Die glitzernden Garnelen
Originaltitel: Les crevettes pailletées; Regie: Maxime Govare, Cédric Le Gallo; Drehbuch: Maxime Govare, Cédric Le Gallo, Romain Choay; Kamera: Jérôme Alméras; Musik: Thomas Couzinier, Frédéric Kooshmanian; Darsteller: Nicolas Gob, Alban Lenoir, Michaël Abiteboul, David Baïot, Romain Lancry. Frankreich 2019.
Schwimmende Männer waren in den vergangenen Jahren Garanten für erfolgreiche Komödien made in Europe: »Allt flyter« (Regie: Måns Herngren), »Le grand bain« (Regie: Gilles Lellouche, mit Mathieu Amalric) und »Swimming with Men« (Regie: Oliver Parker, mit Rupert Graves) schnitten bei Kritik und Publikum recht gut ab. »Les crevettes pailletées« bedient sich desselben Settings, transferiert das Sujet jedoch in einen queeren Rahmen und fußt zumindest teilweise auf realen Erlebnissen des (Co-)Regisseurs Cédric Le Gallo, der seit Jahren Mitglied der echten »glitzernden Garnelen« ist und nach eigener Aussage aus einem reichen Fundus schöpfen konnte. Für die filmische Aufbereitung seiner Geschichte tat er sich mit dem erfahreneren (und heterosexuellen) Komödien-Spezi Maxime Govare zusammen.
»Les crevettes pailletées« ist ein gefälliger, liebevoll gestalteter und gespielter Film, der nach gängigen Mustern arbeitet und dem anspruchslosen schwulen Publikum reichlich Männerfleisch in Badehöschen präsentiert. Nicolas Gob, in Frankreich als harter Cop in diversen TV-Serien bekannt, mimt den Vize-Schwimmweltmeister Matthias, der nach einer homophoben Äußerung während eines Interviews von seinem Sportverband dazu verdonnert wird, eine schwule Wasserball-Mannschaft zu trainieren. Ziel ist die Teilnahme bei den Gay Games in Kroatien. Der engstirnige, aber engagierte Sportler trifft auf eine quietschbunte Garde exaltierter homophiler Männer, die mit Wasserball kaum was am Hut haben, sondern lieber die Wasserchoreographien der Transsexuellen Fred (Romain Brau aus »Where Horses Go to Die« von Hickling) einstudieren. Die Wettkämpfe sehen sie eher als Urlaubsspaß und Fleischbeschau. Für den irritierten Matthias beginnt eine harte Zeit, in welcher er jedoch die Gelegenheit hat, die unterschiedlichen Männer besser kennen zu lernen und seine Vorurteile zu überwinden… In einem Nebenstrang der Handlung spielt Matthias’ Verhältnis zu seiner halbwüchsigen Tochter eine nicht unerhebliche Rolle.
In »Les crevettes pailletées« dreht es sich um Freundschaft und Gemeinschaftsgeist sowie um das Annehmen der eigenen Identität. So kämpft beispielsweise der rothaarige Michaël Abiteboul als Cédric mit seiner neuen Rolle als Ehemann und Vater, während Alban Lenoir (Jean) versucht, mit seiner Krankheit — er hat Knochenkrebs — zurecht zu kommen. Geoffrey Couët (aus Théo et Hugo dans le même bateau), Roland Menou, Félix Martinez, Arthur Gillet und Benoît Maréchal spielen kleinere, aber prägnante Rollen, während uns musikalisch Bonnie Tyler und Sabrina (»Boys, Boys, Boys«) um die Ohren gehauen werden. In einer besonders rührenden Szene gibt es das berühmte Duett von Garou und Céline Dion als Playback-Nummer in einer deutschen Kneipe. So simpel der Film auch gestrickt ist, so effizient funktioniert er auch als Wohlfühlfilm für verregnete Nachmittage. Der Rezensent Alexandre Lazerges verglich den Streifen mit der italienischen Komödie »Palombella rossa« (Regie: Nanni Moretti), »The Full Monty« (Regie: Peter Cattaneo) sowie dem australischen Klassiker »The Adventures of Priscilla, Queen of the Desert« (Regie: Stephan Elliott). Aus dem großen, pampigen Einheitsbrei der LGBTQ-Komödien der letzten Jahre dürfte »Les crevettes pailletées« ein Werk sein, das noch ein ganzes Weilchen herausragen wird. Ein absoluter Tipp!
André Schneider