Robin Hood und seine tollkühnen Gesellen
Originaltitel: Robin Hood and His Merrie Men; Regie: Ken Annakin; Drehbuch: Lawrence Edward Watkin; Kamera: Guy Green; Musik: Clifton Parker; Darsteller: Richard Todd, Joan Rice, Peter Finch, James Robertson Justice, Martita Hunt. GB 1952.
Nicht der klassische »The Adventures of Robin Hood« (Regie: Michael Curtiz, William Keighley) mit Errol Flynn und Olivia de Havilland war der Robin Hood meiner Kindheit, auch nicht der Zeichentrickfilm von 1973, sondern dieser von Richard Todd gespielte. Es ist der bis heute einzige Robin Hood-Film, der wirklich — zumindest teilweise — im echten Sherwood Forest gedreht wurde. Lange Zeit war die deutsche Version des Films nicht mehr auffindbar gewesen, und 1982 schließlich ließ die ARD diese wunderbare Technicolor-Produktion liebevoll neu synchronisieren. Meine Schwester und ich sahen uns den Film oft auf Video an, wir liebten Bruder Tuck (James Hayter) und die langen schwarzen Haare von Maid Marian alias Joan Rice. Lange hatte ich den Film nicht auftreiben können, erst Anfang 2015 sah ich ihn nach über 20 Jahren wieder. Meine Güte, wie sexy Richard Todd als Robin Hood war! Ob das Disney damals überhaupt bewusst war? Aber kurz zur Handlung. Die unterscheidet sich eigentlich kaum von den anderen Robin Hood-Filmen. Also: Richard Löwenherz (Patrick Barr) zieht mit seinen Mannen zu einem Kreuzzug ins Heilige Land. In seinem Gefolge befindet sich auf der Earl of Huntingdon (Clement McCallin), der seine Tochter Marian in der Obhut der Königsmutter Eleanor (wie immer fabelhaft: Martita Hunt) lässt. Marian ist mit Robin Fitzooth (Todd), dem Sohn des Forstmeisters (Reginald Tate), befreundet, der gerne seinem König in die Schlacht gefolgt wäre — doch dafür ist er leider noch zu jung. Der zwielichtige kleine Bruder Richards, Prinz John (Hubert Gregg) übernimmt während der Abwesenheit seines Bruders dessen Amtsgeschäfte und regiert mit harter Hand. Er plant, seinen Bruder zu entmachten und an dessen Stelle zu treten. Mit seinem Handlanger, dem Sheriff von Nottingham (nicht wiederzuerkennen: Peter Finch!), verbreitet er Angst und Schrecken. Als sein Vater von den Schergen des hinterlistigen Prinzen ermordet wird, versteckt Robin Fitzooth sich im Sherwood Forest. Schon bald schart sich eine Horde aufrechter Männer um ihn, unter ihnen der trinkfeste Bruder Tuck und Little John (James Robertson Justice). Als die Botschaft, dass König Richard Löwenherz von den Habsburgern gefangen genommen wurde, das Land erreicht, sieht Prinz John seine Stunde gekommen. Eleanor und der Erzbischof von Canterbury (Anthony Eustrel) bemühen sich, das verlangte Lösegeld aufzubringen und ahnen gar nicht, mit was für einem Bösewicht sie sich anlegen. Zum Glück sind Robin Hood und seine Bande dem Miesnik mehr als ebenbürtig.
Der vorzüglich besetzte Streifen entstand ab April 1951 in den Denham Film Studios in London und war nach »Treasure Island« (Regie: Byron Haskin) mit Bobby Driscoll der zweite Film, den Disney in Großbritannien drehte. Es war Walt Disneys persönlicher Wunsch, dass die Newcomerin Joan Rice die Rolle der Maid Marian bekam — sehr zum Unmut von Richard Todd, der sich eine erfahrenere Partnerin gewünscht hatte. Rice jedoch erwies sich als Glückstreffer in der Rolle und sollte sich mit insgesamt 16 Kinofilmen bis zum Anfang der 1960er als eine der führenden leading ladies des britischen Kinos etablieren. Richard Todd, der 2009 im Alter von 90 Jahren verstarb und fast bis zum Schluss als Schauspieler aktiv blieb, gab als Robin Hood eine der einprägsamsten Vorstellungen seiner Karriere. »The Story of Robin Hood and His Merrie Men« feierte seine Weltpremiere am 13. März 1952 in London und wurde zu einem der populärsten Streifen der Saison. Auch in den USA, wo der Film kurz darauf unter dem verkürzten Titel »The Story of Robin Hood« anlief, mauserte sich Ken Annakins Inszenierung der klassischen Geschichte zu einem veritablen Hit. Als der Film im September 1952 auch in der Bundesrepublik Deutschland startete, verpasste man ihm den Titel »Robin Hood, Rebell des Königs«. Die Kritik zeigte sich weltweit äußerst wohlgesonnen. Hierzulande schrieb beispielsweise das »Lexikon des internationalen Films«: »Das rustikale Ritterdrama aus der Disney-Produktion bietet Abenteuerromantik und komödiantische Zwischentöne in einer angenehmen Mischung: Kurzweilige Familienunterhaltung.«
Unglücklicherweise ist augenblicklich nur die Import-DVD aus den USA ohne deutsche Tonspur zu beschaffen. Vielleicht erbarmt sich der Disney-Konzern ja alsbald und beglückt uns mit einem deutschen DVD-Release. Wer seine Kinder zweisprachig erzieht und US-DVDs abspielen kann, sei natürlich eingeladen, diese Filmperle im Original zu betrachten.
André Schneider