Sandra Hüller ist eine blendende Schauspielerin; die Oscarnominierung gönne ich ihr von ganzem Herzen. Ich wünschte nur, sie hätte sie für einen besseren Film bekommen. »Anatomie d’une chute« (Regie: Justine Triet) ist, obwohl hochgelobt und vielfach ausgezeichnet, kein Meisterwerk. Sicher waren meine Erwartungen angesichts der hymnischen Stimmen zu hoch gewesen. Ich hatte einen umstürzlerischen Thriller erwartet, der Sehgewohnheiten aufbricht. Hüllers Performance ist gut, doch die Charakterzeichnung ist nicht annähernd so fundiert, wie man sie bei einem zweieinhalbstündigen Film erwarten würde; letzten Endes bleibt selbst die Hauptfigur zweidimensional, was nicht an Sandra Hüller, sondern am Drehbuch liegt. Es ist ein banaler Film, der sich hochtrabend gibt, ein streckenweise interessanter, aber mitnichten packender Gesichtsfilm, der weder visuell noch erzählerisch Neues bietet. Gegen ihre Mitstreiterinnen Carey Mulligan, Emma Stone, Annette Bening und Lily Gladstone scheint Sandra Hüller mit diesem Film chancenlos. »American Fiction« (Regie: Cord Jefferson) und »Poor Things« (Regie: Yorgos Lanthimos) sehen vielversprechend aus. Bei den Männern würde es mich freuen, wenn Mark Ruffalo (vierte Nominierung) oder Robert Downey Jr. (dritte Nominierung) gewinnen würden.
Gerade habe ich einen Übersetzervertrag mit einem kleinen Verlag in Deutschland abgeschlossen. Der zahlt kaum ein Sechstel von dem, was Magic Dome zahlt, aber das Buch gefällt mir so gut. Hoffe nur, ich habe mich damit nicht übernommen, denn die Zhgulyov-Reihe geht schließlich auch noch weiter. Dazu kommen noch die anderen Dinge, die ich mir aufgehalst habe. Freiwillig. Ich wollte und will das alles. Nur gerade heute wünschte ich, ich könnte mich ausklinken und einen Urlaub buchen. Der allerdings würde Geld kosten, und ich bemühe mich gerade, wirklich jeden Cent zu sparen, um »A Perfect Stranger« finanzieren zu können. Wie in den alten Zeiten, nur etwas abgesicherter. Mit 26 machten mir die Siebentagewochen nichts aus, heute, mit fast 46 Jahren, sieht es anders aus. Nur spüre ich die Angst vor der Endlichkeit. Ich möchte noch so viel kreieren, erschaffen, tun. Ich möchte so gerne noch eine Handvoll Filme drehen, bis endlich ein richtig guter dabei ist. Es sind Bücher in mir, die geschrieben werden wollen. So viele Geschichten, die ich schreibend oder schauspielerisch erzählen möchte muss. Das notwendige Strukturieren, das Takten meiner Tage trübt mir zuweilen die Laune.
Gestern noch die herzige Aktion im Louvre. (Wo war der Sicherheitsdienst?) Wie kurzsichtig, wie töricht, wie schändlich! (Und dem Klima herzlich wenig nützend.) Neben dem ganzen Übel, das der Mensch tagtäglich verursacht, sind es doch die Künste, die eine Menschlichkeit (im schönsten Wortsinne) spürbar machen. So gesehen ist ein Verbrechen gegen die Kunst ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Es wird jetzt ein Weilchen dauern, bis ich wieder von mir hören lasse — aber auch nicht zu lang. Bleibt mir gewogen und fühlt Euch umarmt,
André