Andere Saiten aufziehen mit Jazzkellermännern und Polterern
Eigentlich hatte ich ihn nicht sehen wollen, weil ich Fatih Akins Filme nie besonders mochte. Mal auf DVD, das geht, aber im Kino…? Und dann auch noch mit Hanna Schygulla, die mir immer etwas zuwider war. Das Chanson-Album war gut, mir behagt ihre Stimme, ihre Art der Rezitation. Aber schauspielerisch hielt ich nie viel von ihr. Rund 80 Filme konsequent mit einem Gesichtsausdruck gespielt. Das ist filmhistorisch einmalig. Bei Fassbinder ging das, da konnte keiner spielen, und der Mann wusste, wie er sie einzufangen hatte. Denn eine gewisse Präsenz hat die Schygulla, und die will ich ihr nicht absprechen. Ganz schlimm wurde die Zeit nach Fassbinders Tod, also ihre Arbeiten mit Ettore Scola, Erden Kiral oder Godard sowie ihre Hollywood-Ausflüge. Darüber mag ich mich erst gar nicht auslassen. — Wider meinen Willen schleppte mich Ingo H. also ins Kino, um »Auf der anderen Seite« (Regie: Fatih Akin) zu sehen. Was für eine positive Überraschung! Einer der feinfühligsten Filme des Jahres. Wie pietätvoll und behutsam sich Akin dem Themenkomplex von Tod/Trauer nähert, war beinahe überwältigend! Die zwei Geschichten sind zart und kunstvolle verwoben, man fühlte sich zuweilen an die besten Filme Atom Egoyans erinnert, und Akin lässt seiner Handlung Zeit. Er lässt langsam einen Sog entstehen, der den Zuschauer in den Film befördert und ihn nicht mehr loslässt. Ganz, ganz große Filmkunst. — Und die Schygulla? Ja, sie spielt auch hier durchgängig mit einem Gesichtsausdruck. Immer etwas abwesend, als stünde sie im Geiste an Fassbinders Grab. Die Stimme tonlos leiernd wie eh und je. Hier aber stimmt es! Jede Nuance. Akin hat sie gut eingesetzt. Er hat sie so gut eingesetzt, dass sie mich rührte. Wer hätte das gedacht?
Kontrastprogramm dazu: »Mystics in Bali« (Regie: H. Tjut Djalil.). Von den vielen, vielen Trash-Filmen, die ich gerade 2006/2007 gesehen habe, dürfte dieser der absolute Höhepunkt sein. Oder Tiefpunkt, je nach Standpunkt. Ich empfehle die DVD allerwärmstens jedem, der guten Stoff für eine Party braucht. Alleine funktioniert das leider gar nicht, das hält kein Mensch aus, aber zu zweit, zu dritt lacht man Tränen. Dann sind noch ein paar Videodrom-Bestellungen angekommen, die nicht unbedingt der Rede wert sind, mir jedoch Kurzweil und Spaß bescherten, »The Cat and the Canary« (Regie: Radley Metzger) zum Beispiel.
Heute im Kino gesehen: »Heimatklänge« (Regie: Stefan Schwietert), eine sehr unterhaltsame und sehenswerte Dokumentation über drei Schweizer Jodler. Mehr will ich gar nicht verraten. Wenn er in einem Kino in Eurer Nähe läuft, schaut ihn Euch unbedingt ab, ein richtiger Geheimtipp.
Mein eigener Film — das Regiedebüt sozusagen — ist auch fertig geworden. Gestern. Es war eine zermürbende Arbeit, die keinen Spaß machte. Der Dreh war in Ordnung, aber das Danach war dermaßen furchtbar, dass ich lange schon überlege, ob ich jemals wieder einen Film selbst initiieren möchte. Wenn ich erklären soll, wo der Hase im Pfeffer lag, so komm ich ein wenig in Verlegenheit. Wir drehten im Juni 2005. Es war ein anstrengender Dreh, weil wir a) ein sehr kleines Team waren, jeder also mehrere Aufgaben hatte, b) das Budget wie üblich sehr niedrig und c) das Zeitfenster sehr klein war, weil es d) ziemlich heiß war und wir e) Arbeitstage von zwölf bis 16 Stunden hatten. Ich hatte zudem f) parallel dazu noch den »Glastage«-Dreh. Von Montag bis Freitag drehte ich den Mann im Keller, an den Wochenenden (und manchmal auch unterhalb der Woche nachts) »Glastage«. Wir rappelten uns tapfer zusammen, leisteten gute Arbeit und hatten Spaß dabei. Die Probleme begannen hinterher: Wir fanden keinen, der uns den Film schneiden wollte. Fast drei Monate zogen ins Land, dann nahm sich jemand des Schnitts an. Nicht, ohne eine schöne Stange Geld zu verlangen. Gut. Lange Rede, kurzer Sinn: Lasst Euch bei der Arbeit nie mit Kiffern ein! Versteht mich richtig, ich meine nicht die Leute, die sich am Samstagabend mit einem Tütchen und einem Gläschen Wein von den Strapazen der Woche erholen. Ich meine auch nicht die, die mal beim Sex ein wenig Gras konsumieren, weil’s damit besser kommt. Nein, ich spreche von Leuten, die morgens um elf — direkt nach dem Aufwachen — die erste Tüte bauen und nachts um zwei ihren zehnten und letzten Joint durchziehen. Mag sein, dass das liebe Menschen sind, aber — und die Erfahrung habe ich inzwischen mehrmals machen müssen — sie sind nicht zuverlässig. Sie arbeiten schlampig, sind vergesslich, halten keine Fristen ein und und und und und. Man hat nur Ärger! (Ich gebe zu, durch die Sache mit Markus vorbelastet zu sein und keine sehr gute Meinung zu Drogen generell habe, aber die Erfahrung war hier doch ein fähiger Lehrer.)
Das Ende vom Lied: Der Cutter kassierte mehr und mehr Kohle — hier mal 50, da mal 75 Euro zusätzlich, das läppert sich über die Monate hinweg —, zog dann unverrichteter Dinge nach München und ließ uns nach 16 Monaten (!) einen sehr rohen Rohschnitt zukommen, bei dem Material — trotz Schnittlisten! — fehlte, der Ton nicht brauchbar und die Übergänge holprig waren. Die Originalbänder behielt er. Bis heute. (Also über zwei Jahre später.) Auf Anrufe, Mails, SMSe reagiert der Mensch nicht. Was soll man machen? Nach München fahren? Ich war drauf und dran, und dann dachte ich, dass schon viel zu viel Zeit und Geld in das Ganze geflossen ist und ich den Film so fertigstelle, wie’s der Rohschnitt zulässt. Letzten Endes ist es so, dass das Geld, was ich in diesen Film investiere, nie wieder reinkommen wird.
Mit dem lieben Ralf Leutheuser machte ich mich also an die Nachvertonung, den Feinschnitt und die Bildbearbeitung. Ein harter Brocken Arbeit. Nicht zu vergessen der Ärger, der immer wieder aufstieg und gezähmt werden musste. Der Mann im Keller ist jetzt 51 Minuten lang, es fehlen rund sechs Minuten, um das Ende, das jetzt wie angeklatscht wirkt, glaubhaft zu machen. Der Mann im Keller ist nicht schlecht. Dominique und Nikolaus spielen verflucht gut, Ralfs Musik ist wunderbar, die Dialoge pfiffig. Aber der Film blieb hinter seinen Möglichkeiten, und das tut weh, vor allem, nachdem so lange und hart daran gearbeitet wurde. Nicht nur von mir, sondern von allen: Smina Bluth, Jan Bormann, Ralf Leutheuser, Dominique Wolf und Nikolaus Firmkranz.
Um das Ende dieser Arbeit zu feiern, aß ich gestern im drei am Savignyplatz teuer zu Abend und ging dann — endlich, endlich!! — mal wieder in mein geliebtes Quasimodo. Momentan bin ich mal wieder in einer manischen Jazz-Phase. Yamil Borges sang. Mit Weills »Speak Low«, einem meiner all-time favourites, ging’s los. Ihre Begleiter waren unglaublich: Fuasi Abdul-Khaliq (sax), Reggie Moore (p), Max Hughes (b), Michael Clifton (dr) und Alfred Mehnert (perc). Ein Abend, der mich berauschte und euphorisch in die Nacht entließ. Schön, so in den Sonntag zu starten! Dank eines erwarteten Geldregens kaufte ich mir rund 20 neue (Jazz-)CDs. Bill Evans war ein Gott! Um nur einen zu nennen.
Der kleine Chelito ist meine ganze Freude, er ist schlau und lernt rasch. Zum Glück ist er kein Kläffer. Gut, einmal sprang er nachts um halb zwei auf und bellte, aber da polterten auch rücksichtslose Nachbarn durchs Treppenhaus. Ich stehe da voll und ganz hinter ihm und finde, dass er recht hatte, hier mal seine Meinung zu sagen.
Die Geburtstagsgeschenke für meine Schwester und meinen Vater sind bereits gekauft. Jetzt machen mir die Weihnachtsgeschenke Sorgen. Und der inzwischen wieder leere Geldbeutel. Kommt gut in die Woche, die Tage gibt’s mehr.