Filmtipp #759: Der Freund meiner Freundin (Komödien und Sprichwörter #6)

Der Freund meiner Freundin

Originaltitel: L’ami de mon amie; Regie: Éric Rohmer; Drehbuch: Éric Rohmer; Kamera: Bernard Lutic; Musik: Jean-Louis Valéro; Darsteller: Emmanuelle Chaulet, Sophie Renoir, Anne-Laure Meury, Eric Viellard, François-Eric Gendron. Frankreich 1987.

»Les amis de mes amis sont mes amis.« — Dieses berühmte Sprichwort, das dem Film vorangestellt wurde, wird von Rohmer in genüsslicher Weise ad absurdum geführt. Die Heldin des Films ist eine etwas schüchterne Verwaltungsangestellte namens Blanche (Chaulet) und lebt in Cergy-Pontoise, einer Trabantenstadt ca. 30 Kilometer nordwestlich von Paris. Sie schließt Freundschaft mit der lebensfrohen Léa (Renoir) und deren Freund, dem ruhigen Fabien (Viellard). Léa und Fabien scheinen keine gemeinsamen Interessen zu haben; Léa meint sogar, sie würden besser ohneeinander zurechtkommen. Das Trio wird zum Quartett, als der notorische Womanizer Alexandre (Gendron) zu ihnen stößt. Dieser ist locker mit Adrienne (Meury) zusammen, macht allerdings Léa schöne Augen, während Blanche, die sich ernsthaft für ihn interessiert, zu zurückhaltend ist, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Dies ist die Ausgangssituation. Nun beginnt die eigentliche Geschichte: Um ihre Beziehung mit Fabien einer Probe zu unterziehen, verreist Léa übers Wochenende. Blanche möchte die Zeit nutzen, um Alexandre näher zu kommen, trifft aber fortwährend nur auf den verlassenen Fabien. Die beiden verabreden sich zum Windsurfen und kommen einander näher. Es kommt zu einem Kuss, später zu einer gemeinsamen Nacht. Am nächsten Morgen einigen sie sich darauf, dass das nicht wieder passieren darf — schließlich sind Freunde von Freunden tabu! Léa kommt zurück und möchte ihre Beziehung neu beleben. Sie gibt sich Mühe, Alexandre für Blanche zu begeistern, doch dieser hat nur Augen für sie. Allmählich erliegt sie seinem Werben, während Blanches Interesse an Alexandre einer Verliebtheit in Fabien gewichen ist, den sie nun zum ersten Mal seit der gemeinsamen Nacht wiedersieht… — Am Ende haben sich die Paare aufgelöst und in veränderten Konstellationen neu formiert, die sich am Ende an einem See plötzlich gegenüberstehen. Nur die Farbe ihrer Kleidung verrät noch die Ausgangsformation.

Der sechste und letzte Teil des Rohmer’schen »Comédies et proverbes«-Zyklus ist mein ganz persönlicher Liebling. Der US-Kritiker Vincent Canby adorierte das Werk folgendermaßen: »›L’ami de mon amie‹ erscheint so rein und funktional wie die Satellitenstadt, aber er ist voller unerwarteter Vergnügen. […] Ein Freund beschwerte sich nach dem Presse-Screening, der Film müsse 16 Stunden lang gewesen sein. […] Tatsächlich sind es 102 Minuten, und sie sind alle wunderbar.«
Die Sorgfalt, mit der Rohmer bei »L’ami de mon amie« zu Werke ging, ist einfach grandios! Zu nennen wäre beispielsweise die ausgefeilte Farbdramaturgie mit ihren dominierenden Grau- und Blautönen, welche den gesamten Film durchziehen und am Ende als Schlusstableau die ursprünglichen Paare markieren. Dem Vierecksverhältnis seiner Geschichte wollte Rohmer durch die Wahl eines geeigneten Schauplatzes entsprechen. Nach längerer Suche entschied er sich für Cergy-Pontoise. Die geometrisch-symmetrische Anordnung des Städtchens empfand er als eine Ergänzung zur Personenkonstellation der Handlung. »L’ami de mon amie« ist angelegt wie eine geometrische Patience, die »Les quatre points« genannt wird: Fünf Personen streiten um vier Ecken, ehe das Spiel am Schluss mit veränderter Konstellation Auflösung findet. Mit Sophie Renoir (einer Großnichte Jean Renoirs) und Anne-Laure Meury arbeitete Rohmer hier mit zwei seiner favorisierten Schauspielerinnen zusammen. »L’ami de mon amie« ist einfühlsam und pointiert, brillant gedichtet und beeindruckend in seiner Schauspielührung. Er wurde 1988 für zwei Césars (Bestes Drehbuch, Beste Nachwuchsschauspielerin) nominiert und gewann beim Faro Island Film Festival den Golden Train Award für die Beste Regie.

Siehe auch:
Filmtipp #686: Die Frau des Fliegers (Komödien und Sprichwörter #1)
Filmtipp #698: Die schöne Hochzeit (Komödien und Sprichwörter #2)
Filmtipp #741: Pauline am Strand (Komödien und Sprichwörter #3)
Filmtipp #750: Vollmondnächte (Komödien und Sprichwörter #4)
Filmtipp #751: Das grüne Leuchten (Komödien und Sprichwörter #5)

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