Filmtipp #110: Spion in Spitzenhöschen

Spion in Spitzenhöschen

Originaltitel: The Glass Bottom Boat; Regie: Frank Tashlin; Drehbuch: Everett Freeman; Kamera: Leon Shamroy; Musik: DeVol; Darsteller: Doris Day, Rod Taylor, Arthur Godfrey, John McGiver, Paul Lynde. USA 1966.

The Glass Bottom Boat

Zu Doris Days 88. Geburtstag gratulierte ich ihr mit Midnight Lace, zum diesjährigen 89. Wiegenfest ist es diese spritzige und flott umgesetzte Parodie auf die Agententhriller der sechziger Jahre.
     Der Film beginnt mit malerischen Aufnahmen von Catalina Island, wo Doris Day als schnuckelige Witwe Jennifer Nelson ihr Sekretärinnengehalt aufbessert, indem sie als Touristenattraktion im Meerjungfrauenkostüm durchs Meer schwimmt. Ihr Vater, gespielt von Arthur Godfrey, betreibt hier ein Glasbodenausflugsboot, dem der Film seinen Originaltitel verdankt, und Miss Day hilft ihm als gute Tochter natürlich gerne. Mit ihrem Meerjungfrauenschwanz verheddert sie sich am Angelhaken des Weltraumforschers Bruce Templeton (Taylor) — ohne zu wissen, dass er ihr Chef ist — und beschimpft ihn wüst.
     Nach diesem spaßigen Auftakt begegnen wir unserer charmanten Heldin an ihrem Arbeitsplatz: einem Raumfahrtlabor der NASA, wo Jennifer durch eine Verkettung unglücklicher Umstände — unter anderem hört ihr Hund auf den suspekten Namen Wladimir — in den Verdacht gerät, eine russische Spionin zu sein. Ihre beherzten Versuche, sich von diesen ungeheuren Vermutungen rein zu waschen, kulminieren in haarsträubenden Verwicklungen und Wirrungen. Dass sich der smarte Templeton (natürlich!) auch noch in die trottelig-liebenswerte Blondine verliebt hat und mit ausgesprochen unorthodoxen Methoden versucht, sie für sich zu gewinnen, simplifiziert die Sache nicht gerade. Als auch noch einige übergeschnappte echte Spione die Szenerie betreten, um Templetons neue Geheimformel zu stehlen, ist das Chaos perfekt.

Der ehemalige Cartoonist Frank Tashlin inszenierte das herrliche Durcheinander mit angemessener Holzhammermethode und nimmt alles auf die Schippe, was ihm vor die Kamera kommt — von den ausgeflippten Tarnverkleidungen der Möchtegernspione bis hin zum Knopfdruck-Chaos in Rod Taylors futuristischer Küche. Dom De Luise hat das sichtlich große Vergnügen, eine der brachialsten Tortenszenen der Filmgeschichte innezuhaben, und der unvergleichliche Paul Lynde gibt eine bravouröse Vorstellung im Fummel. Dick Martin, Edward Andrews und Eric Fleming sind in weiteren Nebenrollen dabei. Doris Day, die einmal sogar als Mata Hari zu bewundern ist, singt neben dem schmissigen Titelsong auch ihren Evergreen »Que Sera, Sera« und die softe Ballade »Soft as the Starlight«.
     »The Glass Bottom Boat« wurde der letzte wirklich gute Film der Day. Mit Regisseur Tashlin drehte sie später noch den thematisch nicht unähnlich gelagerten, jedoch weitaus weniger unterhaltsamen »Caprice« (1967). Nach der Lektüre des Drehbuches soll sie zu ihrem Mann (und Produzenten) Martin Melcher gesagt haben: »Gottlob müssen wir keine Filme wie diesen hier mehr machen!« Und er, der die Vollmacht hatte, Deals in ihrem Namen abzuschließen, erwiderte trocken: »Du wirst ihn machen. Ich habe die Verträge bereits unterzeichnet.« So entstanden ab Mitte der Sechziger fünf mehr oder weniger zweitklassige Streifen, die Doris Day eigentlich gar nicht hatte drehen wollen. (Die anderen vier waren: »Do Not Disturb« (Regie: Ralph Levy, ebenfalls mit Rod Taylor), die Emanzipations-Spätwesternkomödie »The Ballad of Josie« (Regie: Andrew V. McLaglen), »Where Were You When the Lights Went Out?« (Regie: Hy Averback) und schließlich »With Six You Get Eggroll« (Regie: Howard Morris).) 1968 zog sie sich im Alter von 44 Jahren aus dem Filmgeschäft zurück, musste nach Melchers Tod jedoch noch in einer Fernsehserie mitwirken, da er a) auch hierfür bereits einen Vertrag in ihrem Namen (und ohne ihr Wissen) abgeschlossen und b) ihre bisherigen Gagen schlecht angelegt hatte, so dass sie praktisch bankrott war.

André Schneider