28. März 2007

Geburtstagspartys anno 2007

Früher kaufte man Alk für seine Gäste ein. Ein, zwei Kisten Bier, ein bisschen Wein und für die, die’s etwas prickeliger mochten, kaufte man ein paar Flaschen Sekt. Bei einem runden Geburtstag war’s auch mal ein Schampus. Heute scheint es zum guten Ton zu gehören, seinen Gästen Kokain anzubieten. Witzigerweise im Bad. Um wenigstens so zu tun, als geschehe es heimlich, obwohl für jeden der Gäste eine Line auf dem Handspiegelchen vorbereitet ist. Nicht mit mir!
Die Redewendung »Pas avec moi!« existiert im Französischen übrigens nicht, wie ich hilf- und vokabellos feststellen musste. Und das, wo der Abend mit dem Marianne Faithfull-Konzert in der Cité so vielversprechend-gefühlvoll und atemberaubend schön begonnen hatte. Immerhin: Den Parisern gefällt Deed Poll. Ich verteile DVDs, jeder fragt, warum der Film in Frankreich keinen Verleih hat.

Nachdem man mich am Montag via Chat wissen ließ, dass ich höchstens im Bett was tauge, krieche ich weiterhin durch das sozio-emotionale Tief der Erniedrigung, die am 27. Februar begann. Radikal ausgedrückt: Ich fühle mich vergewaltigt. Noch am selben Abend löschte ich ca. 60 SMSe aus meinem Speicher. Ich wünschte wirklich, ich würde es mir nicht so zu Herzen nehmen. — Der Rückflug nach Paris war alles andere als komfortabel. Für einen Tee bezahlt man im Billigflieger inzwischen über vier Euro. Selbst die Stewardessen-Show vor dem Abflug (»Die Notausgänge befinden sich links und rechts…«) wirkte lustlos. Dabei ist doch überall Frühling.

Anfang April fliege ich für ein verlängertes Wochenende nach Irland. E. hat Geburtstag. Die letzten zwei Jahre musste ich absagen. Dieses Jahr wird mein Besuch das Geschenk sein. Von Paris nach Dublin nach Galway. Cliffs of Moher. Reiten. Englisch sprechen. Reanimation.

CD des Tages: Kitty Hoff: »Blick ins Tal«.

25. März 2007

Gar nicht so doof, das Kind (ca. 1982)

Mutter: »Du isst das jetzt auf!«
André: »Nein!«
Mutter: »Du isst jetzt! Das wird nicht weggeworfen!«
André: „Wieso nicht?«
Mutter: »Die Kinder in Afrika haben gar nichts zu essen. Also los!«
André: »Wenn ich das jetzt aufesse, werden die aber doch nicht satt?«

Home is…

…wenn du ankommst und wirst von der Sonne begrüßt. Es spiesst und knospelt an allen Ecken. Das Kopftuchgeschwader am Kottbusser Damm bildet Mauern, damit die deutschsprachigen Mitbürger vom Gehsteig gedrängt werden. In der CD-Abteilung eines gewissen Geschäfts, das ich nicht nennen mag, sagt einer: »Ick such noch Billy Eidel.« Daraufhin seine Begleitung: »Ey, machste jetze uff Chef oder watt, Alter? Ick schaukel mir’s Jemächt!«

Mein Chili con carne schmeckte Herrn Preuhs und mir ausgezeichnet. Hab’s bereits früh am Tage gemacht, damit die Kräuter, der Knoblauch und alles so richtig gut durchziehen konnte. Zum Nachtisch: Melönchen. Dazu: Ein Lesbenporno von Andrew Blake. Das kann man ja mit Schwulen nicht tun, Lesbenpornos gucken, da verkrampfen die total.

So ein Frühlingsputz befreit doch die Sinne. Allein der Chlor-Geruch, wie im Schwimmbad. Und der klare, blaue Berliner Himmel beflügelt die Gedanken. Werde bis Dienstag bleiben und wie ein Schwamm alles absorbieren.

S. hat Liebeskummer. S., den ich so mag und der alles Glück der Welt verdient hätte. Gerade chatteten wir.
Ich: »Guten Abend, mein Traum. Geht es Dir heute wenigstens einigermaßen? Noch Lust auf Chili und DVD?«
S.: »Nee, lieb gemeint, bin halbtot vor Müdigkeit. […] Ich hoffe, Deine Besprechung mit Stefan lief gut? […] Vielleicht können wir ja morgen mal telefonieren? Erst mal gute Nacht und Danke für Dein Mitgefühl, kommt gerade richtig gut! Ich hoffe, es geht Dir auch einigermaßen?«
Ich: »Mir geht’s hundsmiserabel, ich fühle mich so dermaßen verarscht und für dumm verkauft, dass ich am liebsten zu dem Typen hinfahren würde. Bin im Wut-Trauer-Schwebezustand. Die Besprechung lief gut. Wir haben endlich einen Zeitplan fertig, dazu dann aber morgen ausgiebig via Mail mehr, mein müder Krieger.«
S.: »Na, dann wünsche ich Dir ’ne hoffentlich ruhige Nacht, ich hoffe, auch Dir geht es bald besser, machen wohl gerade den gleichen Scheiß mit! Sei geknuddelt und gedrückt!«
Ich: »Gute Nacht, Tigermaus, ich denke ganz lieb an Dich und kuschle mich gedanklich an. Männer kannste echt alle in die Tonne kloppen…«
S.: »Dito! Da gehören sie zu 90 % auch rein! Schlaf gut!«
Ich muss nicht extra noch betonen, wie gut solche Gespräche tun, oder? Die Verursacher solch wochenlanger Innereienk(r)ämpfe gehören über den Hydranten gespannt. Dass da juristisch nichts zu machen ist! Weil, im Grunde genommen ist es ja Freiheitsberaubung. Da klaut dir jemand wertvolle Lebenszeit, die gibt dir ja keiner zurück. Ganz zu schweigen von dem emotionalen Ding, das da abgeht. — Wenigstens habe ich wieder Arbeit. Als Schauspieler. Als Autor. Als (Projekt-)Entwicklungshelfer. Wenn das nicht Kraft gibt! Und — bien sûr! — der Gedanke, dass uns 2007 der wohl geilste Sommer seit Meterologengedenken erwartet. Toris neues Album und die Tour sind nicht mehr fern, und ich fühle mich kraftvoll, sexy und on the cutting edge of what’s happening. Oder wie sagt man? Es ist zwei drei Uhr früh. Manchmal bin ich so wach!

Andrés Kneipe und die Nervenzellen im Intimbereich

Ich habe mal gelesen, dass Frauen etwa 500 mal mehr (!) Nervenzellen in ihren Geschlechtsorganen haben als wir Männer. Das erklärt natürlich so manchen modischen Trend. Der Minirock als Stimulation für die Frau. Jeder Windstoß ein kleines, öliges Beben. Das würde uns Männern nicht oder nur selten passieren. — So spannend ich es auch fände, 500 mal mehr Nervenzellen in meinem Vergnügungszentrum zu haben, es gibt da eine Sache, auf die ich niemals verzichten wollen würde, und das ist, einen geblasen zu kriegen. Es ist ja so schön, wenn dir jemand den Schwanz lutscht! Ich meine, wenn es mal passiert und der- bzw. diejenige es gerne tut und kann. Würde ich eines schönen Tages eine Kneipe eröffnen, sie hieße »Blas!« — und wäre vermutlich eine Pleite. (Ich seh’s direkt vor mir: 150 Typen, und alle fragen: »Hey, André, wo sind die Mädels?« — »Die sind am anderen Ende der Straße im ›Leck!‹« Auf die Idee, dass Männer ja auch blasen können (und das oft wirklich besser), kommen Heteros ja meist erst, wenn sie betrunken (oder bekifft) sind.)

Dieser sonnige, wolkenbefreite Sonntag begann für mich in der Cassonade. Crêpe mit Banane und Nutella, dazu ein Tässchen Earl Grey und ein Flirt mit der süßesten Bedienung der Stadt. Sie heißt Johanna und ist Schauspielerin. Sie hat einen Musikgeschmack, der einem das Herz hüpfen und tanzen und jubeln lässt. — Ach, Berlin ist liebenswert. Es grünt und blüht langsam, die Leute strahlen und zwinkern und reden. Die Stadt erwacht, häutet sich, der Schmetterling öffnet seinen cocoon. Und jetzt wird Jazz gehört und nackt durch die Wohnung getanzt. Vielleicht kommt ja ein stimulierender Windstoß durchs Fenster herein.

22. März 2007

Haare, Crêpe, Garfield, Berlin

Man begegnet einem hier vorwiegend mit dem Garfield-Blick, einem unhöflichen Murmelraunen und harschen Blicken. Daran muss man sich erst einmal gewöhnen. Hier ist es 24 Stunden am Tag wie in Berlin um 6:45 Uhr in der S- oder U-Bahn. Oder wie in der Londoner U-Bahn zur rush hour. Umso mehr erfreute mich heute das (zahnlose) Lächeln meiner Lieblings-Crêpe-Verkäuferin, die mich inzwischen kennt und mir auch mal ein zweites Crêpe citron sucre für umsonst auf die Hand legt.

Ich war beim Friseur. Zwar sehe ich jetzt immer noch wuschelig und irgendwie Scheiße aus, aber dafür bin ich jetzt um 52 Euro ärmer. Der Schnitt hätte in Berlin keine zehn Euro gekostet. Aber man ist ja in Parigi. Olé!
Die Jeans-Lady aus der Agentur aß mit mir zu Mittag. Es war das erste angenehme Gespräch auf Französisch. — Ich fühle mich ermattet, missbraucht und verlebt. Am Samstag geht’s nach Berlin. Treffen mit Stefan. Kochen an meinem Herd. Und schreiben, viel schreiben. Vielleicht einen Liebesbrief an Kevin Vennemann ausformulieren für »Mara Kogoj«? Und Kino mit Ingo H.