Filmtipp #198: Zeit zu leben und Zeit zu sterben

Zeit zu leben und Zeit zu sterben

Originaltitel: A Time to Love and a Time to Die; Regie: Douglas Sirk; Drehbuch: Orin Jannings; Kamera: Russell Metty; Musik: Miklós Rózsa; Darsteller: John Gavin, Liselotte Pulver [Lilo Pulver], Jack Mahoney, Don DeFore, Keenan Wynn. USA 1958.

a time to love and a time to die

Die Universal hatte schon 1930 mit ihrem frühen Tonfilm »All Quiet on the Western Front« (Regie: Lewis Milestone) einen Roman von Erich Maria Remarque verfilmt und damit einen weltweiten Erfolg verbuchen können. »A Time to Love and a Time to Die« kam weit weniger gut an: In der BRD wollten die im Taumel des Wirtschaftswunders schwelgenden Deutschen nichts von Kriegstrümmern und unbequemer Vergangenheit wissen, das US-amerikanische Publikum konnte sich nicht damit anfreunden, dass das Melodram die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs lediglich aus deutscher Sicht schilderte, dessen bittere Konsequenzen für Deutschland aus amerikanischer Sicht nur allzu gerechtfertigt waren. Bei den namhaften europäischen Kritikern und Filmemachern fand Douglas Sirks letzter Film jedoch wohlwollende Beachtung: »Sirks Film ist schön, weil man an den Krieg denkt, während man die Bilder der Liebe vorüberziehen sieht und umgekehrt.« (Jean-Luc Godard) — Ursprünglich hatten Paul Newman und Marianne Koch die Hauptrollen spielen sollen, doch dann disponierte das Studio um und engagierte die adrette Schweizerin Liselotte Pulver, die mit diesem Streifen 29jährig ihren Einstand in Hollywood gab, und den aufstrebenden US-Mexikaner John Gavin (Midnight Lace, Thoroughly Modern Millie), den die Universal als neuen Rock Hudson aufbauen wollte. Für die kleineren Rollen wurden zudem zahlreiche deutsche Schauspieler mit an Bord geholt, und so waren unter anderem Dieter Borsche, Barbara Rütting, Charles Regnier, Dorothea Wieck, Kurt Meisel, Klaus Kinski, Karl Ludwig Lindt, Lisa Helwig, Ralf Wolter, Agnes Windeck und Erich Maria Remarque selbst mit von der Partie.
     Zum Inhalt: Die endgültige Niederlage des Dritten Reichs steht unmittelbar bevor, an allen Fronten befinden sich die Soldaten auf dem Rückzug. Unter ihnen ist auch Ernst Gräber (Gavin), der überraschend Urlaub erhält und sich auf den Weg in die Heimat macht, um seine Eltern zu besuchen. Die Ankunft im Reich fällt allerdings anders aus als erwartet: Gräbers Geburtsstadt ist zerbombt, seine Eltern sind irgendwohin umquartiert worden. Bei dem Mädchen Elisabeth (Pulver) findet er für die Zeit seines Urlaubs Unterschlupf. Zwischen den beiden entwickelt sich eine zärtliche Liebesgeschichte zwischen Luftschutzkeller und Ruinen. Die beiden heiraten und hoffen auf ein baldiges Ende des Krieges. Doch dann muss Ernst zurück an die Front…

Wie gewohnt drückt Douglas Sirk ganz schön auf die Tränendrüse, und natürlich kann seine Remarque-Adaption ihren Hollywood-Ursprung nicht verleugnen. Der Streifen ist ein wenig zu angekitscht und in vielen Passagen nicht überzeugend genug, um als realistischer Antikriegsfilm durchzugehen. Dennoch gelangen dem Regisseur einige verdammt eindringliche und bewegende Sequenzen, deren Höhepunkt die Bilder des Bombenterrors sind, die mit beachtlichem pyrotechnischen Aufwand in den Trümmerwüsten Berlins entstanden — jener Stadt, die Sirk fast 20 Jahre zuvor als Detlef Sierck verlassen musste. Das Wiedersehen mit der Stadt, in der seine Karriere begonnen hatte, war verständlicherweise von gemischten Gefühlen begleitet und entbehrte nicht einer gewissen Traurigkeit, die sich angesichts der Trümmerberge einstellte, die zwölf Jahre nach Kriegsende immer noch in weiten Teilen das Stadtbild bestimmten.

André Schneider

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