Ninotschka
Originaltitel: Ninotchka; Regie: Ernst Lubitsch; Drehbuch: Billy Wilder, Charles Brackett, Walter Reisch; Kamera: William Daniels; Musik: Werner R. Heymann; Darsteller: Greta Garbo, Melvyn Douglas, Ina Claire, Bela Lugosi, Sig Rumann. USA 1939.
Zweifellos ist »Ninotchka« ein Höhepunkt in Lubitschs Schaffen. In keinem seiner anderen Filme gelang es ihm auf derart virtuose Weise, sanfte Ironie, politischen Witz und Romantik so elegant miteinander in Einklang zu bringen. Natürlich ist der Einfluss Billy Wilders (A Foreign Affair, The Apartment), der das Drehbuch schrieb, nicht zu unterschätzen. Überhaupt bot dieser Streifen zahlreichen deutschen und österreichischen Emigranten eine breite Möglichkeit, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Neben Wilder, Co-Autor Walter Reisch und dem Komponisten Heymann waren auch die beiden Schauspieler Felix Bressart und Alexander Granach in der Besetzungsliste vertreten. Nach unzähligen dramatischen Rollen wurde »Ninotchka« gezielt als komisches Vehikel für Greta Garbo entwickelt, die legendäre Werbezeile »Garbo laughs!« stand schon fest, bevor das Drehbuch geschrieben war. Das muss man sich einmal vorstellen: Ein ganzer Film wird um das Lachen der Hauptdarstellerin herumkonstruiert! Dass das Ganze auch 75 Jahre nach seiner Entstehung immer noch geradezu spritzig-komisch ist, grenzt an ein kleines Wunder und beweist einmal mehr, wie schwer es ist, einem Lubitsch das Wasser zu reichen.
Kaum sind die Revolutionswirren vorbei, und kaum hat sich die neu gegründete Sowjetunion halbwegs stabilisiert, als sich schon drei Funktionäre auf den Weg nach Paris machen, um dort den Verkauf von Juwelen in die Wege zu leiten, die einst der Gräfin Swana (Claire) gehörten und die nun dem Volke in die Hände gefallen sind. Moskau und die Genossen sind weit, insofern denken die drei Kommissare gar nicht daran, für ihren Aufenthalt eine einfache Herberge aufzusuchen, sondern quartieren sich in einem Luxushotel ein. Als die vor der Revolution geflüchtete Gräfin erfährt, dass ihr Schmuck verschachert werden soll, erwirkt sie eine einstweilige Verfügung gegen den Verkauf der Edelsteine. Um die Sache voranzutreiben, schickt Moskau seine beste Frau ins Rennen, die beinhart-ideologietreue Ninotschka (Garbo), eine Frau wie ein eiserner, todernster Soldat. Doch selbst sie erliegt den Verlockungen des Kapitalismus, als sie sich in einen schneidigen Franzosen (Douglas, The Old Dark House) verliebt…
Die Dreharbeiten verliefen ausgesprochen glücklich, obwohl die Garbo ihre Bedenken, in einer komischen Rolle bestehen zu können, nicht verbarg. Zudem empfand sie die Szene, in der sie und Melvyn Douglas beschwipst durch ihre Hotelsuite wanken, als vulgär und hatte sie zunächst nicht spielen wollen. Ihre Ängste erwiesen sich als haltlos: Nie war die Garbo so gut wie hier!
Der »Tagesspiegel« schrieb: »Man braucht die reizenden Einfälle, die bezaubernden Details, in denen sich die große Kunst von Lubitsch zeigt, die gleichzeitig Zeugnis einer echten Menschlichkeit sind, nicht aufzuzählen.« — »Ninotchka« wurde 1939 für drei Oscars nominiert (Bester Film, Bestes Drehbuch, Beste Hauptdarstellerin), scheiterte aber an der übermächtigen Konkurrenz von »Gone With the Wind« (Regie: Victor Fleming) und »Mr. Smith Goes to Washington« (Regie: Frank Capra).
Mit diesem Filmtipp, dem letzten für 2014, wünsche ich Euch allen einen Guten Rutsch! und für das kommende Jahr alles nur erdenklich Schöne! Viel Spaß beim Feiern!
André Schneider