»Par où je commence ? Bon… je m’appelle Laurent, j’ai 38 ans et je vis à Paris…« — Der erste Satz unseres Films, aufgenommen in der Rue de Cléry, in einer der stilvollsten, schönsten Wohnungen, die ich in meinem ganzen Leben gesehen habe. Am Vorabend waren Laurent und ich seinen Monolog noch durchgegangen, Zeile für Zeile, Gedanke für Gedanke, Emotion für Emotion. Wir waren gut vorbereitet. Der Dreh war konstruktiv, kreativ und harmonisch. Jennifers Bilder sind schlicht und einfach und wunderschön und klar, Laurent ein Gottesgeschenk für jeden Regisseur und Paris einfach die beste Kulisse, die man sich vorstellen kann: Marktimpressionen in Montparnasse bei Regen, ratternde U-Bahnen, heiße Schokolade in einem Straßencafé in Montmartre, Blick über die Stadt, der Eiffelturm wie ein großes, dunkles Gespenst im Nebel, Schwäne auf der Seine…
In den freien Stunden: Treffen mit Léonard, Martin, Laurent Kupferman und Eric, köstliche Abendessen im Les Marronniers und im Bistro Victoires, Blumen auf den Gräbern von Jean Seberg und Serge Gainsbourg, kleine Einkäufe für die Familie. Verliebt in »Bichon« von Julien Doré, Marguerite Duras’ »Écrire« und die DVD von »Les petits mouchoirs« (Regie: Guillaume Canet). Und immer und immer wieder neu in die atemlose Schönheit dieser Stadt! Der Schmerz, wieder abreisen zu müssen, war wie ein Axthieb. Die Tage verflogen viel zu rasch. 2012 werde ich öfter in Paris sein. Neue Kontakte und Projekte machen’s möglich. Prima Entdeckung: In allen großen DVD-Läden — wie fnac oder dem Virgin Megastore — liegen gleich zwei meiner Filme im Regal, Nos jours légers und Les insatiables. Ein erhebendes Gefühl, das nichts mit albernem Stolz zu tun hat, sondern einfach nur beflügelt und Mut macht.
Unser Team hat nach Paris noch Zuwachs bekommen, wir werden immer internationaler. Dennoch wird der Berlin-Dreh familiär, fast intim werden. Zwischen den Feiertagen überarbeitete ich noch einmal das Skript, änderte den Schluss und entwarf erste Drehpläne für die Aufnahmen im Februar. Es wird keinen Zeitdruck, keinen hemmenden Stress geben. Ich gehe mit Zuversicht darauf zu. Und gleich im Anschluss daran warten neue Abenteuer, die Weichen sind gestellt, es gab so wundersame, aufregende, inspirierende Begegnungen zum Jahresende — ich kann’s immer noch nicht fassen.
An dieser Stelle möchte ich mich bei Frank Noack, Klaus-Peter Gollatz, Stefan Rosenthal, Clarissa Drubka, Claudia Eichhöfer-Bormann und Heike Eichhöfer, Gianni Meurer, Alexander Martens, Eugen Zymner, Jürgen Lücker, Hardy Röck, Julian Käser, Estelle Izralewicz-Sevy, Nico Neubauer, Gerhard-Manfred Arndt, Martin Schmidtner, Joachim Post, Klaus Oehlert-Schellberg, Peter Becker und Edgar Schuster sowie unseren Sponsoren Town & Country (Tausend Dank an Franz Werner!), Bleublancrose e. V. (Merci, Pascal Thibaut!) und der barbier BAR (Dankeschön an Frank Jaspermöller!) für die großzügigen Spenden bedanken. Ihr habt unser Vorhaben so freigiebig unterstützt, dass ich immer noch Gänsehaut vor Rührung bekomme, wenn ich daran denke. Schier unglaublich, wie viel Zuspruch und Zuneigung uns seit Beginn der Produktion zuteil wurde! Ohne Euch wären wir nie und nimmer so weit gekommen, dafür an dieser Stelle noch einmal meinen tief empfundenen Dank! Ein besonders dickes Dankeschön geht an Guido Brancher und Raul Blasgascon, die uns in ihrer Traumwohnung Aufnahmen machen ließen und uns so gastfreundlich aufgenommen haben, und an meinen lieben Freund Martin Freudenstein, der unseren Aufenthalt in Paris so liebevoll und großzügig betreute.
Für die letzte Etappe des Arbeitsprozesses fehlen uns allerdings noch einige Mittel, daher möchte ich noch einmal an Eure Hilfsbereitschaft appellieren: Wer ein paar Euros erübrigen kann und möchte, wird gebeten, seine Spende bis zum 31. Januar auf das folgende Konto zu überweisen:
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Auch im Namen meiner Mitstreiter bedanke ich mich ganz herzlich. Wir werden Euch nicht enttäuschen.
Mir ist eigentlich kaum danach, eine Bilanz zu ziehen. Rückblicke bringen einen nicht zwangsläufig weiter. Würde ich 2011 bilanzieren, es wäre unterm Strich wohl kein gutes Jahr gewesen. Stinkende Altlasten aus den Vorjahren und deren Ausläufer begruben die erste Jahreshälfte unter so viel Schlamm, dass ich kaum atmen konnte. Das Loslassen rettete mich. Dazu gehörte auch der Umzug, der Weggang von Berlin. Nachdem dieser Entschluss gefasst war, kam der Umschwung. Plötzlich erhoben sich die Lebensgeister wieder und ließen die kreativen Quellen nach langer Trockenheit wieder sprudeln. Es kam zu neuen Freundschaften, der Gesundheitszustand besserte sich, eine schon vergessen geglaubte Lebenslust erwachte, und mit ihr die Erkenntnis, wie ungern ich über viele Jahre gelebt hatte. Während ich dies schreibe, wird mir klar, dass dieses Jahr wohl doch ein gutes war: Der Anfang vom Neuanfang. Und nach diesem Satz wird mir klar, welch tiefe Bedeutung der neue Film und sein Titel für mich haben: Le deuxième commencement. Der zweite Anfang. Und das in einer fremden Sprache.
Der Roman des Jahres war für mich ein Klassiker von Patricia Highsmith: »Tiefe Wasser«. Ich hatte mir das Taschenbuch im Januar gekauft, bevor ich nach Brüssel flog, und in nur zwei Nächten ausgelesen. Später las ich es noch ein weiteres Mal. Ein Hochgenuss! Kein Wunder, dass Highsmith auch nach all den Jahren noch so beliebt ist.
Im Kino haben wohl vor allem Xavier Dolans Filme mein Jahr geprägt, musikalisch waren es Kate Bush und Bosse. Ich war nur sechsmal im Theater, aber jedes Mal in einer gelungenen Inszenierung. Ein Urlaub lag leider weder zeitlich noch finanziell drin, aber dafür war ich beruflich in Belgien und Frankreich unterwegs. Kulinarisch habe ich ein paar interessante Neuentdeckungen gemacht, unter anderem probierte ich neue Säfte aus. Sanddorn hat die Nase ganz weit vorn, und im Februar fing ich an, regelmäßig Tomatensaft mit Salz und etwas Pfeffer zu trinken. Ich erfreute mich an erotisch-sinnlichen Begegnungen, bei denen es nicht zum Sex kam — ich denke da vor allem an den süßen Brasilianer, der mir eine ganze Nacht auf seiner Gitarre vorspielte und dazu für mich sang (dieses weiche Portugiesisch Südamerikas!) — und verbrachte vor, nach und während meiner Arbeit wertvolle Zeit mit Chelito, der sich nach wie vor pudelwohl fühlt und mir viel Freude bereitet.
Vorsätze für das neue Jahr habe ich eigentlich kaum gefasst, wozu auch. Nur eines wäre mir wichtig: Stabilität zu finden. Ein Zuhause. Und endlich das Band zwischen meinen Eltern und mir kappen, auf Abstand gehen, damit unser Verhältnis gesunden kann. Wenn mir dies beides gelingt, ist schon viel erreicht. Ich sehne mich nach Freiheit. Und Geborgenheit. Ich weiß, ich bin eine kalte Glut.
Für 2011 möchte ich mich mit dem Gedicht »Glanzvoller Stern« von John Keats verabschieden:
Glanzvoller Stern! wär ich doch so stet wie du,
Nicht hing ich nachts in einsam stolzer Pracht!
Schaut’ nicht mit ewigem Blick beiseite zu,
Einsiedler der Natur, auf hoher Wacht
Beim Priesterwerk der Reinigung, das die See,
Die wogende, vollbringt am Meeresstrand;
Noch starrt ich auf die Maske, die der Schnee
Sanft fallend frisch um Berg und Moore band.
Nein, doch unwandelbar und unentwegt
Möcht’ ruhn ich an der Liebsten weicher Brust,
Zu fühlen, wie es wogend dort sich regt,
Zu wachen ewig in unruhiger Lust,
Zu lauschen auf des Atems sanftes Wehen —.
So ewig leben — sonst im Tod vergehen!
Einen hals- und beinbruchfreien Rutsch wünscht Euch aus tiefstem Herzen
Euer André