Eisenberg), mit dem sie (vielleicht) am Vorabend abgestürzt ist. Am Ende des Tages wird Jillian herausgefunden haben, dass das Leben nicht anhält, nur weil sie es sich wünscht.
Da schwingt ein bisschen Paternalismus mit, das Skript ist nicht frei von Binsenweisheiten. »Free Samples« ist eine bauernschlaue Tragikomödie, in welcher uns Tippi Hedren als Betty the voice of reason gibt. Betty ist eine alternde Schauspielerin, die sich mit ihrem Rollator zu Jillians parkendem Wagen schleppt, um ihr tägliches Eis zu essen. Betty hat die klügsten Sätze im Film (»One life is enough for anyone. But there are so many lives within that life.«) und hängt ihrer Vergangenheit als Filmstar nach (»There was a time in my life when it was just a joy to wake up every morning and run to the mirror.«). Hedren und Weixler spielen hervorragend zusammen, ihre gemeinsamen Szenen sind die Höhepunkte dieses kleinen, artig inszenierten Werks, das am 20. April 2012 beim Tribeca Film Festival uraufgeführt wurde. (Es folgte ein kleiner festival run durch die USA — Newport Beach, Palo Alto, Austin, Portland —, ehe »Free Samples« auf DVD erschien.)
Jason Ritter, John Ritters Sohn, übernahm eine kleine Rolle, Barret Shuler, James Duval, Keir O’Donnell, Matt Walsh, Jocelyn Donahue und Whitney Able sind ebenfalls mit von der Partie und verrichten ihre Sache ordentlich. Die Schauspieler, vor allem Weixler, Eisenberg und Hedren, fanden durchweg Lob für ihr Engagement, aber insgesamt waren die Kritiken gemischt. Regisseur Jay Gammill wandte sich im Anschluss wieder seiner eigentlichen Profession, dem Filmschnitt, zu. — International stieß »Free Samples« auf wenig Resonanz, es gab lediglich DVD-Veröffentlichungen in Schweden und Dänemark (unter dem irreführenden Titel »Searching for Love«), Russland, Bulgarien, Finnland und dem Iran. Für Hedren blieb es die bis heute letzte sehenswerte Arbeit.

André Schneider

12. Januar 2020

2019 hätte — so war der Plan — ein blogfreies Jahr werden sollen, doch da ich den Suchtfaktor des Schreibens unterschätzte, kamen doch 26 Beiträge zustande. Ab September hatte ich mich dann soweit im Griff, dass ich wirklich pausierte.
Am 30. August wurde Bootsmann eingeschläfert. Es ging einfach nicht mehr. Der Tumor hatte ihm die Nase komplett zerfressen, es blutete und eiterte, er konnte kaum mehr atmen. Es muss eine entsetzliche Qual gewesen sein. Die Tierärztin kam ins Haus, so dass er in seinem geliebten Garten einschlafen konnte. Nadine war die ganze Zeit an seiner Seite und streichelte ihn. Für sie war es besonders schwer, sie weinte lange um ihn. Als Helena sie mit rotgeweinten Augen sah, streichelte sie ihre Hand und sagte: »Musst nicht traurig sein, Mama, ich bin doch bei dir.« — Ein Haustier zu verlieren ist schmerzhafter, als die meisten denken. Bootsmann ruht jetzt im Garten. Nadine hat ihm einen schönen Grabstein machen lassen, und Odie liegt oft davor. (Es ist immer wieder verblüffend zu hören, dass viele Leute glauben, Tiere hätten keine Gefühle.) Es ist sonderbar, dass er nicht mehr da ist, wenn ich meine Familie besuche.
Keine Sorge, ich werde heute nicht die vergangenen fünf Monate »abarbeiten«. Erst im März werde ich wieder regelmäßig bloggen. Heute wollte ich lediglich einen Artikel mit Euch teilen, der mich als Giallo-Fan überaus beglückte. Und damit wünsche ich Euch einen geschmeidigen Start in den Tag,

Euer André

Deutsche in Italien: Über Edgar Wallace und den Giallo
Bericht von Katrin Doerksen, kino-zeit.de, 6. September 2019

Drei der letzten Edgar-Wallace-Filme der Rialto waren waschechte gialli. Ein vielleicht sogar unvermeidlicher Zirkelschluss — denn schon die ersten stilbildenden gialli waren einst von Edgar Wallace inspiriert.

Das Geheimnis der grünen Stecknadel

Sie will die Augen schließen beim nächsten Kuss, weil sie fürchtet abgelenkt zu sein von fürchterlichen Visionen eines panischen Mädchens auf der Flucht, eines schemenhaften Verfolgers, eines aufblitzenden Messers. Oder sind es doch keine Visionen? »Warum wehrst du dich, Elisabeth?«, fragt der Liebhaber über ihr, der nicht ahnt, dass ihre Aufmerksamkeit in diesem Moment ganz dem Geschehen am gegenüberliegenden Ufer gilt statt ihm. »Warum wehrst du dich?« — die Frage könnte auch dem Zuschauer gelten. Schließlich ist es unmöglich von Edgar Wallace nicht gefesselt zu sein.
Wie Blut klatschen die roten Flecken auf die Leinwand und ergeben den Schriftzug: Edgar Wallace. Daneben im Standbild Elisabeths schockiertes Gesicht, ihr Blick ungläubig und wissend zugleich. Das Spiel mit den Blick- und Machtstrukturen zieht sich durch Cosa avete fatto a Solange? und das schreckliche Geheimnis — so kündet es sich schon in der Titelsequenz an — kennen nur die Frauen.

Es ist einfach, die Filme der Edgar-Wallace-Reihe vorschnell in eine Schublade zu stecken. Als die am Fließband produzierten Unterhaltungsfilme, gegen die die Oberhausener 1962 protestierten. Als seichte Kost in altbackenem Stil, als Variationen des letztlich immer gleichen Whodunit, in dem wahlweise onkelige oder geleckte Scotland-Yard-Inspektoren hilflose toupierte Schönheiten den Klauen comichafter Bösewichte entreißen. Wie so oft mag in diesen Vorurteilen ein Körnchen Wahrheit stecken. Die Sichtweise unterschlägt jedoch die verschiedenen Stile, die die Regisseure in die Reihe einbrachten, die verschiedenen Produktionsphasen der offiziell 32 Filme (in 13 Jahren) umfassenden Reihe, ihre Einflüsse und Auswirkungen auf andere Genres.

Hier kommt Cosa avete fatto a Solange? von 1972 ins Spiel. Gemeinsam mit dem 1969er »Das Gesicht im Dunkeln« und dem letzten Film des offiziellen Wallace-Kanons, Sette orchidee macchiate di rosso von 1972, bildet der Film den fulminanten Endpunkt der Reihe, ihr Aufgehen im Genre der italienischen gialli und damit einen wahrscheinlich von Anfang an vorbestimmten und unvermeidlichen Zirkelschluss. Denn schon die gialli waren einst vom westdeutschen Krimi maßgeblich beeinflusst worden.

Die Blaupause des giallo

Sämtliche Kriminalfilme werden in Italien unter dem Genrebegriff giallo zusammengefasst, der auf die gelben Einbände der Heftromanreihe Il Giallo Mondadori zurückgeht. Ein erfolgreicher Regisseur dieser Schauergenres war der 1914 in Sanremo geborene Mario Bava, der beim Film als Kameramann und Tricktechniker begonnen hatte. Anfang der 1960er Jahre hatte er mit »Die Stunde, wenn Dracula kommt« und »Die Drei Gesichter der Furcht« weltweite kommerzielle Erfolge eingefahren und bekam daher künstlerische Freiheit für eine italienisch-westdeutsche Co-Produktion namens Sei donne per l’assassino zugesichert.

1964 hatten sich die Edgar-Wallace-Filme in Deutschland bereits als kontinuierliche Publikumsmagneten erwiesen und erfreuten sich dank der virtuosen Regie von Filmemachern wie Alfred Vohrer oder Harald Reinl auch in italienischen Kinos einiger Beliebtheit. So rechneten die Produzenten, allen voran die Münchener Top-Film, die die Besetzung einiger deutscher Stars wie Thomas Reiner (»Raumpatrouille Orion — Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion«) durchdrückte, mit einem Whodunit nach eben jenem Vorbild. Bava jedoch, gelangweilt von den Mechanismen des Genres, stellte völlig andere Aspekte der Handlung scharf, zeigte in aller Deutlichkeit, was vorher nur angedeutet worden war und schuf damit die Blaupause des giallo all’italiano.

Blutige Seide

In Sei donne per l’assassino, der in Deutschland als »Blutige Seide« (und in Österreich unter dem wallace-esken Titel »Der Würger mit der Maske«) in die Kinos kam, werden reihenweise Frauen einer Modelagentur von einem maskierten Killer umgebracht. Die Ausstattung der abgelegenen Villa, in der sich ein großer Teil der Handlung zuträgt, ist exquisit mit dicken Vorhängen und barocken Stuckverzierungen. Ein Hauch von Gothic-Atmosphäre weht durch dunkle Wälder und karge Kellerräume. Die Schatten sind expressiv, die Lichter neonfarben, die Frauen blendend schön — bis schwarz behandschuhte Finger sich in die Bilder schieben und nach ihren Hälsen greifen, das Blut knallrot.

Das Spannungsverhältnis zwischen Eros und Thanatos, Sex und Tod zieht die Kamera magisch an, fasziniert sie ungleich mehr als die Ermittlungen der Polizei. Die Angst in den Augen der Opfer, ihr verzweifeltes Aufbegehren gegen die Gewalt, gegen die Endgültigkeit des Drohenden. Wenn die Mode, die die Frauen zur Schau tragen, dazu gedacht ist, individuelle Persönlichkeiten zu unterstreichen, dann bedeutet der Killer den Tod all dessen: Die gesichtslose Maske markiert ihn als in Schwarz gewandeten Stereotyp, die Handschuhe gelten bald als visuelles Merkmal des giallo schlechthin.

Wie einst im Kinetoskop

In Westdeutschland war Sei donne per l’assassino ein solider Kinoerfolg, der die Produzenten der Rialto Film dazu veranlasste, den nächsten Film der Edgar-Wallace-Reihe erstmals nicht in Schwarzweiß zu drehen: Die Farbgestaltung in Alfred Vohrers »Der Bucklige von Soho« (Kamera: Karl Löb) reicht bei Weitem nicht an Bavas Meisterschaft heran, das Spiel mit roten Farbakzenten aber verweist noch zurückhaltend, aber doch unmissverständlich auf das filmische Vorbild.
Sei donne per l’assassino ging aber nicht nur als erster giallo in die Kinogeschichte ein, sondern auch als erster Body-Count-Film. Der Originaltitel (übersetzt bedeutet er: Sechs Frauen für den Mörder) deutete schon an, was sich in den Katastrophen- und Slasherfilmen der 1970er und -80er Jahre vollends etablierte: Eine Abfolge spektakulärer Morde, oftmals schon mithilfe der Filmplakate vorauszusagen, auf denen die Darsteller_Innen in kleinen Portraits abgebildet waren wie um sie nacheinander abzuhaken.

Das dem Kino ureigene Prinzip der Nummernrevue findet sich auch in der Edgar-Wallace-Reihe. Vielleicht am originellsten ist er in »Die blaue Hand« umgesetzt, den Alfred Vohrer 1967 drehte. In der Erbschleichergeschichte gibt es eine Szene, in der Sir John (Siegfried Schürenberg) und Inspektor Craig (Harald Leipnitz) durch Spione in die Einzelzellen einer Irrenanstalt schauen. Der durch die engen Gucklöcher vignettierte Blick der Kamera offenbart darin nacheinander und weitgehend losgelöst von der Handlung eine derangierte Frau mit einer Puppe, einen tumb schielenden Mörder und eine leicht bekleidete Frau, die sich offenbar für die Protagonistin einer Peepshow hält. Das Kino, eingedampft auf seine Essenz, eine Aneinanderreihung der Sensationen wie einst in Edisons Kinetoskop.

Dieser grundlegende Gedanke machte das Erfolgsrezept der ganzen Reihe aus. Bereits in den 1920er Jahren hatte es Verfilmungen der Romane des Briten Edgar Wallace gegeben — etwa Manfred Noas heute als verschollen geltender »Der große Unbekannte« (1927) oder Carl Lamačs »Der Zinker« (1931) mit Paul Hörbiger. Mitte der 1950er Jahre hingegen liefen fiktionale Kriminalfilme in den deutschen Kinos schlecht. Erst der dänische Filmproduzent Preben Philipsen, Chef der in Kopenhagen ansässigen Rialto Film und des deutschen Prisma-Filmverleih, entschied sich nach der Sichtung des britischen Thrillers »The Ringer« von Guy Hamilton dazu eine eigene Krimiserie herauszubringen, die im September 1959 mit der Premiere von Harald Reinls Der Frosch mit der Maske ihren Anfang nahm.

Weil man sich vorsorglich die Rechte an sämtlichen Wallace-Romanen sicherte, kamen andere Produktionsfirmen in den Folgejahren ins Rudern, um ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Legendär düpiert war etwa der Berliner Produzent Artur Brauner; umso mehr, da die Wallace-Filme bei der Rialto unter der Federführung des Produzenten Horst Wendlandt entstanden — seines ehemaligen Angestellten. Um irgendwie am Erfolg teilzuhaben, sicherte sich Brauner die Rechte an den Romanen des Wallace-Sohnes Bryan Edgar Wallace, von denen zuerst 1961 »Das Geheimnis der schwarzen Koffer« verfilmt wurde.

Das Gesicht im Dunkeln

Klaus Kinski als Sympathieträger

Erst gegen Ende der 1960er Jahre nahm auch der Erfolg der Originalreihe in den Kinos ab und die Rialto stieg in Koproduktionen mit Italien ein, um die Finanzierung nicht mehr allein stemmen zu müssen. Jenseits der Alpen erlebten inzwischen im Zuge der gesellschaftlichen Umwälzungen ab 1968 und durch Arbeiten von Mario Bava, Dario Argento, Sergio Martino und anderen die gialli eine Hochphase. Die erste deutsch-italienischen Koproduktionen war der vielleicht ungewöhnlichste Edgar-Wallace-Film: »Das Gesicht im Dunkeln« (»A doppia faccia«) von Riccardo Freda, der noch weniger als giallo denn vielmehr als Psychothriller mit veritablen Gaslighting-Tendenzen durchgeht. Keine blutigen Morde, keine Stichwaffen, nur explodierende Autos, leerstehende Häuser, Gothic-Atmosphäre, verregnete Nächte und mitten drin ein völlig hilfloser Klaus Kinski als reicher Alleinerbe einer unter mysteriösen Umständen verstorbenen Frau, die kurz vor ihrem Tod eine Affäre mit ihrer besten Freundin begonnen hatte.
Nur: Kinski als Sympathieträger war 1969 noch keine Sensation. Die Leute kannten den Darsteller bis dahin nur aus Nebenrollen. Dazu kamen die Freigabe des Films erst ab 18 Jahren, die heißen Sommertemperaturen sowie die Tatsache, dass ARD und ZDF kurz zuvor ältere Wallace-Filme und einige Folgen einer britischen Wallace-Serie ausgestrahlt hatten. »Das Gesicht im Dunkeln« fuhr das bis zu diesem Punkt schlechteste Ergebnis der gesamten Reihe ein.

Der deutsche Traum von Italien

Weil die Rialto jedoch nur 30 Prozent der Produktionskosten übernommen hatte, bescherte ihr der geringe kommerzielle Erfolg keine Verluste und das Koproduktionsmodell wurde beibehalten. Die letzten beiden Filme der Reihe, beide 1972 erschienen, sehen von der ersten Minute an aus wie waschechte gialli. Sie zeigen Gewalt und Sex in einer Deutlichkeit, die nur Jahre zuvor in den Edgar-Wallace-Filmen der klassischen Phase nie möglich gewesen wäre: Man sieht Paare im Bett und kurz blitzt Schamhaar auf, Bohrmaschinen stechen in Herzen und eine Prostituierte stirbt blutig im Maisfeld.

Das Rätsel des silbernen Halbmonds

Auch die Atmosphäre mit ihrer Lichtstimmung hat kaum noch etwas mit den düsteren Wäldern, dem muffig-holzvertäfelten Landhausschick der früheren Wallace-Filme gemein. Massimo Dallamanos Cosa avete fatto a Solange? ist zwar noch in London angesiedelt, spielt jedoch in lichtdurchfluteten Parks und modernen Apartments und in Sette orchidee macchiate di rosso von Umberto Lenzi pendeln Uschi Glas und Antonio Sabàto zwischen Rom und der sonnigen Küste, die sie zu Recherchezwecken im offenen Cabrio abfahren. Der alte deutsche Traum von Italien, dem allzeit verfügbaren Urlaubsparadies.

In Cosa avete fatto a Solange? hingegen ereignet sich eine Reihe brutaler Morde an einer Mädchenschule. Joachim Fuchsberger steht darin als Kommissar Barth dem von Anfang an als Schwerenöter verdächtigen Lehrer Henry Rossini (Fabio Testi) gegenüber — die 1972 bereits etwas wurstigen Gesichter Joachim Fuchsbergers und Günther Stolls und die offensichtlich mit großer Sorgfalt drapierte Haarmähne des gepflegten Fabio Testi. Ein culture clash deutscher und italienischer Filmtraditionen, Trends, Ikonografien und Männlichkeitsbilder. Immer wieder linst die Kamera voyeuristisch durch Löcher in der Wand, durch falsche Bücherregale oder Türspione, riskiert so etwa einen Blick auf Schülerinnen in der Gemeinschaftsdusche und erinnert dabei sicher nicht zufällig an die Ästhetik der zu dieser Zeit in Deutschland schwer erfolgreichen Schulmädchenreport-Filme. Deren publikumswirksame Tagline — Was Eltern nicht für möglich halten — scheint angewandt auf Cosa avete fatto a Solange? schon auf die abgründige Auflösung des Mordfalls zu verweisen.

Überhaupt liegt in den Auflösungen der Fälle eine weitere Gemeinsamkeit zwischen gialli und Wallace-Filmen. Weder hier noch dort beziehen die Filme ihr Publikum in die Aufklärung der Fälle ein. Sicher ist: Am Ende wird einer der Kommissare einen Joker aus dem Hut ziehen und einem den Mörder präsentieren — ob die Zusammenhänge nun logisch sind oder nicht. In Sette orchidee macchiate di rosso ist der Killer kurz in einem Hotelflur zu sehen, bevor er eine Glühbirne zerschlägt und alles in vollkommener Dunkelheit liegt. Die Desorientierung ist perfekt — bei Antonio Sabàto als auch im Zuschauersessel. Darum geht es: Um den Effekt, den Affekt, das Kino als logische Fortsetzung der Sensationen aus dem Kinetoskop, sowohl bei Edgar Wallace als auch im giallo.