Filmtipp #595: Heißkalte Nächte

Heißkalte Nächte

Originaltitel: In the Cold of the Night; Regie: Nico Mastorakis; Drehbuch: Nico Mastorakis, Fred Perry; Kamera: Andreas Bellis; Musik: Jerry Grant; Darsteller: Jeff Lester, Adrianne Sachs, Marc Singer, Brian Thompson, Shannon Tweet. USA 1990.

in-the-cold-of-the-night

Nico Mastorakis ist ein Garant für schlechte Filme. 1941 in Griechenland geboren, gelang ihm in seiner Heimat mit »Ta paidia tou Diavolou« (»Die Teuflischen von Mykonos«, 1976) ein blutiger Achtungserfolg, der ihn animierte, in die Vereinigten Staaten überzusiedeln. Im Laufe der Zeit versuchte er sich in allen Genres. Seine besten Filme dürften »The Zero Boys« (1986) und »The Wind« (1986) gewesen sein, und die waren schon nicht berauschend. Bis 2002 war Mastorakis im C-Movie-Bereich recht aktiv, und es gelang ihm auch stets, ein paar gute Namen (im Karrieretief, z. B. Kirstie Alley, Nastassja Kinski oder Oliver Reed) vor die Kamera zu kriegen. Für »In the Cold of the Night« konnte er in den Nebenrollen ein paar namhafte Stars verheizen: David Soul, bekannt aus »Starsky & Hutch«, ist als zwielichtiger Professor zu sehen, Brian Thompson (»Cobra« (Regie: George P. Cosmatos)) spielt auch irgendwas, Playmate Shannon Tweet zeigt sich ein paar Mal oben ohne, der gute John Beck, der seine Glanzzeit in den 1970ern hatte, tritt als Rudy auf und Marc Singer aus dem TV-Mehrteiler »V« hat sogar eine größere Rolle. Für etwa eine Minute ist auch Hitchcock-Star Tippi Hedren mit dabei. (Sie war seinerzeit der Grund, weshalb ich mir den Film überhaupt zugelegt hatte.) Ihre einzige Szene spielt in einem Restaurant, und Mastorakis konnte sich einen mehr als peinlichen Querverweis auf »The Birds« (Regie: Alfred Hitchcock) nicht verkneifen. Hedren sitzt mit ihren Co-Stars auf einer Art Terrasse und lässt sich ein paar Champagner-Trauben schmecken, als hinter ihr Vogelgezwitscher ertönt. Panisch dreht sie sich um, woraufhin sie ihre Filmtochter beruhigt: »It’s alright, mother, it’s only birds.« Dann fügt sie, dem Hauptdarsteller Jeff Lester zugewandt, hinzu: »Mother has this thing about birds.« Ihr seht, der Streifen geizt nicht mit humorigen Einlagen. Der Rest bewegt sich auf ähnlichem Niveau.

Im Grunde genommen handelt es sich bei »In the Cold of the Night« um einen Erotik-Thriller. Nur ist von Erotik keine Spur, und es will auch nicht so recht thrillen. Peggy Lee singt den Titelsong: »Fever«. Damit ist der erotische Zenit schon in den ersten drei Minuten überschritten. Scott (Lester) ist Fotograf. Er lichtet mit Vorliebe Bikini-Schönheiten mit Silikon-Möpsen ab. Ganz der Ära — wir befinden uns in den ganz, ganz späten 1980ern — entsprechend. Wenn Scott mal schläft, träumt er davon, eine hübsche Brünette (Sachs) zu ermorden. Und er ist verständlicherweise baff, als die Frau seiner Alpträume eines Tages plötzlich vor seinem Atelier steht und sich als Kimberly vorstellt. Die beiden bumsen ein wenig, fahren auf ihrem schicken Motorrad durch Los Angeles und essen Kaviar im Garten. Eines Tages würgt Scott seine neue Flamme beim Sex. Nicht, dass das hier Fifty Shades of Grey wäre — Scott befindet sich in einer Art Trance. Damit nicht genug, findet er in Madames Keller auch noch eine Laserdisc mit seinem Alptraum drauf. Die Lösung? Haltet Euch fest: Nach einem Unfall war Scott ein Mikrochip in die Zähne implantiert worden (!), mit dem sein Gehirn manipuliert wird (!!). Ken (Singer), Kimberlys Lover, war für das Experiment verantwortlich. (Das Ende verrate ich Euch aber nicht!)

Klingt bescheuert? Das ist es auch. Und laaaaangweilig! Der Schinken dauert beinahe zwei Stunden! Die ausufernd langen Szenen in Kimberlys Villa wirken wie Senkblei. Das Dekor ist grässlich, das fluoreszierende Wasserbett ist ein Alptraum an und für sich, das Neonlicht gibt dem Ganzen die grelle Erotik einer Leichenhalle. Über das Make-up, die Frisuren und die Klamotten wollen wir erst gar nicht reden. Die prallen Silikon-Hupen drücken sich wie Betonpfeiler ins Objektiv der Kamera. Ein Film seiner Zeit, fürwahr. Und grotesk schlecht gealtert. Als besonderes Leckerli wartet »In the Cold of the Night« mit zwei der wohl übelsten Schauspieler-Leistungen der Filmgeschichte auf, womit er sich das Prädikat »So schlecht, dass es Spaß macht« dann doch noch verdient hat. Adrianne Sachs, ehemalige Miss Brasilien, hatte eine erfrischend kurze Filmkarriere. Nach winzigen Auftritten in »The Stuff« (Regie: Larry Cohen), »RoboCop« (Regie: Paul Verhoeven), »Best of the Best« (Regie: Robert Radler) und »Cat Chaser« (Regie: Abel Ferrara) spielte sie unter Mastorakis’ Ägide ihre erste und gottlob einzige Hauptrolle. In jeder Großaufnahme stellt sie eindrucksvoll unter Beweis, dass da auch weiter nichts zu holen war. Tja, und Jeff Lester wechselte nach einigen TV-Gastauftritten (»Baywatch«, »Seinfeld« u. ä.) auf die andere Seite der Kamera, schrieb Drehbücher und produzierte. Als Scott gibt er eine unsagbar blasse Performance, die selbst von einer Kasperle-Puppe noch in den Schatten gestellt werden könnte. Wobei man fairerweise sagen muss, dass es bei Mastorakis’ furchtbarem Skript praktisch unmöglich gewesen sein dürfte, überzeugend zu agieren.

1990 kam »In the Cold of the Night« auf den deutschen (Video-)Markt, damals noch unter seinem Originaltitel. Bei TV-Ausstrahlungen verpasste man ihm den neuen Namen »Heißkalte Nächte«, und unlängst erschien das Meisterwerk unter dem prickelnden Titel »Blue Passion« bei uns auf DVD. Der Preis liegt bei ca. fünf Euro. Wer keine 160 Euro für die Import-DVD aus den USA hinblättern möchte, dem lege ich den Kauf der hiesigen Veröffentlichung nahe. Viel, viel Spaß! Mit vier Flaschen Sekt dabei werdet Ihr den bestimmt haben. Wem die Filme von Nico Mastorakis gefallen, sollte sich übrigens mal die Machwerke von Klaus Menzel antun, die gehen in eine ganz ähnliche Richtung.

André Schneider