21. Dezember 2007

Das WolkenPelzTier

Darüber, dass wir Wolkenpelztiere sind, schrieb ich vor längerem schon einmal. Wenn ich an Wolkenpelztiere denke, denke ich auch immer an Barbara und mich. Ich freue mich schon darauf, den 25. Dezember mit ihr verbringen zu dürfen. Das Wort stammt übrigens von Tina Teubner, die 1997 mit ihrem gleichnamigen Chanson-Programm auch in Hildesheim gastierte. Aus diesem Programm stammt folgender Text:

In Champagner baden, asketisch bleiben.
In Liebe verbrennen, an der Liebe leiden.
Stets unter Menschen, immer allein.
Träumen —
dabei ganz realistisch sein.
Fressen zum Platzen, aber Hunger spüren.
Ein Jahrzehnt in einem Gedanken verlieren.
Besoffen und nüchtern, still und rasant.
Engel und Bestie in einem Gewand.

Ich will nach Hause…

Erwachsen und Kind zur selben Stund’.
Lange Beine und sinnlicher Mund.
In Samt, Seide, Brokat gehüllt,
meine Gemächer mit Antiquitäten gefüllt,
will ich mich stets und still bescheiden,
doch die Dienerschaft sollte sich lautlos verneigen
in meinem Palast, der auf gigantischen Säulen steht,
ohne dass eine Sekunde mein Glück vergeht.
Und dann will ich tanzen und singen im Rausch
und stündlich werden die Geliebten getauscht.

Ich will meine Freundin zurück…

Frei sein, nicht immer an einen denken.
Doch ihm allein will ich Treue schenken.
Zu Hause. Geborgen. Zweisamkeit.
Doch ewig auf Reisen … Alaska … weit weg,
im Schnee eine Rose pflücken.
Mit der Kraft der Liebe Berge verrücken.
Ekstase. Unbändiger Lebensmut.
Lachen. Bumsen. Trauer. Wut.
Dem Anstand trotzen ohne Reu’,
und weinen dürfen, wenn ich mich freu’.

Ich will das Meer sehen…

(Tina Teubner)

19. Dezember 2007

Das London-Brainstorming

It’s a beautiful life
When you know yourself
It’s a thin-veiled disguise
When you’re not yourself
So don’t try and hide
The whole world’s waiting for you

Den Kleinen bei meiner Schwester abgegeben — ohne Anhang war das Fliegen doch eine spontanere, sorglosere Angelegenheit — und ganz früh am Mittwoch nach London geflogen. Seit meinem Juni-Besuch war ich nicht mehr in London gewesen, ein für meine Verhältnisse langer Zeitraum. Unerträglich lang, dachte ich in den letzten Wochen, in denen es mir schlechter und schlechter ging. — Wo befand ich mich? In einem lausigen Zustand, der am 5. Juli begann, sich bis zum November peu à peu verschlimmerte und mich schließlich seit einiger Zeit zu lähmen begann. Kein kreativer Fluss mehr. Ein totes Gleis. Ein leeres Blatt Papier. Ein tonlos schreiender Mund. Ich: spiralenförmig nach unten geschleudert. Zwischen Ekel, Zorn, Enttäuschung und Traurigkeit alternierend. Stumm. Schwarzseherisch. Voller Misstrauen und Aggressivität. Vor Weihnachten wollte ich diese Negativität noch abschütteln.

Persönliche Gespräche mit K. helfen mir in diesen oder ähnlichen Situationen seit jeher sehr. Besonders jetzt, da er seit einiger Zeit glücklich verliebt und auch beruflich unabhängig und erfolgreich ist, färbt seine Ausgeglichenheit wohltuend auf mich ab. Das war bereits bei meinem letzten Besuch auffällig. Na ja, und außerdem war da ein Vorsprechen, auf das ich mich zwar gewissenhaft und ausgiebig vorbereitet hatte, zu dem ich aber schlussendlich lustlos erschien.

Manchmal scheint es mir, als würde all mein Dasein nur um die Arbeit kreisen. Und wenn ich nicht arbeite, brummkreiseln meine Gedanken melancholisch und schwindelig über tischtennisplattengroße Felder. Pausen, die länger als zwei Tage dauern, ängstigen mich zu sehr, als dass ich sie genießen könnte. 2008 sollte dies anders werden. Wenn Einsamkeit der Preis für Freiheit ist, dann sei’s drum. Sich nicht mehr rechtfertigen, schuldig oder schäbig fühlen müssen — das ist doch ein hehres Ziel! Dieses Jahr hat nicht die Vorweihnachtlichkeit der vergangenen Jahre. Wieder ein Stück Kindheit aus dem Gesicht gebrochen. Eher herbstlich mutet es an. Endlos dehnt sich die Dunkelheit und quillt an allen Enden über. Zermalmt das Licht förmlich. Fein, nächste Woche um diese Zeit ist der Spuk endlich vorbei. Eigentlich wünsche ich mir zwischen den Jahren nur ein wenig Zeit für mich. Und Chelito.

Übrigens (ich weiche etwas vom Thema ab) bin ich inzwischen — und ich schreibe dies mit einigem Stolz in den Fingern — Besitzer der »Canyon Songs« von Perry Blake. Keine kluge Wahl, wenn der Himmel trüb, verhangen, grau und drögmösig ist, aber »Have I Let You Down« und »Sometimes« sind die vielleicht schönsten Songs, die Perry je verfasst und gesungen hat. (Am 15. Januar tritt übrigens Bruce Guthro in Berlin auf!)

Zu London nur noch eine kurze Episode. Der Argentinier, auch er ein Gast von K., und ich standen in der Küche und tranken Kakao. (K.: »André, du sprichst doch Spanisch, unterhalte dich mal ein bisschen mit ihm.« — Wie ich das liebe! *grrrr*)
Er (auf Spanisch): »Quiero perderme en tu cuerpo esta noche.«
Ich (auf Deutsch): »Ach was? Aber nicht hier!«
Pikanterweise schlürfte seine Freundin derweil ihren Kakao im Nebenzimmer. Wir einigten uns in aller Stille darauf, zu warten, bis keiner von uns in festen Händen ist, wobei er zu bedenken gab, dass das noch ein Weilchen dauern könnte — schließlich habe er das Gefühl, sie sei die Liebe seines Lebens. Statistisch gesehen dauert »die Liebe des Lebens« heute in zwei Dritteln der Fälle ca. zwei bis vier Jahre. Wir verabschiedeten uns mit einem herzhaften Händedruck.

Es ist 20:35 Uhr. Der Rücken, der Kopf schmerzen. Ich fühle mich traurig. Sprachlos. Und müde. Gute Nacht.

10. Dezember 2007

Zu schlecht. Die Fortsetzung.

Seinerzeit versprach ich, die Liste der miesesten Filme fortzusetzen. Zwischenzeitlich sah ich noch zwei ganz, ganz erbärmliche Machwerke. Zudem fielen mir noch ein paar ein, die ich verdrängt hatte. Werde es wieder so handhaben, dass ich die Regisseure nicht erwähne. Auf geht’s!

»Big Momma’s House 2«: Wurde seinerzeit gezwungen, mir diesen Film anzuschauen, obwohl ich deutlich ahnte, was mich erwartete. Indiskutabel. Das Plakat war das beste an diesem Film. Und das war schon verdammt mies.

»DarkWolf«: Tippi Hedren erspart sich nichts. »Um meine Tiere ernähren zu können, nehme ich jede Rolle an«, rechtfertigte sie sich 1994 in einem Interview, als sie auf »The Birds II: Land’s End« angesprochen wurde. Und als Fan verzeiht man sowieso einiges. Bei »DarkWolf« — ich bin ganz ehrlich — hat sich mein Verständnis nahezu erschöpft. Es war schlicht nicht aushaltbar. Werwolf-Filme sind ohnehin grenzwertig und eigentlich nur erträglich, wenn eine Prise Humor ganz Ganze auffrischt. Kürzlich erschien übrigens »Blood and Chocolate« (Regie: Katja von Garnier), ein US-Werwolf-Schocker mit Katja Riemann als Werwolf-Tante. Och nööö, also wirklich!

»Black Christmas« (Remake): 1974 erschien »Black Christmas« (Regie: Bob Clark), ein spannender und für seine Zeit ziemlich brutaler Thriller um einen Killer, der auf dem Dachboden eines Mädchenwohnheims lauert, während unten eine Weihnachtsfeier im Gange ist. Zum Zeitpunkt seines Erscheinens ging das Werk ein wenig unter, 20 Jahre später war es ein Kultfilm, heute ist es fast ein kleiner Klassiker. Im Remake von 2006 werden Augäpfel zermatscht und gegessen, es gibt unappetitliche Inzest-Sexszenen und Eiszapfen, die sich durch Gesichter bohren, ansonsten regieren Langeweile, schlechte Dialoge, miserable Akteure (u. a. auch Goldie Hawns Sohn) und eine stümperhafte Regie um die Wette. Zurecht ein Flop und einer der schlechtesten US-Horrorfilme der letzten zehn Jahre.

»Bloodline«: Jet-Set-Krimi, der seine Drehorte (München, London, New York, Paris, Kopenhagen und Sizilien) und die Kostüme der Stars (Audrey Hepburn, James Mason, Ben Gazzara, Omar Sharif, Romy Schneider, Gert Fröbe, Beatrice Straight, Irene Papas, Michelle Phillips, Ivan Desny, Vadim Glowna) wichtiger nimmt als seine Handlung. Die ist so sprunghaft und löchrig, dass dem Zuschauer spätestens nach 20 Minuten egal ist, worum es hier eigentlich geht. Für alle Beteiligten war’s ein Karrieretiefpunkt. Schon die Romanvorlage, ein Bestseller von Sidney Sheldon, ist bestenfalls mittelmäßig zu nennen. Bei der phantasielosen, unkoordinierten Regie verliert sich im Film auch der letzte Rest an Charme.

»La strada dei giganti«: Die Knef hatte echt Pech! Eine ehrgeizige und gute Schauspielerin, die irgendwie nie so richtig Fuß fassen konnte. Fast 60 mehr oder weniger schlechte Filme. »Die Furchtlosen von Parma«, so der deutsche Titel dieses Machwerks, das kaum als Film zu bezeichnen ist, stand auf der Liste ihrer am wenigsten gemochten Filme ganz oben: »Ich hab da einen Film gemacht, ›Die Furchtbaren von Parma‹ oder so, da wünschte ich, das Negativ würde verbrennen…!«

»Mia aioniotita kai mia mera«: (Nehmen wir an…) Du bist ein griechischer Filmemacher von Weltruf, hast einen grandiosen Film gedreht und bist dafür rechtmäßig mit Filmpreisen überschüttet worden. Dann weißt du irgendwie nicht genau, was du machen sollst. Hast viel Geld, das du in einen Film stecken willst, und alle Freiheiten, aber partout keine Idee. Schließlich schnappst du dir einfach einen europäischen Star-Charakterdarsteller (Bruno Ganz) und lässt ihn einige Tage lang mit einem Hund an der griechischen Küste spazieren gehen. Diesen Gassigang filmst du in 13 Einstellungen und lässt Eleni Karaindrou einen denkwürdigen Soundtrack komponieren, mit dem du den Filmmüll unterlegst. Dein Film ist ganze 135 Minuten lang, der Zuschauer empfindet ihn mehr als doppelt so lang. Du bist zufrieden. In der Werbebroschüre gaukelst du den Cineasten dann noch vor, der etwas hohl geratene Film handle von »der Sinnsuche«, sei »philosophisch und poetisch«. Und schon hagelt’s erneut Filmpreise und Anerkennung. Die ganzen Möchtegern-Intellektuellen von den Filmhochschulen verehren dich demütig und holen sich einen darauf runter, dein »Meisterwerk« gesehen zu haben. Deutscher Titel: »Die Ewigkeit und ein Tag« — sehr treffend.

»Sesso nero«: Der deutsche Vertrieb: »Marc Lester leidet an einer Krankheit, die seinen Penis gefährdet. Ihm bleibt nicht mehr viel Zeit, bis er wie ein Huhn kastriert wird. Gleichzeitig plagen ihn Erinnerungen an die schöne Myra. Doch als sie verschwand, ging das Gerücht um, dass ihr Geist durch einen Voodoo-Meister in eine Flasche verbannt wurde. Die Ungewissheit macht Marc depressiv, wodurch auch seine Fickereien zu leiden haben. Ein Teufelskreis zwischen Voodoo und Sperma zieht sich zusammen wie die Arschrosette einer Eingeborenen: Myra.« — Liest sich eigentlich ganz spaßig, was? Dachte ich auch. Dahinter verbirgt sich eine krude Mischung aus Voodoo-Horror und Hardcore-Porno, die nicht nur langweilig, sondern vor allem menschenverachtend und rassistisch ist. (Irgendwie doppelt gemoppelt, oder? Rassismus ist ja eine Form der Menschenverachtung. Egal.) Deutscher Titel: »Orgasmo Nero III — Schwarze Haut auf weißem Sand«.