31. Juli 2021

Blogpause

Das Bild sagt es, meine lieben Lesenden: Ich mache mal wieder eine kleine Pause. Das heißt: Eigentlich nicht wirklich. Der Roman und das Drehbuch sowie mein »regulärer« Job halten mich ganz schön auf Trab. Allerdings ist, was den Roman anbelangt, ein Ende in Sicht. Sobald mein Kopf wieder Frischluft spürt, bin ich wieder mit neuen Filmtipps und anderen schönen Beiträgen für Euch da. Bitte nicht vergessen, ab und zu der Termin-Seite einen Besuch abzustatten — und bei Facebook bin ich natürlich weiterhin regelmäßig anzutreffen. Habt einen wunderbaren Spätsommer, ich freue mich aufs Wiedersehen,

Euer André

Filmtipp #780: Bridget Jones’ Baby

Bridget Jones’ Baby

Originaltitel: Bridget Jones’s Baby; Regie: Sharon Maguire; Drehbuch: Helen Fielding, Dan Mazer, Emma Thompson; Kamera: Andrew Dunn; Musik: Craig Armstrong; Darsteller: Renée Zellweger, Colin Firth, Patrick Dempsey, Jim Broadbent, Gemma Jones. GB/USA/Frankreich 2016.

Nach dem lahmen Abenteuerfilm »My Own Love Song« (Regie: Olivier Dahan) hatte Renée Zellweger eine sechsjährige Arbeitspause eingelegt. Obwohl sie niemand wirklich vermisste, war die Freude groß, als sie sich 2016 mit »Bridget Jones’s Baby« zurückmeldete: 212 Millionen US-Dollar spielte die spritzige Komödie an den Kinokassen ein — bei einem Budget von nur 35 Millionen, was heutzutage im US-Kino beinahe als Low-Budget-Film gilt.

Die Handlung von »Bridget Jones’s Baby« gestaltet sich ungleich frivoler als bei seinen Vorgängern: Bridget (Zellweger) feiert gleich zu Beginn des Films ihren 43. Geburtstag — allein. Ihre Mutter (Jones) lässt sie telefonisch wissen, dass ihre biologische Uhr langsam ticke. Bei der Beerdigung ihres Ex-Lovers Daniel trifft sie Mark Darcy (Firth) wieder, der mittlerweile (wieder) verheiratet ist und (wieder) in Trennung lebt. Mit ihrer Kollegin Miranda (Sarah Solemani) besucht sie ein Musikfestival und stürzt mit einem schnuckeligen Amerikaner (Dempsey) in dessen Zelt ab. Eine Woche später, bei einer Taufe, landet sie wieder mit Mark im Bett. Wieder ein paar Wochen später stellt sie fest, dass sie schwanger ist — und dass beide Männer als Vater in Betracht kämen. Eifersüchteleien und peinliche Verwicklungen sind also vorprogrammiert…

Der dritte und letzte Teil der »Bridget Jones«-Reihe ist meiner Meinung nach der gelungenste, und zwar aus mehreren Gründen. Bestimmt liegt es daran, dass hier kein Roman adaptiert wurde, sondern das Drehbuch direkt von Jones-Erfinderin Fielding (unter Mithilfe von Dan Mazer und Emma Thompson) konzipiert wurde. Das Geschehen ist ungleich filmischer, rhythmischer, rasanter. Dann natürlich die Besetzung: Sally Phillips, James Callis und Shirley Henderson sind als Bridgets Clique wieder mit von der Partie, ebenso der unverwüstliche Jim Broadbent und Gemma Jones als ihre Eltern und Celia Imrie und James Faulkner als Una Alconbury und Uncle Geoffrey. Darüber hinaus ließ man als besonderen Coup den US-amerikanischen Fernseharzt und Frauenschwarm Patrick Dempsey seinen Charme versprühen und holte sich mit Sarah Solemani und Dominic Coleman ein paar erstklassige Komiker heran. Ed Sheeran spielt sich selbst und beweist sympathische Selbstironie. Das absolute Highlight jedoch ist Emma Thompson als abgebrühte Gynäkologin (»I’m not sure how much there is to gain from you two being at the coalface if I’m honest. My ex-husband said it was like watching his favorite pub burn down.«). Die Dialoge sind ein wahres Feuerwerk, das an die besten klassischen Komödien aus Hollywoods goldener Ära erinnert.

Universal hatte bereits 2009 einen dritten »Bridget Jones«-Teil angekündigt, doch das Projekt verzögerte sich immer wieder. So wurde beispielsweise Paul Feig als Regisseur angeheuert und wieder fallengelassen, dann wusste man nicht so recht, wohin die Story gehen sollte. 2012 wurden Zellweger, Firth und Hugh Grant als Stars angekündigt, später sagte Grant seine Mitwirkung ab, weil sich keine gute Storyline für Daniel Cleaver fand. Noch später sprangen Geldgeber aus China und Japan mit ins Boot, dann verwies Zellweger auf ihre Auszeit. Die Dreharbeiten begannen schließlich am 2. Oktober 2015 und waren von einer ausgelassenen, fröhlichen Atmosphäre, die man dem fertigen Film anmerkt. Die Kritiker waren angetan und das Publikum begeistert. Ein Film für triste Regentage oder lustige Zusammenkünfte mit Freunden.

André Schneider

Filmtipp #779: Tage des Weines und der Rosen

Tage des Weines und der Rosen

Originaltitel: Days of Wine and Roses; Regie: Blake Edwards; Drehbuch: J.P. Miller; Kamera: Philip H. Lathrop [Philip Lathrop]; Musik: Henry Mancini; Darsteller: Jack Lemmon, Lee Remick, Charles Bickford, Jack Klugman, Alan Hewitt. USA 1962.

days of wine and roses

Übermäßiger Alkoholkonsum und seine verheerenden Folgen: Hollywood nahm sich schon früh in regelmäßigem zeitlichen Rhythmus filmisch dieser Problematik an. »The Lost Weekend« (Regie: Billy Wilder) dürfte das berühmteste Beispiel aus dieser Reihe sein, »Days of Wine and Roses« ist in meinen Augen der ehrlichste und traurigste Beitrag. Hinter dem blumigen Titel entspinnt sich ein handfestes Drama mit quälenden, grausam-realistisch gestalteten Szenen, die dem Zuschauer — und den Hauptdarstellern Lee Remick und Jack Lemmon — einiges abverlangen und wirklich wehtun. Es ist ein Film, der nach seinem (vordergründig) luftig-leichten Anfang, der die Verliebtheit des jungen Paares schildert, zu einer herzzerreißenden Tragödie wird.

»Days of Wine and Roses« fußt auf dem gleichnamigen Fernsehspiel J.P. Millers, das 1958 mit Cliff Robertson unter John Frankenheimers Regie entstanden war. Die Story dreht sich um Joe Clay (Lemmon), einem PR-Manager einer Werbeagentur, der sich in die hübsche Sekretärin Kirsten Arnesen (Remick) verliebt. Sein anspruchsvoller Job belastet Joe schwer, sodass er meint, das allabendliche Glas Whisky zu brauchen, um abschalten zu können. Daraus wird bald ein festes Ritual, und auch in Gesellschaft trinkt der Manager regelmäßig. Nach der Hochzeit und der Geburt des ersten gemeinsamen Kindes schließt sich auch Kirsten, die früher schon eine Suchttendenz in Richtung Schokolade gehabt hatte, Joes Gewohnheiten an, als sie merkt, wie gut ihr Brandy tut. Es dauert nicht lange, bis die beiden jegliche Kontrolle über ihr Trinkverhalten verloren haben. Joe verliert seine Stellung, Kirsten zündet im Suff die Wohnung an. Sie landen mit ihrem Kind in einer schäbigen Absteige — doch der Tiefpunkt ist noch lange nicht erreicht…
Blake Edwards’ Inszenierung ist elegant und schnörkellos wie immer, und er holt hier wirklich das Beste aus seinen Schauspielern heraus. Es ist schmerzlich und belastend, dass wir als Zuschauer wissen, dass es für Joe und Kirsten kein gutes Ende nehmen wird. Immerhin schafft es Joe, sich seiner Abhängigkeit zu stellen. Auslöser dafür ist eine Szene, in der er sich selbst in einem Spiegel nicht erkennt. Er erzählt Kirsten, er habe im Spiegel einen verkommenen, besoffenen Strolch gesehen, das könne doch unmöglich er gewesen sein. Mithilfe von Kirstens Vater (Bickford) und den Anonymen Alkoholikern versucht das Ehepaar Clay, trocken zu werden, doch ihre Bemühungen werden von Rückfällen durchkreuzt. Nur durch die Trennung kann jeder für sich gesunden.

Zwischen Februar und April 1962 in San Francisco gedreht — das Haus der Clays steht heute noch in der Pacific Avenue zwischen Franklin and Gough Street —, wurde »Days of Wine and Roses« eine der erfolgreichsten Produktionen der Kinosaison 1962/63. Ursprünglich hatte 20th Century Fox die Rechte an dem Stoff erworben, doch als die Kosten für »Cleopatra« (Regie: Joseph L. Mankiewicz) explodierten, verkauften sie sie an Warner Bros., die 1963 einen Reingewinn von über neun Millionen Dollar verbuchen konnten. Das Drama wurde für drei BAFTAs, vier Golden Globes und fünf Oscars nominiert; einzig der von Henry Mancini und Johnny Mercer geschriebene Titelsong gewann die begehrte Trophäe.
Regisseur Edwards gab später zu Protokoll, dass sowohl er als auch Jack Lemmon während der Dreharbeiten noch schwere Trinker waren. (Lemmon bestätigte dies 1998 in einem TV-Interview mit James Lipton.) Edwards begab sich nach Beendigung des Drehs in den Entzug, Lemmon brauchte noch weitere zehn Jahre, bevor er diesen Schritt zu gehen wagte. Zu Recherchezwecken hatten er und Remick bereits vor Beginn der Arbeiten an AA-Versammlungen teilgenommen. Um seiner ewig unterschätzten Hauptdarstellerin ihre wohl eindrucksvollste Performance zu entlocken, hypnotisierte Blake Edwards Lee Remick vor der beklemmenden Motel-Szene.

Zu seinem großen Leidwesen wurde Jack Lemmon viel zu oft (und viel zu lange) auf sein wunderbares komisches Talent reduziert. Daran änderte auch das Lob, welches er für »Days of Wine and Roses« einheimste, zunächst nichts. Dass er ein großer dramatischer Schauspieler war, der mit seinem Spiel Herzen brechen konnte, stellte er mit weiteren oscarnominierten Glanzleistungen in »Missing« (Regie: Costa-Gavras), »Tribute« (Regie: Bob Clark) und »The China Syndrome« (Regie: James Bridges) unter Beweis; für »Save the Tiger« (Regie: John G. Avildsen) sollte er 1974 seinen zweiten Oscar nach Hause bringen. Meiner Meinung nach gehört seine Darstellung des Joe Clay in »Days of Wine and Roses« — zusammen mit Some Like It Hot und The Apartment — zu den besten seiner abwechslungsreichen Karriere. Dieser Film ist ein Muss, aber haltet Eure Taschentücher bereit!

André Schneider