Filmtipp #189: I love Vienna

I love Vienna

Originaltitel: I love Vienna; Regie: Houchang Allahyari; Drehbuch: Houchang Allahyari, Reinhard Jud; Kamera: Helmut Pirnat; Musik: Tunament, Essmail Vasseghi; Darsteller: Fereydoun Farrokhzad [Fery Farokhzad], Niki List, Dolores Schmidinger, Hanno Pöschl, Marisa Mell. Österreich 1991.

i love vienna

Happy Birthday, Marisa!
     Heute wäre Marisa Mell 75 Jahre alt geworden. Grund für mich, Euch ihren letzten Film als besondere Empfehlung ans Herz zu drücken. Der folgende Textauszug entstammt meiner biographisch-filmographischen Annäherung an die hübsche Grazerin, Titel: Die Feuerblume, die nach wie vor im Handel erhältlich ist. (Ein bisschen Werbung muss an dieser Stelle erlaubt sein.)

Mit der Multikulti-Komödie »I love Vienna« schloss sich gewissermaßen ein Kreis, die Österreicherin kehrte in ihre Heimat zurück. Das erfreuliche Ergebnis stimmt umso milder, wenn man bedenkt, dass Marisa Mell seit 1975 keinen guten Film mehr gemacht hatte. Der persische Regisseur Houchang Allahyari, als Jugendlicher aus Teheran nach Wien ausgewandert und studierter Mediziner, erzählt die Geschichte von Ali Mohammed, einem Deutschlehrer aus dem Iran, reist mit Schwester und Sohn nach Wien, um sich einen Jugendtraum zu erfüllen: endlich die Stadt von Sissi zu sehen. Er plant nicht einfach einen touristischen Aufenthalt, nein, er möchte sich gern längerfristig in Österreich niederlassen. Doch das winterliche Wien, das ihn empfängt, hat so gar nichts mit den »Sissi«-Filmen zu tun: Dreck, Lärm, Verkehrschaos, betrunkene Obdachlose und der moralische Verfall erschrecken den gläubigen Muslim. Bald schon denkt er über eine Weiterreise in die USA nach.
     Es bleibt Hanno Pöschl vorbehalten, den Gaststar Marisa Mell mit den Worten »Selina Internazionale!« vorzustellen. Ihre Rolle ist klein, aber fein und zieht sich portionsweise durch den ganzen Film. Sie spricht Englisch, Italienisch, wirft ab und zu ein »mon dieu« ein und kaut ansonsten genüsslich die Worte in ihrem Heimatdialekt durch. Sie spielt quasi sich selbst: eine in die Jahre gekommene Frau von Welt, vielgereist, gebildet und nun mit einem jüngeren Freund in einem Hotel in der alten Heimat gewissermaßen gestrandet. Ihr Spiel ist so natürlich und lebensfroh, dass man glauben könnte, sie spiele gar nicht, sondern ist. Es fällt auf, dass es — mit Ausnahme einer kurzen Aufnahme am Anfang — keine Großaufnahmen ihres Gesichtes gibt. Ihre Bewegungen wirken etwas behäbig, aber sie ist schön: »Immer noch wirkt sie üppig, aber es ist die schöne Üppigkeit einer überreifen Frucht«, beschreibt Erika Pluhar ihr Aussehen zu dieser Zeit und hat, wie so oft, den Nagel auf den Kopf getroffen. — Marisas schönste Szene in »I love Vienna« ist ein Bauchtanz in einem urigen Wiener Beisel: mit hüftlangem Haar und fröhlich-bunten orientalischen Tüchern tanzt sie durch die Menge und versprüht dabei ansteckende Freude. Dieser letzte Kinoauftritt ist ein augenzwinkerndes Vermächtnis der Schauspielerin, und es macht zuweilen Spaß, sich auszumalen, was noch hätte kommen können — »I love Vienna« wäre der perfekte Startschuss für ein Comeback gewesen.
     »I love Vienna« wurde die erfolgreichste österreichische Kinoproduktion des Jahres 1991 und wurde im Folgejahr als Bester Film mit dem Österreichischen Filmpreis ausgezeichnet, das sprachgewandte Drehbuch schaffte es sogar auf die Nominierungsliste für den Europäischen Filmpreis, und als rund 20 Jahre später eine Anthologie mit den 100 wichtigsten österreichischen Filmen auf DVD erschien, war auch »I love Vienna« darunter.

André Schneider

(Auszug aus dem Buch Die Feuerblume — Über Marisa Mell und ihre Filme.)

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