Filmtipp #569: Topkapi

Topkapi

Originaltitel: Topkapi; Regie: Jules Dassin; Drehbuch: Monja Danischewsky; Kamera: Henri Alekan; Musik: Manos Hatzidakis [Manos Hadjidakis]; Darsteller: Melina Mercouri, Peter Ustinov, Maximilian Schell, Robert Morley, Jess Hahn. USA 1964.

topkapi

Der letzte Film des Jahres sollte — genauso wie der erste — mit ganz besonderer Sorgfalt ausgesucht werden. Sicher, unterm Strich sind dies Tage wie alle anderen auch, aber für mich haben sie dennoch eine gewisse Qualität. Der erste Song des neuen Jahres ist übrigens ebenso wichtig. Ich finde, damit stimmt man den Ton fürs neue Jahr gewissermaßen an. Am 31. Dezember schaue ich mir für gewöhnlich einen meiner Herzensfilme an. Dieses Jahr habe ich mir nun also »Topkapi« herausgefischt, einen Klassiker von Jules Dassin, einem Regisseur, der zeitlebens unterschätzt blieb und für mich seit jeher zu den ganz Großen seiner Zunft gehört. Ich wollte hier schon längst eine kleine Dassin-Reihe vorgestellt haben, aber es kam immer etwas dazwischen; immerhin habe bereits Brute Force und 10:30 P.M. Summer besprochen.

Mit »Du rififi chez les hommes« (1955) hatte Dassin ein ganz neues Genre, das caper movie, aus der Taufe gehoben: Planung und Durchführung scheinbar unmöglicher Coups stehen im Mittelpunkt dieser Filme, die sich besonders in den 1960er Jahren größter Beliebtheit erfreuten. »Du rififi chez les hommes« war für Dassin, der gerade aus den USA nach Frankreich geflohen war, ein Triumph gewesen. Mit diesem Film hatte er sich in Europa etabliert. Es sollte nicht der letzte Neuanfang für den damals 44jährigen bleiben. — Mit »Topkapi« lieferte er eine amüsante und dabei hochspannende Parodie auf seinen früheren Film ab. Schon 1963 sollte der Film mit Richard Widmark, Peter Sellers und Orson Welles gedreht werden, dann übernahmen Maximilian Schell, Peter Ustinov und Robert Morley deren Rollen. Gedreht wurde in Istanbul und Umgebung sowie in der Hafenstadt Kavala in Griechenland. Zu dem Heimatland seiner Ehefrau und Hauptdarstellerin Melina Mercouri, die in »Topkapi« bereits zum fünften Mal unter seiner Ägide auftrat, hatte Dassin eine ganz besondere Beziehung. (Er starb 2008 in Athen.)
Mercouri spielt mit Nonchalance eine nymphomanische Kleptomanin — oder eine kleptomanische Nymphomanin? So ganz genau muss man das nicht nehmen, »Topkapi« geht mit viel Selbstironie und Augenzwinkern zur Sache. Die aparte Diebin nennt sich Elizabeth Lipp — freilich ein erfundener Name — und hat es sich in den Kopf gesetzt, einen wertvollen Dolch aus dem streng bewachten Topkapi-Museum in Istanbul zu stehlen. Gemeinsam mit dem Gentleman-Gauner Walter (sexy: Schell) und dem beleibten Engländer Cedric Page (Morley) plant sie den Bruch genau. Der Plan zur Überwindung der Alarmanlage ist geradezu perfekt eingefädelt, doch einige trottelige Helfershelfer wie der windige Fremdenführer Arthur Simon Simpson (Ustinov) sorgen für heikle Komplikationen. Das Ende wird hier nicht verraten, wohl aber, dass Akim Tamiroff als Koch eine umwerfend komische Darbietung abliefert und der junge Gilles Ségal als Giulio mit seiner Physis und Akrobatik beeindruckt. Peter Ustinov erhielt für seinen Auftritt seinen zweiten Oscar und bezeichnete die Figur des Arthur Simpson zeitlebens als seine Lieblingsrolle.
Ein Großteil der Aufnahmen entstand tatsächlich vor Ort im wunderschönen Topkapi-Museum; die Technicolor-Bilder sind durchweg ein Augenschmaus (wie immer bei Dassin). Es gibt ein paar lustige Seitenhiebe auf »Never on Sunday« (1960), das Drehbuch ist ausgezeichnet und das Hauptdarsteller-Quintett in allerbester Spiellaune. Neben Ustinovs Oscar gewann der Film u. a. den Nationalen Kritikerpreis der Vereinigten Staaten und war außerdem noch für zwei Golden Globes nominiert (Mercouri, Ustinov). »Topkapi« ist herrlich gealtert. Heute, 53 Jahre später, beschert ihm der nostalgische Charme noch einen Mehrwert, der kaum zu toppen ist. Ein wahrlich würdiger Streifen, um das Jahr ausklingen zu lassen.

Und damit wünsche ich Euch allen einen GUTEN RUTSCH!

André Schneider