Am 26. war der Geburtstermin. Seither warten wir flitzebogengespannt neben dem Telefon, doch wenn es läutet, ist es bislang immer falscher Alarm. Wir sind alle aufgeregt, nervös, gespannt auf die Ankunft der Kleinen. Gut, in wenigen Tagen wird es soweit sein. — Bestes Osterwetter, lange Spaziergänge, Brunch und gute Gespräche im Macondo, nachmittags in Neukölln den ersten Kinobesuch des Jahres absolviert: Maïwenns »Mon roi« wirkt heute noch nach, vor allem das Spiel Emmanuelle Bercots. Am liebsten hätten wir uns hinterher einen Schnaps genehmigt. Ein exzellenter Aufbau, der Beziehungsschmerz fühl- und miterlebbar inszeniert. Man fühlte sich an eigene Ex-Affären erinnert, an Begegnungen mit charismatisch-charmanten Narzissten und gefährlichen Soziopathen und war froh, dergleichen hinter sich zu haben. Maïwenn ist eine versierte Geschichtenerzählerin, eine Filmemacherin von seltener Größe. Der Film ging gut aus, Bercots Figur war über Vincent Cassel hinweg und konnte nach vorne schauen. Doch ihr Weg bis zu diesem Punkt war voller Pein und streckenweise schwer zu ertragen. Ein guter, wichtiger Film, den ich allerdings nur den hartgesottenen Kinogängern empfehlen möchte.
In meiner Küche steht ein riesiger Strauß Tulpen, und ich freue mich über die Krokusse, Gelben Narzissen, Veilchen und Schneeglöckchen, die man schon überall sieht. Trivial, ich weiß, aber das klare Blau des Himmels, die längeren Tage, die knospenden Bäume und das sich regende Leben allerorts hebt wirklich die Lebensgeister. Ich hoffe, dass ich meine winterliche Schwermut in den kommenden Wochen abstreifen, mich endlich häuten kann. Einstweilen ist alles noch plump und schwer, selbst an meinen freien Tagen fühle ich mich blockiert, irgendwie voll und leer zugleich, in kreativer Hinsicht amputiert. Heute aß ich mit Connie in der Ankerklause zu Mittag, anschließend spazierten wir lange mit Chelito durch Kreuzberg und Neukölln. Erst um kurz nach 16 Uhr war ich wieder zu Hause. In meiner Wohnung müssen 2016 noch ein paar Kleinigkeiten getan werden. Gestern war ein Klempner da, der sich endlich ums Bad gekümmert hat. 15 Monate hatte sich die Hausverwaltung taub gestellt und sich nicht gerührt. Erst, als der Mieter unter mir einen Wasserschaden anzeigte, bekam ich einen Termin. Was soll man sagen? Berlin halt. Im Flur und in der Küche müssen noch Lampen installiert werden, die alten Küchenstühle gehören durch neue ersetzt, im Eingangsbereich fehlt noch eine Garderobe… Dummerweise sind die Wände in dieser Wohnung so porös, dass man kaum etwas anbringen kann. Regale rauschen, kaum angebracht, wieder herunter. Im Januar erschlug eines der Bretter um ein Haar den armen Chelito in seinem Körbchen. Dennoch liebe ich die Wohnung, wir fühlen uns wohl, es ist gemütlich, ruhig und sicher.
Roger Cicero, Patty Duke — beide viel zu früh von uns gegangen. Cicero gab vor seinem Durchbruch mit seinen mainstreamigen Jazz-Pop-CDs einige seelenschöne, jazzige Konzerte in Hannover, an die ich mich gerne erinnere. Lang ist’s her! Das »Männersachen«-Album gefiel mir seinerzeit auch. Deutschland hat eine starke Stimme verloren und — was mich ganz besonders traurig macht — ein siebenjähriger Junge seinen Vater.
Vor Ostern haben wir den Feinschliff von Sur les traces de ma mère getätigt. Der Film ist nun 93 Minuten lang und befindet sich in der Farbkorrektur. Unser Termin im Synchronstudio ist am 5. April. Ich muss noch Pro- und Epilog einsprechen, Marc Bluhm wird einen Schauspieler nachsynchronisieren müssen, und dann geht Sur les traces de ma mère an Nikolaus Tunis, der die Tonabmischung macht. Wir haben uns vorgenommen, am 12. April die Endabnahme zu machen und das Baby dann postalisch nach Paris zu schicken. Bis dahin muss ich noch die letzten Übersetzungen anfertigen. Farbkorrektur, Tonstudio, Sprecher — das alles ist unglücklicherweise noch teurer, als wir erwartet hatten, daher verweise ich an dieser Stelle noch einmal auf unseren Spendenaufruf. Wer uns noch oder noch einmal unterstützen kann und möchte, darf dies sehr gerne tun, wir werden uns erkenntlich zeigen. — Soeben schickte Antony den Trailer zu »Where Horses Go to Die« online; ich bin nach wie vor betrübt, dass ich nicht dabei sein konnte — aber auch sehr stolz, dass ich mit ihm an One Deep Breath arbeiten durfte.
Ein herzlicher Gruß zum Abend, bitte vergesst nicht meinen Filmtipp am Freitag!
André