Airport
Originaltitel: Airport; Regie: George Seaton; Drehbuch: George Seaton; Kamera: Ernest Laszlo; Musik: Alfred Newman; Darsteller: Burt Lancaster, Dean Martin, Jean Seberg, Jacqueline Bisset, George Kennedy. USA 1969.
Der erfolgreichste Film des Jahres 1970 wurde seinerzeit für nicht weniger als zehn Oscars nominiert (einzig Helen Hayes gewann die Statuette als Beste Nebendarstellerin) — und fand sich unlängst auf einer Liste von einstigen Kassenschlagern wieder, an die sich heute keiner mehr erinnert. Dass »Airport« wahrlich kein guter Film ist, erkannte man allerdings damals schon. So nannte ihn die für ihre Scharfzüngigkeit gefürchtete Kritikerin Judith Crist »den besten Film von 1944« und traf damit den Nagel auf den berühmten Kopf. Dennoch fuhr der Streifen weit mehr als das Zehnfache seines Zehn-Millionen-Dollar-Budgets ein und zog drei Fortsetzungen nach sich. Zudem wurde das Konzept — Starbesetzung in Seifenoper plus Katastrophe — in den 1970ern sehr oft variiert: »The Poseidon Adventure« (Regie: Ronald Neame), »The Towering Inferno« (Regie: John Guillermin), »Earthquake« (Regie: Mark Robson), »The Swarm« (Regie: Irwin Allen) »Rollercoaster« (Regie: James Goldstone), »When Time Ran Out…« (Regie: James Goldstone). Die Liste ließe sich beliebig fortführen. Irgendwie waren immer George Kennedy, Shelley Winters, William Holden, Henry Fonda, Charlton Heston, James Stewart, Ernest Borgnine, Roddy McDowall, Myrna Loy, Olivia de Havilland und Jennifer Jones dabei. Und brennende Pappmaché-Bauten, die sich abwechselten mit süßlichem Liebesgeplänkel oder mit dramatischer Musik unterlegtem Gerenne von Feuerwehrmännern. Wenn sich ein Strickmuster bewährt, dann hält Hollywood eben daran fest, das ist heute, fast 50 Jahre später, auch nicht anders.
Kurz zur Handlung: Van Heflin spielt einen Loser, der sich in einer schicken Boing 747 — Ross Hunter mietete das Prachtstück für sage und schreibe 18.000 Dollar täglich! — in die Luft sprengen will, damit seine Frau (Maureen Stapleton) wenigstens seine Lebensversicherung kassieren kann. Der Irre sorgt in der Luft für reichlich Chaos und Angst. Am Boden verschlimmern ein Schneesturm und ein verunglücktes Flugzeug, welches die Notlandebahn blockiert, die Schwierigkeiten.
Arthur Haileys Bestseller war über 600 Seiten stark gewesen. Literarisch sicher kein Meilenstein, hatte der Roman jedoch noch einige interessante Personenskizzierungen und Randereignisse zu bieten, die bei der Adaption zum Drehbuch Federn lassen mussten. Auch die dem Roman eigene atmosphärische Dichte konnte der Film nicht erreichen. So verwaschen die »dramatischen persönlichen Schicksale« hinter der handelsüblichen Katastrophenfilm-Rahmenhandlung lediglich zu einer Anhäufung von Ehekrisen, die nur allzu trivial und oberflächlich bleiben, obwohl sie überlang und ausufernd beschrieben werden. (Der Film dauert über 130 Minuten.) Die Figuren bleiben dabei allesamt Schablonen. Immerhin konnte sich George Seaton auf sein Ensemble verlassen, und so durften Stapleton, Heflin, Jessie Royce Landis, Barry Nelson und Barbara Hale wenigstens ein paar schauspielerische Glanzlichter setzen, während das Star-Quartett in den Hauptrollen — Lancaster, Martin, Seberg und Bisset — blass bleiben musste und nur ein wenig Glamour versprühen durfte. Besonders Jean Seberg war sehr unglücklich mit ihrer Figur; sie durfte lediglich Helen Hayes, die als notorischer blinder Passagier durch die Gegend düst, über den Flughafen jagen. Sebergs 150.000 Dollar-Gage plus weitere 1.000 Dollar Spesen wöchentlich für ihre 16 Wochen Drehzeit waren für die edle Ross Hunter-Produktion ein Klacks. Der gewiefte Dean Martin hingegen sicherte sich eine prozentuale Gewinnbeteiligung und konnte damit über sieben Millionen Dollar für sich herausholen. Burt Lancaster hielt »Airport« für einen seiner schlechtesten Filme. Er machte ihn nach eigenen Aussagen nur, weil ihm eine Gewinnbeteiligung von 10 Prozent sowie die Mitwirkung in künstlerisch anspruchsvolleren Projekten zugesichert worden waren. Immerhin: Die Stars, die technische Makellosigkeit, die knalligen Farben, die gute Ausstattung und viele unfreiwillig komische Momente sorgen dafür, dass »Airport« auch heute noch unterhaltsam ist. Gewissermaßen ist die 1980 entstandene Parodie »Airplane!« (Regie: Jim Abrahams, David Zucker, Jerry Zucker) eher ein Remake als eine Persiflage — und eindeutig besser gealtert!
André Schneider