Radiointerview und neue Termine

Tolle Neuigkeiten für alle Berliner: André wird morgen, am 28. Februar, sein erstes Radiointerview seit über zehn Jahren geben. Einfach ab 20 Uhr unter 92,6 (Kabel) einschalten oder das Ganze per Livestream im Internet verfolgen. Den Link findet Ihr unter Termine. Darüber hinaus wird es im März in der ACT ART Filmlounge Vorführungen von Deed Poll und Le deuxième commencement mit anschließendem Publikumsgespräch geben. Auch hier gilt: Für weitere Informationen die Termin-Seite checken! Viel Spaß!

Filmtipp #189: I love Vienna

I love Vienna

Originaltitel: I love Vienna; Regie: Houchang Allahyari; Drehbuch: Houchang Allahyari, Reinhard Jud; Kamera: Helmut Pirnat; Musik: Tunament, Essmail Vasseghi; Darsteller: Fereydoun Farrokhzad [Fery Farokhzad], Niki List, Dolores Schmidinger, Hanno Pöschl, Marisa Mell. Österreich 1991.

i love vienna

Happy Birthday, Marisa!
     Heute wäre Marisa Mell 75 Jahre alt geworden. Grund für mich, Euch ihren letzten Film als besondere Empfehlung ans Herz zu drücken. Der folgende Textauszug entstammt meiner biographisch-filmographischen Annäherung an die hübsche Grazerin, Titel: Die Feuerblume, die nach wie vor im Handel erhältlich ist. (Ein bisschen Werbung muss an dieser Stelle erlaubt sein.)

Mit der Multikulti-Komödie »I love Vienna« schloss sich gewissermaßen ein Kreis, die Österreicherin kehrte in ihre Heimat zurück. Das erfreuliche Ergebnis stimmt umso milder, wenn man bedenkt, dass Marisa Mell seit 1975 keinen guten Film mehr gemacht hatte. Der persische Regisseur Houchang Allahyari, als Jugendlicher aus Teheran nach Wien ausgewandert und studierter Mediziner, erzählt die Geschichte von Ali Mohammed, einem Deutschlehrer aus dem Iran, reist mit Schwester und Sohn nach Wien, um sich einen Jugendtraum zu erfüllen: endlich die Stadt von Sissi zu sehen. Er plant nicht einfach einen touristischen Aufenthalt, nein, er möchte sich gern längerfristig in Österreich niederlassen. Doch das winterliche Wien, das ihn empfängt, hat so gar nichts mit den »Sissi«-Filmen zu tun: Dreck, Lärm, Verkehrschaos, betrunkene Obdachlose und der moralische Verfall erschrecken den gläubigen Muslim. Bald schon denkt er über eine Weiterreise in die USA nach.
     Es bleibt Hanno Pöschl vorbehalten, den Gaststar Marisa Mell mit den Worten »Selina Internazionale!« vorzustellen. Ihre Rolle ist klein, aber fein und zieht sich portionsweise durch den ganzen Film. Sie spricht Englisch, Italienisch, wirft ab und zu ein »mon dieu« ein und kaut ansonsten genüsslich die Worte in ihrem Heimatdialekt durch. Sie spielt quasi sich selbst: eine in die Jahre gekommene Frau von Welt, vielgereist, gebildet und nun mit einem jüngeren Freund in einem Hotel in der alten Heimat gewissermaßen gestrandet. Ihr Spiel ist so natürlich und lebensfroh, dass man glauben könnte, sie spiele gar nicht, sondern ist. Es fällt auf, dass es — mit Ausnahme einer kurzen Aufnahme am Anfang — keine Großaufnahmen ihres Gesichtes gibt. Ihre Bewegungen wirken etwas behäbig, aber sie ist schön: »Immer noch wirkt sie üppig, aber es ist die schöne Üppigkeit einer überreifen Frucht«, beschreibt Erika Pluhar ihr Aussehen zu dieser Zeit und hat, wie so oft, den Nagel auf den Kopf getroffen. — Marisas schönste Szene in »I love Vienna« ist ein Bauchtanz in einem urigen Wiener Beisel: mit hüftlangem Haar und fröhlich-bunten orientalischen Tüchern tanzt sie durch die Menge und versprüht dabei ansteckende Freude. Dieser letzte Kinoauftritt ist ein augenzwinkerndes Vermächtnis der Schauspielerin, und es macht zuweilen Spaß, sich auszumalen, was noch hätte kommen können — »I love Vienna« wäre der perfekte Startschuss für ein Comeback gewesen.
     »I love Vienna« wurde die erfolgreichste österreichische Kinoproduktion des Jahres 1991 und wurde im Folgejahr als Bester Film mit dem Österreichischen Filmpreis ausgezeichnet, das sprachgewandte Drehbuch schaffte es sogar auf die Nominierungsliste für den Europäischen Filmpreis, und als rund 20 Jahre später eine Anthologie mit den 100 wichtigsten österreichischen Filmen auf DVD erschien, war auch »I love Vienna« darunter.

André Schneider

(Auszug aus dem Buch Die Feuerblume — Über Marisa Mell und ihre Filme.)

21. Februar 2014

Zugegeben, das phantasievolle Bühnenbild zog mich sehr in seinen Bann, ansonsten gestaltete sich die »Hedda Gabler«-Inszenierung am Deutschen Theater eher enttäuschend für mich — und das, obwohl mir Nina Hoss’ Hedda aufrichtig gefiel und auch Felix Goeser und Alexander Khuon mehr als passabel waren. Ein Arbeitskollege meiner Mutter, Gerd Enno Rieger, hatte mich als Jugendlicher mit Henrik Ibsen vertraut gemacht — er hatte sogar eine Monographie über ihn geschrieben —, und so war mir dieser Dramatiker stets ganz besonders nahe gewesen. Vor gut 20 Jahren hatte Albrecht Hirche »John Gabriel Borkman« am Stadttheater Hildesheim auf die Bühne gebracht; eine der besten Inszenierungen, die ich in dieser Stadt genießen durfte. Elke Reissert, Kathrin Rehberg, Herbert Adler und Raik Singer hatten in dieser Inszenierung gespielt, und ich erinnere mich, dass ich das Theater in einer Art Rauschzustand verlassen hatte, Zutaten für wochenlange Tagträume im Köpfchen haltend. Anschließend hatte ich mich wie ein Besessener durch die Theaterliteratur gelesen… — Wie dem auch sei, die Inszenierung, die ich am Montag durchzustehen hatte, war keine Glanzstunde des Theaters. Trotzdem war es ein schöner Abend gewesen, weil ich ihn mit Jochen Ganser verbringen durfte, einem ganz besonders lieben Kollegen, den ich seit Oktober 2011 nicht mehr gesehen hatte.

Neue Diät, Tag 1: Crêpes mit Haselnusskrokant, Bananenstückchen, Sahne, zwei Kugeln Häagen-Dazs-Eiscreme, Sahne, Karamell- und Schokosauce.

Neue Diät, Tag 1: Crêpes mit Haselnusskrokant, Bananenstückchen, zwei Kugeln Häagen-Dazs-Eiscreme, Sahne, Karamell- und Schokosauce.

Dienstag flog ich nach Belgien. Da meine Aufenthalte in Brüssel stets mit außergewöhnlich schönen Erlebnissen verknüpft sind, verbindet mich mit dieser Stadt eine tiefe Affinität. Die Freundlichkeit der Belgier sorgt dafür, dass man sich sofort willkommen, aufgenommen, heimisch fühlt. Das habe ich sonst nur in Irland, England und der Schweiz erlebt. Meine Schwester hatte das Glück, ein halbes Jahr in Antwerpen leben und arbeiten zu dürfen. Die Freundschaften, die sie in dieser Zeit (2007) schloss, existieren noch heute. Wenn ich sie besuchte, führten uns unsere Ausflüge auch nach Löwen und Brügge.
     Aus Antwerpen kommt auch mein Freund Mirko, den ich gewissermaßen über Marisa Mell kennen gelernt habe. Er nahm mich am frühen Dienstagabend im Flughafen in Empfang und spendierte mir den Großteil meines Aufenthalts. Ein kleiner kulinarischer Tipp für die Reisenden unter Euch: Pasta Queen, Rue de l’Ecuyer 59, also direkt im Herzen der Stadt. Formidable Küche! — Mein Hotel diesmal war das Esperance, ein kleiner, in einer ruhigen Nebenstraße gelegener Art-Déco-Tempel mit steilen, schier nicht enden wollenden Treppen.

Brachte uns Løve: Julien Doré im Cirque Royal.

Brachte uns Løve: Julien Doré im Cirque Royal.

Julien Doré trat diesmal im Cirque Royal auf. Die Vorgruppe, ein gemischtes Duo namens Éléphant, war sichtlich gerührt, dabei sein zu dürfen. Und verdammt sexy. Lisa Wisznia, Gesang und Schlagzeug, trug ein enges, rotes Kleid und bewegte sich katzenhaft-erotisch. Das Schönste für einen Zuschauer: zu sehen, dass die Menschen auf der Bühne Spaß haben und ihre Sache lieben. Liebe ist sowieso das Schlüsselwort, wenn es um Musik geht. Was den männlichen Teil des Duos, François Villevieille, angeht, so möchte ich an dieser Stelle festhalten: Ich war nie ein hysterisch kreischender Fan, selbst als Teenager nicht. Pop- oder Rockstars haben mich nie im sexuellen Sinne angemacht. Morrissey war (und ist) der einzige, bei dem ich mir ein Groupie-Dasein vorstellen könnte. Aber ja, François Villevieille kommt verdammt nahe ran! Habe mir nach dem Konzert auch glatt noch die CD mit Autogramm abgeholt, etwas, das ich normalerweise nicht tue. (Ich halte generell nicht viel von Autogrammen. Wozu das?)
     Wir hatten gute Plätze, fünfte Reihe mittig, waren also dem Geschehen sehr nahe. Als Julien Doré auftrat, erinnerte er mich an einen klassischen englischen Dandy. Oscar Wilde meets Stephen Fry meets Rufus Wainwright, allerdings ohne Wainwrights ekelhaft-überhebliches Getue. Ich glaube nicht, dass es unter den zeitgenössischen Entertainern einen gibt, der Doré auch nur ansatzweise das Wasser reichen kann. Die professionell-straffe Inszenierung der Show hielt die Rampensau in ihm diesmal allerdings ein wenig im Zaum. Der Abend schien bis ins Detail perfekt durchgeplant, -gestellt und -choreographiert, und obwohl wir großen Spaß hatten, tanzten, mitsangen und lachten, hatte ich das Gefühl, dass über allem eine merkwürdige, schwer zu beschreibende Schwere lag, und so rang ich bei der Zugabe ein wenig mit den Tränen. Auf dem Nachhauseweg sagte mir Mirko, dass es ihm ähnlich ging: »He’s not going to do that forever.« — Vielleicht, so der traurige Eindruck, wird bis zum nächsten Doré-Konzert viel Zeit ins Land gehen. Noch heute, zwei Tage später, bewegt mich dieser Theaterabend zutiefst.

Mitbringsel aus Brüssel: Pablo Neruda & Morrissey, Éléphant & DVDs.

Mitbringsel aus Brüssel: Pablo Neruda & Morrissey, Éléphant & DVDs.

Vorm Abflug gestern noch ein letzter Stadtbummel. Beim Stöbern habe ich die Männer zum Knutschen-DVD auf einem Wühltisch entdeckt, immer wieder ein befremdliches Erlebnis. Berlin empfing mich mit Regen, und nun hocke ich daheim, lasse die erste Maschine Wäsche durchlaufen, trinke Tee und freue mich auf die Zeit in Graz. Euch allen wünsche ich ein herrlich entspanntes Wochenende, lasst es Euch gut gehen.

André

Mehr aus Brüssel findet Ihr hier:
20. März 2012
7. Februar 2011