Lady in a Cage
Originaltitel: Lady in a Cage; Regie: Walter Grauman; Drehbuch: Luther Davis; Kamera: Lee Garmes; Musik: Paul Glass; Darsteller: Olivia de Havilland, James Caan, Jennifer Billingsley, Jeff Corey, Ann Sothern. USA 1964.
In einer unbekannten Stadt lebt die reiche Witwe Cornelia Hilyard (de Havilland) mit ihrem schwulen Sohn Malcolm (William Swan), der stramm auf die 30 zugeht und von seiner Mutter in geradezu ungesunder Weise vereinnahmt wird. Cornelia hat sich vor einigen Monaten die Hüfte gebrochen und ist auf Krücken angewiesen. Damit sie sich zwischen den Etagen ihres Hauses bewegen kann, wurde ein käfigartiger Fahrstuhl eingebaut. Ausgerechnet als ihr Sohnemann übers Wochenende verreist, kommt es durch einen insignifikanten Unfall auf einer benachbarten Baustelle zu einem Stromausfall, der Mrs. Hilyard zum Verhängnis wird: sie bleibt im Fahrstuhl stecken. Sie betätigt besonnen den Notfallknopf und hofft, so die Aufmerksamkeit von etwaigen Passanten vor ihrem Haus zu gewinnen. Doch leider kommt keine Hilfe — lediglich ein versoffener Obdachloser (Corey) hört den Alarm. Doch anstatt der Witwe zu helfen, plündert er einige kleinere Habseligkeiten, um sie dann in einem Pfandhaus zu verscherbeln. Gemeinsam mit Sade (Sothern), einer abgehalfterten Prostituierten, die sich freundschaftlich um ihn kümmert, will der Trinker zurück ins Haus, um noch etwas mehr mitgehen zu lassen. Die beiden werden allerdings von drei gefährlicheren Kriminellen bemerkt, die ihnen folgen. Und ihr soziopathischer Anführer Randall (Caan) hat Pläne, die weit über einen einfachen Diebstahl hinaus gehen…
Ganz ehrlich: Ich hatte nicht erwartet, einen so gewalttätigen Thriller zu sehen. Was Olivia de Havilland hier durchzustehen hat, lässt einem selbst heute noch die Haare zu Berge stehen. Als »Lady in a Cage« am 10. Juni 1964 in den US-amerikanischen Lichtspielhäusern startete, waren die Kritiken vernichtend. Giftspritze Hedda Hopper forderte sogar die Verbrennung des Negativs und fragte ihre Leser: »Why did Olivia do it?« Nun, ich denke, die 300.000 Dollar Gage, die sie für zwei Wochen Arbeit bekam — »Lady in a Cage« wurde in 14 Tagen abgedreht —, dürften Motivation genug gewesen sein. De Havilland, die unlängst ihren 102. Geburtstag feierte und nach wie vor Böses tut, bezeichnete die Arbeit an diesem Streifen als »wundervolle Erfahrung« und lobte vor allem das Talent des damals noch fast unbekannten TV-Schauspielers James Caan, der als Bösewicht hier seine erste große Rolle hatte. Caan lehnte seine Darstellung an Marlon Brando in A Streetcar Named Desire an. Randall ist nicht nur ausgekocht und ungehobelt; animalische Triebhaftigkeit scheint aus jeder Pore zu triefen. Er ist unverhohlen sexuell und brutal. Dass das anno 1964 Anstoß fand, verwundert nicht. In Großbritannien war der Film aufgrund seiner »ziellosen Brutalität« (Abe H. Weiler, »New York Times«) bis 1967 verboten.
Die Dreharbeiten fanden im Februar 1963 in Kalifornien statt. Olivia de Havilland war in letzter Sekunde für Joan Crawford eingesprungen, die eigentlich als Star vorgesehen war. (Kurz darauf ersetzte de Havilland die Crawford noch ein zweites Mal, nachdem diese während der ersten Drehtage zu »Hush… Hush, Sweet Charlotte« (Regie: Robert Aldrich) mit Bette Davis erkrankt war.) Autor und Produzent Luther Davis hatte sich bei der Entwicklung des Stoffes von wirklichen Ereignissen inspirieren lassen. Während des New Yorker Stromausfalls am 17. August 1959 blieb in der Upper East Side eine Frau in ihrem privaten Fahrstuhl stecken. Sie rief um Hilfe und wurde von zwei Männern, die sie gehört hatten, vergewaltigt. Als Davis für sein Drehbuch recherchierte, stellte er fest, dass alle Fahrstühle in New York mit einem Telefon ausgestattet sein müssen, was das Konzept seiner Geschichte zunichte gemacht hätte. Daher entschied er, »Lady in a Cage« in einer namenlosen Stadt anzusiedeln. Der schlechten Kritiken zum Trotz wurde der Thriller für die Paramount zu einem profitablen Geschäft. Leider ist er über die Jahre ein wenig in Vergessenheit geraten, konnte aber eine treue Fangemeinde generieren. Ich denke, heute würden auch die Rezensenten Gefallen an diesem gut gemachten Stück Spannungskino finden.
André Schneider