Filmtipp #758: Herr Satan persönlich!

Herr Satan persönlich!

Originaltitel: Mr. Arkadin/Confidential Report; Regie: Orson Welles; Drehbuch: Orson Welles; Kamera: Jean Bourgoin; Musik: Paul Misraki; Darsteller: Robert Arden, Orson Welles, Michael Redgrave, Akim Tamiroff, Paola Mori. Frankreich/Spanien/Schweiz 1955.

Der US-Amerikaner Guy Van Stratten (Arden) hält sich in Europa als Zigarettenschmuggler und anderes über Wasser. Eines Nachts wird er Zeuge eines Mordes. Der Sterbende, ein Mann namens Bracco (Grégoire Aslan), erzählt Van Stratten vor seinem Ableben, dass der Name Arkadin der Schlüssel zu einem Vermögen sei. Der windige Van Stratten ist an dem angeblichen Schatz interessiert und stößt bei seinen Recherchen tatsächlich auf einen Mann dieses Namens: Gregory Arkadin (Welles) ist ein Multimillionär und Geschäftsmann, der in den höchsten Kreisen verkehrt und Van Stratten ein stolzes Sümmchen dafür bietet, in seiner Vergangenheit zu kramen: Er habe für die Zeit vor 1927 jede Erinnerung verloren und bittet Guy herauszufinden, was er in diesem Zeitraum getrieben hat. Auf seinen Reisen erfährt der Detektiv, dass es sich bei seinem Auftraggeber um einen menschenverachtenden Waffenhändler und Mädchenschmuggler handelt. Zu spät erkennt er, dass er nur eine Marionette in Arkadins teuflischem Plan war, die Mitwisser seiner schrecklichen Vergangenheit aufzuspüren und zu ermorden…

Genüsslich spielt Welles nach seinen Darstellungen als Kane, Macbeth, Othello und Harry Lime in diesem faszinierenden Thriller die Rolle eines durch und durch perfiden Monsters, das zugegebenermaßen etwas zu schablonenhaft geraten ist. Diese Darstellung sollte er als Quinlan in seinem nächsten Film »Touch of Evil« (1958) noch übertreffen. Inspiration für das Drehbuch soll Welles in der Tat durch seine Rolle in The Third Man gefunden haben. Auch der echte Waffenhändler Basil Zaharoff stand für die Arkadin-Figur Pate. Zaharoff war ebenfalls von mysteriöser Herkunft und besaß (wie Arkadin) ein Schloss in Spanien. Strukturell orientiert sich »Mr. Arkadin« ziemlich an Citizen Kane: Auch hier werden in ausufernden Rückblenden das Geheimnis eines Mannes und seiner Taten in einer lang zurückliegenden Zeit decouvriert. Die filmischen Gestaltungsmittel werden von Welles und seinem Kameramann Jean Bourgoin hierbei fulminant genutzt — bereits in den ersten Minuten packt »Mr. Arkadin« den Zuschauer mit originell ausgesuchten Einstellungen, schnellen Schnitten (Schnitt: Renzo Lucidi, William Morton und Orson Welles) und einer raffinierten Lichtsetzung.

Nach einigen Flops in seiner amerikanischen Heimat war es für Welles schwer geworden, Geldgeber für seine Projekte zu finden. »Mr. Arkadin« entstand als Co-Produktion verschiedener europäischer Länder in München, Madrid, London, Italien, Frankreich und in der Schweiz. Die Dreharbeiten waren nach acht Monaten (!) im August 1954 beendet, doch die Post-Produktion, vor allem der Schnitt, zog sich zu lange hin, was den Produzenten Louis Dolivet verständlicherweise nervös werden ließ. Am Ende entriss er Welles das Projekt und nahm die Fertigstellung selbst in die Hände. Das Resultat: Bis heute kursieren neun (!) Schnittfassungen von »Mr. Arkadin«, deren Lauflängen zwischen 92 und 106 Minuten variieren. Keine dieser Fassungen wurde von Welles abgesegnet oder gar akzeptiert. Der Filmemacher bezeichnete den Verlust der künstlerischen Kontrolle bei diesem Projekt als größtes Desaster seiner beruflichen Laufbahn. (Unlängst erschien der Streifen in einer 94minütigen Fassung beim österreichischem Label NSM Records als BluRay und DVD.) Nach seiner Uraufführung im Sommer 1955 war »Mr. Arkadin« ein totaler Reinfall. Selbst Kritiker, die Welles bis dato gewogen waren, fanden bestenfalls bemitleidende Worte. Angesichts seiner unleugbaren Qualitäten ist das schwer zu begreifen.
Für »Mr. Arkadin« stand Orson Welles eine ganze Schar erstklassiger Schauspieler zur Verfügung, die gewillt waren, ohne Gage für den Meister zu arbeiten: Michael Redgrave, Mischa Auer, Peter van Eyck, Suzanne Flon, Akim Tamiroff, Gert Fröbe, Gustavo Re, Patricia Medina (als Guy Van Strattens unglückselige Freundin), Katina Paxinou und die junge Gräfin Paola Di Girifalco alias Paola Mori, die im Film Arkadins Tochter verkörperte und im wahren Leben noch während der Dreharbeiten Welles’ dritte Ehefrau wurde.

André Schneider

2 thoughts on “Filmtipp #758: Herr Satan persönlich!

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