Filmtipp #582 & #583: Happy End im September & Ein Pyjama für zwei

Einige Schnulzen unter der Regie von Douglas Sirk, eine Oscarnominierung für Giant und schließlich der Riesenerfolg mit Pillow Talk: die 1950er hatten aus Roy Harold Scherer Jr., besser bekannt als Rock Hudson, einen der größten Stars der Traumfabrik gemacht. (Bei etwa zwei Metern Körpergröße ist dies sogar im doppelten Wortsinne wahr.) Es war ein langer Weg für den ehemaligen Lastwagenfahrer mit Sprachproblemen: Sein einziger Satz in seinem ersten Film »Fighter Squadron« (Regie: Raoul Walsh) brauchte sage und schreibe 38 Takes, bis er endlich im Kasten war. Anfangs hielt wohl niemand große Stücke auf den gutaussehenden Burschen. Mit einer gehörigen Portion Ehrgeiz und der Hilfe einer geduldigen Sprecherzieherin namens Miss Cunningham kam Roy alias Rock schließlich bei Universal unter Vertrag. Um seine Homosexualität zu kaschieren, arrangierte sein Manager eine Ehe mit der Sekretärin Phyllis Gates, die 1955 geschlossen wurde. — Nach dem sensationellen Erfolg von Pillow Talk konnte Hudson sich seine Projekte (weitgehend) selbst aussuchen. Zwischen 1961 und 1971 entstanden nicht weniger als 18 Filme mit ihm als Star, von der Salonkomödie bis hin zum Spionagethriller war alles dabei. Allein 1961 liefen drei Hudson-Filme in den US-amerikanischen Kinos an. Den Anfang machte der romantische Western »The Last Sunset« (Regie: Robert Aldrich), in welchem er Seite an Seite mit Kirk Douglas, Joseph Cotten und Dorothy Malone spielte. Nur zwei Monate später startete »Come September«, gefolgt von »Lover Come Back« im Dezember 1961. Um diese Komödien, beide aus der Feder des Pillow Talk-Autoren Stanley Shapiro, soll es heute gehen.

Happy End im September

Originaltitel: Come September; Regie: Robert Mulligan; Drehbuch: Stanley Shapiro, Maurice Richlin; Kamera: William H. Daniels [William Daniels]; Musik: Hans J. Salter; Darsteller: Rock Hudson, Gina Lollobrigida, Sandra Dee, Bobby Darin, Walter Slezak. USA 1961.

Ausschließlich an Originalschauplätzen in Mailand, Portofino, Ostia, Rom und am Lago di Albano gedreht, trumpft »Come September« vor allem mit den beträchtlichen Schauwerten Italiens. Die Story mag aus heutiger Sicht etwas altbacken und angestaubt erscheinen, aber die Aufnahmen sind nach wie vor ein Augenschmaus, die Besetzung hochkarätig und das Flair so leicht und fluffig, dass man Appetit auf mehr bekommt.

Hudson spielt den amerikanischen Geschäftsmann Robert Talbot, der eine schmucke Villa in Italien besitzt, wohin es ihn einmal jährlich verschlägt, üblicherweise im September. Er verbringt den ganzen Monat dort und ist dann wieder für elf Monate in den Staaten. Seine italienische Freundin Lisa Fellini (Lollobrigida) hat das lange genug mitgemacht und steht im Begriff, einen furztrockenen Engländer (Ronald Howard) zu ehelichen, als Robert telefonisch ankündigt, dieses Jahr ein paar Monate früher nach Portofino zu reisen. Natürlich wird Lisa wieder schwach. Sie lässt den englischen Verlobten sitzen und freut sich auf ihren »Roberto«. Dessen Ankunft bringt allerdings die Geschäfte seines Verwalters Maurice (Slezak) durcheinander. Der hat nämlich die Villa seines Arbeitgebers für elf Monate im Jahr zu einem Luxushotel umfunktioniert — ohne diesen davon in Kenntnis zu setzen. Augenblicklich gastiert eine Gruppe junger Amerikanerinnen mitsamt einer englischen Anstandsdame (Brenda de Banzie) in Talbots Villa, und die Zeit reicht nicht, sie vor die Tür zu setzen. Maurice gerät ganz schön in Zugzwang. Eine Gruppe junger Männer (u. a. Bobby Darin und Joel Grey), die ein Auge auf die hübschen jungen Damen im »Hotel« geworfen haben, sorgen für zusätzliche Komplikationen…

Aufgrund der zum Teil schwierigen Wetterverhältnisse zogen sich die Dreharbeiten ungewöhnlich lange hin: Fast ein Jahr verbrachte das US-amerikanische Team in Italien. Sandra Dee und Bobby Darin verliebten sich in dieser Zeit ineinander und heirateten kurz darauf. Gina Lollobrigida sieht in den von Morton Haack für sie maßgeschneiderten Kostümen einfach fabelhaft aus, Hudson guckt meist erstaunt aus der Wäsche, macht aber als charmanter Salonlöwe eine gute Figur. Brenda de Banzie ist mal wieder ziemlich unterfordert, hat aber einen possierlichen blauen Wellensittich namens Don Carlos an ihrer Seite, der uns einige Lacher schenkt. Die meisten Gags aber liefert der heimliche Star des Films: Walter Slezak ist als liebenswerter Schlawiner einfach großartig. Der gebürtige Österreicher hatte es in den USA zu einer beachtlichen Karriere gebracht, sowohl am Broadway als auch in Hollywood mit Regisseuren wie Leo McCarey, Alfred Hitchcock, Jean Renoir, Vincente Minnelli und Robert Wise. Leider machte ihm seine Gesundheit sehr zu schaffen und zwang ihn 1980 dazu, kürzer zu treten. Entmutigt von seinen vielen Maläsen, nahm er sich kurz vor seinem 81. Geburtstag mit einem Kopfschuss das Leben. — Alles in allem ist »Come September« gut gealtert, Situationskomik und Tempo halten auch heute noch den Ansprüchen stand, so dass die Komödie auch 2018 noch beste Unterhaltung fürs Wochenende bietet.

Ein Pyjama für zwei

Originaltitel: Lover Come Back; Regie: Delbert Mann; Drehbuch: Stanley Shapiro, Paul Henning; Kamera: Arthur E. Arling; Musik: DeVol; Darsteller: Rock Hudson, Doris Day, Tony Randall, Edie Adams, Jack Oakie. USA 1961.

Das bewährte Rezept von Pillow Talk wurde hier kaum verändert. Viele Situationen, sogar einige Dialoge scheinen direkt aus dem Vorgänger-Film übernommen worden zu sein. Das schmälert die Freude, die »Lover Come Back« macht, jedoch keineswegs. Die Klamotte ist und bleibt einfach eine Wucht, ein wahres Gag-Feuerwerk vom Feinsten. Das Drehbuch wurde sogar für einen Oscar vorgeschlagen. Der Routinier Delbert Mann inszenierte schnörkellos und straff und gab dem Kameramann Arthur Arling die Weisung, bei Großaufnahmen von Frau Day, die damals schon gut 40 Jahre alt war, einen soft focus zu benutzen. Sie wirkt immer etwas unscharf, als habe man das Objektiv mit Vaseline bestrichen, aber irgendwie hat das was. Das Trio Hudson-Day-Randall ist bestens aufgelegt und erfährt durch hochkarätige Akteure wie Jack Kruschen, Ann B. Davis, Edie Adams, Howard St. John, Jack Albertson, Donna Douglas, Joe Flynn, Richard Deacon und Jack Oakie beste komödiantische Unterstützung. Doris Day schwärmte noch Jahre später: »Das ist ein Film, der zu meinen schönsten Erinnerungen zählt. Wir hatten alle viel Spaß.«

Der Schauplatz ist einmal mehr New York. Diesmal befinden wir uns in der Werbebranche. Jerry Webster (Hudson) und Carol Templeton (Day) sind Rivalen und hassen einander, ohne sich jemals auch nur über den Weg gelaufen zu sein. Webster zieht seine Aufträge mit billigen Tricks an Land, während Carol ihre Klienten mit Fleiß und Können zu ködern versucht. Unnötig zu sagen, dass Jerry mehr Erfolg hat. Nach einer seiner Eskapaden zeigt Carol den unmoralischen Jerry beim Werbefachverband an, doch anstatt persönlich zu erscheinen, schickt er die Schauspielerin Rebel Davis (Adams) zum Komitee, um dort für ihn zu sprechen. Dafür gibt er ihr eine Rolle in einem Werbespot für ein Produkt namens VIP — das allerdings gar nicht existiert. Durch ein blödes Versehen wird der Spot jedoch im Fernsehen ausgestrahlt, und die Menschen fragen sich, was VIP eigentlich ist. Um nicht aufzufliegen, muss Jerry also schleunigst ein Produkt finden, und so beauftragt er den Chemiker Dr. Linus Tyler (Kruschen), VIP zu erfinden. Unterdessen hat Carol selbst Nachforschungen angestellt, um herauszufinden, was VIP ist; sie möchte Jerry den Auftrag für die Werbung abluchsen. Als sie im Labor des Wissenschaftlers auftaucht, ist Jerry zufällig dort und gibt sich kurzentschlossen als Dr. Tyler aus. Was nun folgt, kann man sich denken: Verwicklungen, Verstrickungen, Verliebtheit und Happy End zum Schluss.

Doris Day singt das Titellied »Lover Come Back« und die Schmacht-Ballade »Should I Surrender« und wiederholt ansonsten all das, was sie in ihren anderen Komödien auch macht: Sie reißt die Augen auf oder kneift sie zusammen, stampft entrüstet mit den Füßen auf oder lässt ein empörtes »Uuuuuuhhhh!« erklingen. Ihr pikierter Gesichtsausdruck allein macht die Posse schon sehenswert. Herzallerliebst. Dazu kommt die brillante Synchronarbeit von Edith Schneider — herrlich! Hudson ließ man in einigen Szenen mit einem Vollbart auftreten, was seinerzeit äußerst gewagt war, da es nicht der gängigen Mode entsprach. (Heute wäre das Publikum aus dem Häuschen vor Freude.) Am Ende des Films bieten zwei Männer von der Spirituosenindustrie dem verblüfften Hudson übrigens zwölf Millionen Dollar pro Jahr dafür an, VIP vom Markt zu nehmen — heute wären das umgerechnet unglaubliche 97.122.494 Dollar jährlich!

 

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