Filmtipp #745: L – Der Lautlose

L — Der Lautlose

Originaltitel: The Liquidator; Regie: Jack Cardiff; Drehbuch: Peter Yeldham; Kamera: Edward Scaife [Ted Scaife]; Musik: Lalo Schifrin; Darsteller: Rod Taylor, Trevor Howard, Jill St. John, Wilfrid Hyde-White [Wilfrid Hyde White], David Tomlinson. GB 1965.

Der smarte Australier Rodney Taylor, Jahrgang 1930, war in den Fünfzigern nach Hollywood gekommen und spielte sich in etlichen Nebenrollen (u. a. neben Liz Taylor, Deborah Kerr und Shirley MacLaine) nach und nach in die A-Liga, bevor er 1960 mit »The Time Machine« (Regie: George Pal) endlich zum Star wurde. In den Folgejahren arbeitete er für Disney und Hitchcock, drehte Abenteuerfilme in Italien, verlobte sich mit Anita Ekberg und führte die TV-Serie »Hong Kong« (1960/61) zum Erfolg. Nach »The Birds« (1963) war Taylor gefragt wie nie, drehte in rascher Folge Sunday in New York, The V.I.P.s und »The Gathering of Eagles« (Regie: Delbert Mann, mit Rock Hudson) und konnte sich fortan seine Rollen aussuchen. Er war ein Star, wurde aber aus irgendeinem Grund schauspielerisch nie ganz ernst genommen; seine ca. 1967 gefällte Entscheidung, fast ausschließlich in Actionfilmen aufzutreten, war diesbezüglich sicher kein schlauer Schachzug. Für die zwischen April und Juli 1965 in England gedrehte Mixtur aus Agententhriller und Actionkomödie »The Liquidator« erhielt er zwar hervorragende Kritiken, aber insgesamt war der Streifen weder künstlerisch noch kommerziell ein Erfolg: »Die Geschichte hat zwar mehr Löcher als ein Schweizer Käse, aber das Tempo ist durchweg rasant. Der Film ist in vielen Passagen recht komisch, aber es scheint so, als ob sich die Schauspieler dabei mehr amüsieren als die Zuschauer«, kritisierte der »Motion Picture Movie Guide«. Als Spion wider Willen musste sich Rod Taylor mit Sean Connery, Michael Caine, James Coburn, Dean Martin und Robert Vaughn messen, die allesamt in diesen Jahren als Geheimagenten Furore machten (oder es versuchten). Überhaupt wagte sich Regisseur Jack Cardiff weit in Bond-Gefilde, als er Shirley Bassey für den Titelsong anheuerte.

Boysie Oakes (Taylor) ist wenig heldenhaft und noch weniger geschickt. Während des Zweiten Weltkriegs hatte er einem einflussreichen Colonel (Howard) einst das Leben gerettet, der sich nun in Zeiten des Kalten Krieges seines Retters erinnert und ihn mit schicken Autos, Luxusapartments und heißen Frauen ausstattet, damit Oakes in der Funktion eines Auftragskillers missliebige Subjekte aus dem Weg räumen soll. Jedoch ist Oakes beim besten Willen nicht zum Töten fähig, sodass er seinerseits einen Mörder engagiert, der für ihn die Drecksarbeit erledigt. Das geht zwar ein Weilchen gut, doch dann wird Oakes eines schönen Tages unversehens in einen Fall verstrickt, aus welchem er sich nicht so leicht ausklinken kann…

Die Zensoren in England befahlen Cardiff, einen von Taylors ersten Sätzen im Film zu entfernen. Dieser lautete: »It smells like a Turkish wrestler’s jockstrap.« Frech, frech, nicht wahr? Darüber hinaus gab es erhebliche Probleme zwischen MGM und dem Produzenten Leslie Elliot, die gerichtlich ausgefochten werden mussten, sodass sich der Kinostart von »The Liquidator« verzögerte. Dies sei einer der Gründe für den finanziellen Misserfolg gewesen, meinte Cardiff. (Der Film spielte in den USA weniger als zwei Millionen Dollar ein.) Es lohnt sich, dem schwungvollen Streifen eine Chance zu geben, denn er ist wirklich ein Fest für Auge und Ohr. Darüber hinaus geben sich viele namhafte Charakterdarsteller ein Stelldichein: Eric Sykes, John Le Mesurier, Akim Tamiroff, Jeremy Lloyd, Wilfrid Hyde-White, Betty McDowall und Barbara Jefford unterstützen die Stars Taylor und Howard wirklich fabelhaft. Als weibliche Blickfänger agieren neben der rassigen Jill St. John (die 1971 neben Sean Connery in einem echten Bond-Film zu sehen sein sollte) Gabriella Licudi, Suzy Kendall, Jennifer Jayne sowie die unlängst verstorbene Louise Dunn.

André Schneider