30. Juni 2014

Etwas melancholisch ob der Erschöpfung — vorgestern arbeitete ich von 4:30 Uhr bis 19:30 Uhr, und bis zum 7. Juli werde ich nur einen einzigen Tag frei haben — und des tagelang vertrübten Himmels. Die wenigen freien Stunden nutze ich für unliebsame Post, die Wäsche, den Abwasch, den Wohnungsputz, kurze Treffen mit Freunden. Zuweilen (tag)träume ich während der Arbeit vom Schlafen, von einer Zehnstundennacht, wie ich sie früher mal gekannt habe. Gedanken an einen etwaigen Urlaub lasse ich schon gar nicht mehr zu, obschon ich mehr als reif dafür wäre. Und wieder, wie damals im Herbst 2010, dieses mulmige Gefühl, eine tickende Zeitbombe im Magen zu haben. Diese Tage, an denen man nicht lebt, sondern überlebt. Das Bewusstsein, dass keiner das Leben überlebt, lässt einen zuweilen gleichgültig werden. Ob Irak oder Ukraine oder ob nun Israel Angriffe auf dem Gazastreifen fliegt; ob bei der leidigen Mindestlohndiskussion nun Nägel mit Köpfen gemacht werden oder nicht; NSA-Lauschangriffe auf Merkels Handy, Fußball-WM, Gaucks Kriegsgeilheit oder von der Leyens Blutdurst — alles verblasst, wenn man überarbeitet ist und der Körper sich nur nach Schlaf sehnt. Der Kopf ist leer. Hauptsache, das Straußensteak schmeckt und es ist noch etwas Milch im Kühlschrank. Ab und an wird man positiv überrascht, da findet sich im Briefkasten Post von Marcel Gisler, Mirko oder Thomas, der mir Trash-Filme geschickt hat. Dann wieder stürzt einen eine negative Nachricht — ich kann meinen Schnittplatz in Wilmersdorf nicht mehr benutzen — in eine Agonie, der mit Ratio nicht ohne weiteres beizukommen ist; da hilft eigentlich nur Schlaf. »Morgen früh sieht die Welt wieder ganz anders aus«, hatte Mama früher gesagt, wenn mir der Kopf schwirrte. — Manchmal fehlen mir die 1980er doch sehr, da wurde ich um 6:30 Uhr mit warmem Kakao geweckt, aß mein Nutella-Toast und machte mich dann mit meinem blauen Ranzen auf den Schulweg, vorbei an der Rehweide, dann kam auf der rechten Seite Elektro-Meyer, und hatte ich die Breite Straße überquert, dauerte es noch exakt 15 Minuten, dann war ich am Schulgebäude. Die größte Sorge bereiteten mir die Klassenkameraden; Swen Kasten, genannt Kiste, und Stefan, der Sohn von Bauer Hartje, waren bösartige Jungs. Am schlimmsten jedoch war Karsten Frank. Der nahm die schweren, spitzen Steine von den Bahngleisen und warf damit auf die anderen Kinder. Dabei zielte er stets auf den Kopf. Das tat er noch, als wir mit 14 zusammen zum Konfirmandenunterricht mussten. Ferner liebte er es, Tiere zu quälen, und schmiss Chinaböller und Knallfrösche in Richtung der Katzen, die sich in seine Straße verirrten. Sein irrer, kalter Blick jagte mir eisige Schauer über den Rücken. Ansonsten war die Grundschule okay. Tuschkasten — Kopfrechnen — Blätter sammeln und sie den Bäumen zuordnen — Vogelarten bestimmen — Musik- und Religionsunterricht. Ich hab ja so gern gesungen. Sport- und Schwimmunterricht hatten wir bei Herrn Eilers, unserem Schulleiter. Wer sich beim Schwimmen am Beckenrand festhielt, dem trat er auf die Finger. Zum Glück war ich damals bereits ein guter Schwimmer, trotzdem habe ich ihn nach Kräften gehasst. — Was wohl aus den ganzen Kindern vom Milchberg geworden ist? Gut, bei Diane Heidkrüger weiß man’s ja. Sie heißt jetzt Kruger ist von Beruf Weltstar. Aber im Grunde genommen gehörte sie ja gar nicht richtig zu uns, sie und ihr Bruder Stefan zogen erst 1991 oder 1992 aus Algermissen zu uns, und kurz darauf ging sie schon nach Paris. Die Mutter von Johannes ist bereits gestorben, Ulf hat einen Doktortitel, Ramona und ihre Schwestern sind bestimmt schon lange verheiratet, Larissa bestimmt auch, und Kira habe ich bei Facebook wieder getroffen.
     Mein Opa Heinz wäre heute 90 Jahre alt geworden und ist nun bald schon 20 Jahre tot. Er ist schon sehr weit weg. Vage Bilder, seine Stimme, kurze Episoden huschen mir durchs Hirn. Womit ich wieder beim ersten Satz und der Melancholie wäre. Damit schließe ich für heute und hoffe auf bald.

André

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Macht der Gefühle

Filmtipp #212 bis #218: Die besten James-Bond-Filme

Bevor ich in die Sommerpause gehe, möchte ich Euch heute noch meine liebsten Bond-Filme vorstellen. On Her Majesty’s Secret Service hatte ich Euch bereits zum Kinostart von »Skyfall« präsentiert, seither hatte ich mich erfolgreich gedrückt.
Eigentlich hatte ich immer nur Sean Connery als Bond voll und ganz akzeptiert. Das ist so ein Kindheits-Ding. Ich weiß noch, meine Schwester und ich waren mit unseren Eltern zur Kur in Büsum — wir hatten als Kind oft Probleme mit den Bronchien —, und ich sah dort mit ihnen meinen ersten Bond-Film. Ich muss sieben Jahre alt gewesen sein. Es handelte sich um »You Only Live Twice«, der bis heute mein Bond-Favorit geblieben ist, und es war sicher auch eine frühe Schulung in Sachen Erotik. In einer Szene sitzt 007 mit einem japanischen Kollegen in der Badewanne. Die beiden werden von ein paar fürsorglichen Japanerinnen massiert, eingeseift und geschrubbt, da sagt der japanische Kollege zu Bond: »Wissen Sie, warum unsere Frauen hier so auf Sie abfahren? Weil Sie so eine behaarte Brust haben. Wir Japaner haben alle eine wunderbare, glatte Haut.« — Bonds Antwort: »Ein japanisches Sprichwort sagt: ›Kein Vogel baut sein Nest in einem kahlen Baum.‹« — Diesen Satz habe ich nie vergessen, und Sean Connery (Marnie) hat ganz sicher mein Männerbild entscheidend geprägt: groß, breite Schultern, dunkelhaarig, braune Augen. Der einzige Bond-Film mit ihm, den ich nicht mochte, war »Diamonds Are Forever« (Regie: Guy Hamilton), aber das war eigentlich auch schon nach seiner 007-Zeit und lediglich ein Agentenfilm von der Stange.
Die Roger-Moore-Bonds gefielen mir nie so wirklich, obschon die beiden von Lewis Gilbert inszenierten Moore-Streifen brillant waren und jeder Bond (bis heute!) seine unverwechselbaren Momente hat. (Einen wirklich schlechten Bond-Film gibt es — bis auf eine einzige Ausnahme — nicht.) Dalton und Brosnan fand ich fehlbesetzt, und Daniel Craig punktete bei mir nach zwei mittelprächtigen Bond-Streifen schließlich mit »Skyfall«, dem vielleicht größten Meisterwerk der Serie.
Da die Filme so berühmt sind und regelmäßig wiederholt werden, möchte ich nicht detailliert auf deren Handlung eingehen, sondern mehr über die Hintergründe schreiben. Ihr findet sie chronologisch gelistet.

dr. no

#212: James Bond jagt Dr. No
Dr. No (1962)
Regie: Terence Young, mit Sean Connery, Ursula Andress, Jack Wiseman u. a.

Lumpige 1,1 Millionen Dollar kostete dieser kleine, spannende Agenten-Thriller, der in England und auf Jamaika entstand und in den der amerikanische Verleih United Artists nach einer Probevorführung kaum Hoffnungen setzte: James Bond wird beauftragt, den Mord an einem Kollegen aufzuklären, der auf Jamaika die mysteriösen Sabotageakte an amerikanischen Raumfahrtversuchen untersuchte. Dahinter steckt der finstere Wissenschaftler Dr. No (Wiseman), dessen wie eine Festung gesichertem Eiland Bond einen Besuch abstattet…
Nach einer geschlagenen Stunde erst taucht die Hauptdarstellerin auf — und das ist in diesem Fall durchaus wörtlich zu nehmen: Der Berner Bauerntrampel Ursula Andress — von den Amerikanern »Ursula Undressed« getauft — entsteigt in einem weißen Bikini und mit heroisch eingezogener Plauze als Muschelsucherin Honey Ryder dem azurblauen Nass. Ein legendärer Moment Filmgeschichte, der als einer der erotischsten gilt. Dabei fällt an dem Bond-Girl der Stunde Null vor allem das breite Bauarbeiter-Kreuz auf, von Erotik keine Spur. Die Andress, damals 26 Jahre jung, hatte ihre Karriere bereits in den Fünfzigern gekonnt sabotiert: Sie hatte 1955 einen lukrativen Vertrag mit einem großen Hollywood-Studio ergattert, sich jedoch strikt geweigert, wie vorgeschrieben Schauspiel- und Englischunterricht zu nehmen, weswegen sie schlussendlich gefeuert worden war. 1957 war sie eine Ehe mit dem US-amerikanischen Schauspieler (und späteren Regisseur) John Derek eingegangen, dennoch waren ihre Englischkenntnisse anno 1962 immer noch katastrophal und ihre Quäkstimme mit fettem Akzent alles andere als prickelnd, so dass sich die Bond-Produzenten entschlossen, sie komplett nachsynchronisieren zu lassen. Trotzdem gewann Andress für ihre Honey einen Golden Globe als Beste Nachwuchsdarstellerin. Noch bis in die frühen 1980er hinein legte ihre Karriere einen beispiellosen Dauerhöhenflug hin, sie drehte mit Superstars wie Elvis Presley, Frank Sinatra, Marcello Mastroianni und Peter O’Toole sowie mit Meistern wie Elio Petri oder Luigi Zampa und war über Jahrzehnte Teil der römischen Schickeria.
Vom Start weg erwies sich »Dr. No« als Irrsinnserfolg, den außer den Produzenten Saltzman und Broccoli wirklich niemand erwartet hatte. Ian Flemings Bücher erreichten Rekordauflagen, und in den Folgejahren schickte praktisch jedes Filmstudio sein eigenes Bond-Plagiat ins Rennen. So begann die bis heute erfolgreichste Filmserie der Welt, zu der inzwischen 25 Teile gehören. Meist wurden dabei nur die Titel der zu verfilmenden Romane übernommen, da sich die Handlung eh immer nach dem gleichen Muster abspielt: Bond tritt gegen einen Superverbrecher an, der die Welt bedroht, und zerstört am Ende dessen Kommandozentrale. Auf dem Weg dorthin besteht er alle möglichen und unmöglichen Abenteuer, vernascht zahlreiche schöne Frauen und kämpft mit originellen Waffen, die ihm der Erfinder Q (Desmond Llewelyn) zur Verfügung stellt. Weitere regelmäßige Bestandteile der Serie sind Bonds Vorgesetzter M (Bernard Lee) sowie dessen Sekretärin Miss Moneypenny (Lois Maxwell), die an dem smarten Agenten einen Narren gefressen hat. Dieser ist ein knallharter, mit allen Wassern gewaschener Spion, der sich aus jeder noch so brenzligen Situation befreit, immer einen trockenen Spruch auf den Lippen hat und dabei ganz Gentleman bleibt, stets tadellos gekleidet und mit einer Vorliebe für trockene Martinis. Für die Traumrolle standen unter anderem Richard Burton, David Niven (Eye of the Devil) und sogar John Gavin (A Time to Love and a Time to Die) Schlange, die Produzenten aber setzten auf den blendend aussehenden Newcomer aus Schottland, der durch die Serie zu dem Superstar der Sechziger wurde. — In »Dr. No« tritt übrigens Anthony Dawson (Midnight Lace) in einer seiner vielen Nebenrollen als Schurke auf.

from russia with love

#213: Liebesgrüße aus Moskau
From Russia with Love (1963)
Regie: Terence Young, mit Sean Connery, Lotte Lenya, Robert Shaw u. a.

»Dr. No« hatte unerwarteterweise große Kasse gemacht, so dass die Produzenten Saltzman und Broccoli dem zweiten Teil der Serie deutlich mehr Aufwand und das doppelte Budget zubilligten. Regisseur Young und Hauptdarsteller Connery waren bereits sattelfest, und als exotische Kulissen fungierten diesmal Istanbul und Venedig, die Kameramann Ted Moore in wahrlich malerischen Bildern einfing. Die etwas langweilige Italienerin Daniela Bianchi — wie die Andress und später Claudine Auger aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse synchronisiert — gab das Bond-Girl. Der von Lionel Bart geschriebene und von Matt Monro gesungene Titelsong eroberte die Charts. Der Film wurde ein riesiger Geschäftserfolg und ist bis heute für viele Kritiker der beste Bond-Film überhaupt; auch deshalb, weil hier noch weitgehend auf den technischen Schnickschnack verzichtet wurde, der in späteren Teilen der Serie zunehmend das Geschehen bestimmte. Auch Sean Connery bezeichnete »From Russia with Love« als seinen persönlichen Lieblings-Bond.
Diesmal versucht SPECTRE, eine russische Dechiffrier-Maschine in die Finger zu bekommen, um dann die britischen und sowjetischen Geheimdienste gegeneinander ausspielen zu können. Am Bosporus soll Bond das Gerät von der aparten Russin Tatjana (Bianchi) übergeben werden, die sich aufgrund eines Passbildes (!) in Bond verliebt hat und überlaufen will…
Kernstück von »From Russia with Love« ist eine Sequenz, die aus dem 1959 entstandenen »North by Northwest« (Regie: Alfred Hitchcock) geklaut wurde: Bond wird auf offenem Feld von einem Flugzeug angegriffen. Darüber hinaus wartet der Streifen mit zwei der denkwürdigsten Bond-Bösewichtern auf: Robert Shaw liefert sich als blonder Killer im Orient-Express eine imposant gefilmte, fast dreiminütige Schlägerei mit Bond, und Lotte Lenya verfügt als lesbische Rosa Klebb über tödliches, mit giftigen Messern bewehrtes Schuhwerk. Für die aus Wien stammende Bühnenschauspielerin und Kurt-Weill-Interpretin war »From Russia with Love« einer der ganz seltenen Ausflüge in die Welt des Films: 1931 hatte sie in der Pabst-Verfilmung der »Dreigroschenoper« die Jenny gegeben; für ihren zweiten Film, »The Roman Spring of Mrs. Stone« (Regie: José Quintero), stand sie 1962 auf der Anwärterliste für einen Oscar; 1969 stand sie in »The Appointment« (Regie: Sidney Lumet) neben Omar Sharif und Anouk Aimée in einer Nebenrolle vor der Kamera; in »Semi-Tough« (Regie: Michael Ritchie) gab sie 1977 ihre Abschiedsvorstellung. Am Off-Broadway und vor allem am Broadway — wie beispielsweise als Fräulein Schneider in der legendären »Cabaret«-Uraufführung von 1966 — war die Lenya eine Legende.

goldfinger

#214: Goldfinger
Goldfinger (1964)
Regie: Guy Hamilton, mit Sean Connery, Gert Fröbe, Honor Blackman u. a.

»Goldfinger« ist nicht nur einer der besten, nein, es ist vielleicht sogar der Bond-Film. Wer sich vorgenommen hat, in seinem Leben nur einen einzigen Film der Serie zu gucken, sollte diesen hier wählen. Es ist sozusagen der quintessentielle Bond-Film, der alles, was die Reihe ausmacht, vereint. Eine originelle, spannende Geschichte, ein überlebensgroßer Schurke (Fröbe), drei von rattenscharf bis cool agierenden Bond-Girls (Shirley Eaton, Tania Mallett, Honor Blackman) und zahlreiche optische Einfälle verbinden sich hier zu einem unterhaltsamen, gut ausbalancierten Abenteuer, bei dem die Handlung noch nicht so stark von technischen Gags überlagert wird wie bei den späteren Bonds. Nachdem das Team sich mit den ersten beiden Filmen quasi warmgelaufen hatte, wurde »Goldfinger« der bis dato ausgereifteste Streifen der Serie — und eine Art Bindeglied zwischen dem »ruhigen« »From Russia with Love« und dem bombastischen, inhaltlich jedoch etwas hohl geratenen »Thunderball«. Aufwand und Erfolg hatten sich von Film zu Film gesteigert, und so wurde »Goldfinger« der bis dato größte Erfolg der Serie. Der von Antony Newley, dem damaligen, als »englischer Sinatra« bekannt gewordenen Gatten Joan Collins’, geschriebene und von Shirley Bassey gesungene Titelsong wurde ein weltweiter Hit, und die Toneffekte wurden mit einem Oscar ausgezeichnet.
007 bekommt es diesmal mit dem größenwahnsinnigen Mr. Goldfinger zu tun, der überall auf der Welt Gold aufgekauft hat. Sein perfider Plan: Er will die riesigen, im amerikanischen Fort Knox lagernden Reserven radioaktiv verseuchen und damit wertlos machen; er selbst würde dadurch zum reichsten und mächtigsten Mann der Welt. Dass mit Goldfinger nicht zu spaßen ist, erfahren Bond und der Zuschauer recht schnell, als Goldfingers Privatsekretärin (Eaton) nach einem Schläferstündchen mit Bond den Tod durch eine goldene Ganzkörperbemalung findet, welche die Atmung der Haut verhindert. Bei seinem sinistren Vorhaben wird der Fiesling von einer Anzahl skurriler Helfershelfer unterstützt, darunter der Koreaner Oddjob (Harold Sakata), der mit seiner stahlkrempenverstärkten Melone zu töten pflegt, und die rassig-kühle Pussy Galore (Blackman), eine Karate-Spezialistin, die es Bond ganz besonders angetan hat, scheinen sie und die Mitglieder ihrer weiblichen Fliegerstaffel doch lesbisch zu sein…
Höhepunkte des Films sind der mit allerlei Schnickschnack ausgestattete Aston Martin, komplett mit Schleudersitz und Flammenwerfer, sowie die Laserkanone, von der Bond beinahe in zwei Teile geschnitten wird. Ted Moores Kameraarbeit ist mal wieder erste Sahne!

IF

#215: Feuerball
Thunderball (1965)
Regie: Terence Young, mit Sean Connery, Claudine Auger, Adolfo Celi u. a.

SPECTRE gelingt es, durch die Entführung einer US-Militärmaschine, in den Besitz von Atombomben zu kommen und will die amerikanische Regierung um 300 Milliarden Dollar erpressen. Zu dumm für den SPECTRE-Chef Largo (Celi), dass sich bereits James Bond in des Falles angenommen hat…
Das Budget für »Thunderball« wurde nach dem fulminanten Erfolg von »Goldfinger« gleich verdreifacht: satte neun Millionen Dollar kostete das Action-Spektakel, das nicht nur einen Oscar für die Spezialeffekte einheimste, sondern auch mit fast 150 Millionen US-Dollar Einspielergebnis der erfolgreichste Film der Serie wurde — bis »Skyfall« 2012 diesen Rekord brach. Dennoch dürfte dies der schwächste Connery-Bond sein, was hauptsächlich dem überlangen, dürftigen Finale geschuldet sein dürfte: Die Unterwasser-Kämpfe sind war grandios gefilmt und temporeich geschnitten, aber insgesamt doch ausufernd und chaotisch — der Zuschauer weiß am Ende gar nicht mehr, wer hier eigentlich auf wen schießt. Die prachtvoll in Szene gesetzten Drehorte — unter anderem Frankreich und die Bahamas —sowie Luciana Paluzzi (superb!) und Adolfo Celi (Danger: Diabolik) als Widersacher machen diese kleine Schwäche jedoch locker wieder wett. Gedreht wurde von Februar bis Juli 1965.
Enttäuschend ist aus heutiger Sicht einmal mehr das Bond-Girl. Albert R. Broccoli hatte für die Rolle der Domino entweder Julie Christie, Raquel Welch oder die junge Faye Dunaway haben wollen, bekam jedoch von allen drei Damen einen Korb. Dann standen auch noch Namen wie Yvonne Monlaur (The Brides of Dracula), Gloria Paul oder Maria Grazia Buccella auf der Anwärterinnen-Liste. Den Zuschlag erhielt schließlich die Französin Claudine Auger, deren Karriere trotz des enormen 007-Erfolgs nie so richtig in Schwung kam. Ihre eindrucksvollste Rolle hatte sie unter der Regie von Mario Bava in dem Giallo »Ecologia del delitto« (1971), der später als Blaupause für die »Friday the 13th«-Filme fungierte.

you only live twice

#216: Man lebt nur zweimal
You Only Live Twice (1967)
Regie: Lewis Gilbert, mit Sean Connery, Donald Pleasence, Akiko Wakabayashi u. a.

»Willkommen in Tokio, Mr. Bond!«, stand auf den Plakaten des fünften und bislang teuersten Bond-Abenteuers zu lesen, und willkommen war die Crew im Land der aufgehenden Sonne, wo ein Großteil der Dreharbeiten stattfand, in der Tat: Die japanische Presse war außer Rand und Band, hysterische Reporterinnen und Fotografen belagerten regelrecht die Hotels, Sean Connery und seine Frau Diane Cilento konnten keinen Schritt tun, ohne von einer Horde Journalisten verfolgt zu werden, die alles taten, um aktuelle Fotos und Meldungen zu ergattern. Angeheizt wurde dieses bis dato noch nie da gewesene Interesse durch das Gerücht, dass Connery von Bond die Schnauze voll hatte und nach »You Only Live Twice« das Handtuch werfen wollte, was er letztendlich auch tat. Nicht nur, dass er nach fünf Jahren der Rolle überdrüssig geworden war, sein Missmut lag vor allem in der Beziehung zu seinen Produzenten begründet, die sich beharrlich weigerten, seinen Vertrag zu erneuern, denn obwohl die Bond-Serie von Film zu Film erfolgreicher geworden und Connery als Zugpferd daran nicht ganz unbeteiligt gewesen war, hatte sich sein vergleichsweise recht mickriges Salär nicht signifikant erhöht. Hinzu kam, dass sich die Dreharbeiten pro Film im Laufe der Jahre immer weiter ausgedehnt hatten: Für »You Only Live Twice« wurde eine Drehzeit von acht Monaten kalkuliert, zwei mehr als beispielsweise für »Thunderball«.
Das von dem wunderbar geistreichen Satiriker Roald Dahl (The Night Digger) verfasste Drehbuch verlangt von 007 diesmal ganzen Einsatz im Fernen Osten, wo der britische Geheimdienst die Ursache für das Verschwinden von amerikanischen und sowjetischen Raumkapseln vermutet, das bereits die politische Großwetterlage erheblich belastet hat. In der Tat hat sich der Erzschurke Blofeld (Pleasence, Cul-de-sac) zum Ziel gesetzt, den Dritten Weltkrieg auszulösen: von einer Raketenbasis aus, die in einem verloschenen Vulkan versteckt ist, lässt er ein Kaper-Raumschiff starten, um im All die Raumkapseln zu entführen…
Blofelds vulkanische Raketenbasis, die für eine halbe Million Dollar von Set-Designer Ken Adam in den Pinewood Studios errichtet wurde, war das damals größte Filmset der Welt und konnte bereits aus einer Entfernung von sechs Kilometern gesichtet werden. Eine in jeder Hinsicht beeindruckende Leistung! Ein besonders niedliches technisches Spielzeug für Bond war zudem der bewaffnete Einmann-Hubschrauber »Little Nellie«, ein von Q entwickelter Flugkörper, den sich Bond vor Gebrauch im IKEA-Stil selbst zusammenschrauben muss. Daneben bietet die Schönheit der japanischen Inselwelt reichlich Genuss fürs Auge, während sich aus der Besetzung vor allem Karin Dor als Blofelds Handlangerin Helga Brandt hervortut: Die brünette Wiesbadenerin, die in Deutschland vornehmlich in billigen Heimat-, Kriminal- und Westernfilmen verheizt wurde, musste sich für ihre Bond-Rolle die Haare rot färben und in einen sexy Vamp verwandeln lassen. So konnte sie erstmals gegen ihr biederes Image anspielen. Ihre nächste englischsprachige Rolle spielte sie dann auch prompt bei Altmeister Hitchcock: In »Topaz« (1969) trat sie als heißblütige kubanische Spionin in Erscheinung. In »You Only Live Twice« nimmt sie ein tragisches Ende im Piranha-Becken ihres Chefs, den sie mit ihrem Versagen, Bond zu töten, verärgert hat. In weiteren Rollen sind Mie Hama, Tetsuro Tamba und Charles Gray mit von der Partie. Der obligatorische Titelsong — erneut eine Hit-Single — wurde von Nancy Sinatra interpretiert. Während »You Only Live Twice« in Deutschland zum erfolgreichsten Bond aller Zeiten wurde — und diesen Rekord auch bis 2012 halten konnte —, war er für die Produzenten insgesamt eine Enttäuschung, blieb sein weltweites Einspielergebnis doch deutlich hinter dem von »Thunderball« zurück.

never say never again

#217: Sag niemals nie
Never Say Never Again (1983)
Regie: Irvin Kershner, mit Sean Connery, Klaus Maria Brandauer, Max von Sydow u. a.

»Thunderball« war von einem gewissen Kevin McClory mitentwickelt worden, weshalb er die Rechte an diesem Fleming-Roman hielt. Er trat diese 1965 an die Produzenten Saltzman und Broccoli für ein stolzes Sümmchen ab und verpflichtete sich im Gegenzug, die nächsten zehn Jahre keinen eigenen Film um den berühmten Agenten zu produzieren. Ab 1975 machten somit zahllose Gerüchte um ein Konkurrenz-Produkt zu den »regulären« Bonds die Runde, die sich schließlich und endlich 1983 in diesem Film manifestierten. Zum großen Ärger der Ur-Produzenten war es McClory geglückt, Sean Connery nach zwölf Jahren Bond-Ruhestand für die Rolle zurückzuholen, und in Anspielung auf des Schauspielers damalige Ankündigung »Never again!« lieferte Connerys Gattin Micheline den ironischen Titel zu diesem »Thunderball«-Remake, das mit reichlich Humor und glänzenden Schauspielern aufwartet: Gleich zu Beginn des Films begibt sich ein sichtlich gealterter 007 zwecks Generalüberholung in ein Sanatorium.
Da 1983 auch »Octopussy« (Regie: John Glen) in die Kinos kam, griff die Sensationspresse begeistert das Schlagwort vom »Krieg der Bonds« auf und erging sich in seitenlangen Vergleichen zwischen Roger Moore und Sean Connery, während beide Streifen zu großer Form an den Kassen aufliefen. Zwar unterlag »Never Say Never Again« dem Moore-Bond knapp, das Einspielergebnis von 160 Millionen Dollar konnte sich jedoch mehr als sehen lassen. »Never Say Never Again« verlässt sich weniger auf technische Gags als der Moore-Bond und kann auch mit besseren schauspielerischen Leistungen überzeugen, doch hat er die gleichen dramaturgischen Probleme wie sein Vorgänger »Thunderball«: Sobald sich die Handlung größtenteils unter Wasser abspielt, verliert der Zuschauer rasch den Überblick und das Interesse, zumal zu diesem Zeitpunkt die interessanteste Figur des Films, die ebenso schöne wie skrupellose Fatima Blush, bereits das Zeitliche gesegnet hat. Das rassige und gefährlich charismatische Ex-Model Barbara Carrera schafft es, in jeder ihrer Szenen die jeweiligen Partner, ob Connery oder Brandauer, platt an die Wand zu drücken. Die aus Nicaragua stammende Aktrice erhielt als erste Schauspielerin in einem Bond-Film für ihre großartige Performance eine Golden-Globe-Nominierung. Kim Basinger, die mit diesem Film ihren Durchbruch feierte, verblasst dagegen als Domino — ähnlich wie seinerzeit Claudine Auger neben Luciana Paluzzi. Der Rest der Besetzung kann sich mehr als sehen lassen: Max von Sydow (The Quiller Memorandum) ist ein würdiger Blofeld, Bernie Casey ist Bonds Sidekick Felix Leiter, Alec McCowen (Frenzy) ist Q, Edward Fox wurde als M besetzt — und dann sieht man auch noch Rowan Atkinson alias Mr. Bean in einer Nebenrolle! Der Kameramann Douglas Slocombe (The Fearless Vampire Killers, The Third Secret) leistete wie gewohnt hervorragende Arbeit.

skyfall

#218: Skyfall
Skyfall (2012)
Regie: Sam Mendes, mit Daniel Craig, Javier Bardem, Judi Dench u. a.

»Skyfall« beginnt als Actionfilm und schlägt im Laufe seiner 140minütigen Spielzeit einen raffinierten Bogen bis hin zum Psycho-Kammerspiel. Allein schon deshalb ein bemerkenswerter Film; nach »You Only Live Twice« und On Her Majesty’s Secret Service ist dies mein drittliebster Bond. Zeitgemäß und doch klassisch, gespickt mit liebevoll eingestreuten Zitaten — so wird beispielsweise noch einmal der Aston Martin aus »Goldfinger« ausgepackt — und einer Bombenbesetzung: Judi Dench (Notes on a Scandal), Albert Finney (Night Must Fall), Ralph Fiennes (als Ms Nachfolger), Naomie Harris (als Miss Moneypenny), Ben Whishaw (als Q) und Javier Bardem, der als Bösewicht eine oscarreife Vorstellung hinlegt. Adele singt den geilsten Titelsong seit »Goldfinger«, und Kameramann Roger Deakins (Prisoners) tritt einmal mehr auf beeindruckende Art den Beweis an, dass er momentan der beste Vertreter seiner Zunft ist. Ach, kurz und knapp: »Skyfall« ist der beste Bond seit über 30 Jahren. Nach dem Ende des Kalten Krieges war das Feindbild plötzlich weg, die auftretenden Terroristen waren mehr oder weniger possierliche Papiertiger gewesen. In »Skyfall« findet das Drama auf privatem Terrain statt; eine kluge Drehbuch-Entscheidung! Es geht ums Altern, um Vertrauen und missbrauchtes Vertrauen. Sowohl Bond als auch M werden mit der Unumgänglichkeit des Altwerdens konfrontiert: Bond ist physisch nicht mehr in der Lage, seine Arbeit einwandfrei auszuüben, M soll ausgetauscht und in den Ruhestand geschickt werden. Nach –zig mediokren, ausschließlich auf Effekten aufgebauten Bond-Abenteuern wagt es »Skyfall«, ein wenig in die Psychologie einzusteigen und gewinnt dadurch eine Tiefe, auf die wir seit On Her Majesty’s Secret Service verzichten mussten. Das neue Rezept schmeckte und schlug sich in einem Einspielergebnis von über einer Milliarde US-Dollar (!) sowie in einem ungeahnten Preisregen — unter anderem zwei Oscars und ein Golden Globe — nieder.

André Schneider

André schreibt erneut für »Männer«

männer_juli2014

Ab jetzt überall, wo es Zeitschriften gibt: Die Juli-Ausgabe des »Männer«-Magazins mit einer großen Reportage von André zum Thema »Liebe«. Er portraitierte drei schwule Paare in langjährigen Partnerschaften und fragte unter anderem nach ihren »Liebes-Rezepten«. Das Fazit könnt Ihr im aktuellen Heft lesen. Der Artikel heißt Für immer.
     Viel Spaß!