Filmtipp #62 & #63: Geheimnis hinter der Tür & Das Todeshaus am Fluss

Fritz Lang war mit Sicherheit einer der innovativsten Regisseure seiner Zeit. Visuell ist ausnahmslos jeder seiner Filme auch heute noch überwältigend, seine Meisterwerke »Metropolis« (1927) und »M« (1931) sind aus der Filmgeschichte nicht wegzudenken. Seine Arbeiten bildeten die Blaupausen für die Werke späterer Meister: Hitchcock, Buñuel, Welles wären ohne Lang nicht vorstellbar gewesen. Kein anderer deutschsprachiger Filmemacher aus dieser Zeit — nicht einmal G. W. Pabst oder Robert Wiene — war so wegweisend. Als die Nazis die Macht übernahmen, musste wie so viele andere auch er seinen Hut nehmen und sich ein neues Leben im Exil aufbauen. In Frankreich und Hollywood drehte er bis 1956 an die 25 Filme unterschiedlichster Genres, mal mehr, mal weniger erfolgreich, stets aber interessant anzuschauen. Schließlich kehrte er nach Deutschland zurück, um sich von Arthur Brauner noch einmal gehörig demütigen zu lassen und unter seiner Ägide seine drei schlechtesten Werke zu drehen, die dann auch leider seine letzten wurden.
     Unter Schauspielern — besonders unter Schauspielerinnen — war Lang nicht sehr beliebt. Diven wie Lilli Palmer oder Marlene Dietrich ließen kein gutes Haar an ihm, und nur wenige Schauspielerinnen drehten mehr als einmal mit ihm. Die große Ausnahme bildete hier die leider in Vergessenheit geratene Joan Bennett, die in den Vierzigern ihre besten Filme unter seiner Führung drehte und zu einer Königin des film noir wurde. Lang und Bennett drehten vier Filme zusammen: »Man Hunt« (1941), »The Woman in the Window« (1944), »Scarlet Street« (1945) und den leider unterschätzten romantic thriller »Secret Beyond the Door…« (1947). Bennett, mit ihrer Mischung aus Unschuld und Verruchtheit, war die perfekte femme fatale für diese Art von Krimi, sie hatte Stil, Witz und — für eine Schauspielerin zu dieser Zeit keine Selbstverständlichkeit! — Intelligenz. Ihre Karriere endete leider recht früh durch einen unglückseligen Skandal, als ihr Ehemann aus Eifersucht ihren Agenten erschoss.
     Heute geht es um meine beiden liebsten Filme aus Langs später amerikanischer Schaffensperiode, und ich bin stolz, die Original-Drehbücher zu beiden Werken als .pdf-Datei beifügen zu können.

Geheimnis hinter der Tür

Originaltitel: Secret Beyond the Door…; Regie: Fritz Lang; Drehbuch: Silvia Richards; Kamera: Stanley Cortez; Musik: Miklós Rózsa; Darsteller: Joan Bennett, Michael Redgrave, Anne Revere, Barbara O’Neil, Natalie Schafer. USA 1947.

Secret Beyond the Door...

»Secret Beyond the Door…« erinnert mit seiner Mischung aus Thriller, Romanze und Grusel stark an »Rebecca« (Regie: Alfred Hitchcock) und gilt unverständlicherweise als eine von Langs weniger gelungenen Arbeiten. Ein Erfolg war er keineswegs, beinahe hätte er die Karriere des Regisseurs beendet, der nach diesem Flop gut drei Jahre keinen Regieauftrag mehr erhielt und eine Zwangspause einlegen musste. Über die Konstruktion der Geschichte oder die etwas blasse Auflösung am Ende mag man schimpfen — Kritiker schrieben, es sei eine »simple Freudianische Version der Blaubart-Geschichte« —, der stimmungsvolle Soundtrack von Miklós Rózsa, die fabelhafte Joan Bennett, die phantasievolle Schwarzweiß-Anwendung und die brillanten Kamerafahrten machen das Werk auf jeden Fall zu einem besonderen Erlebnis. (Ganz abgesehen davon erinnert mich der Film streckenweise stark an Hitchcocks »Marnie« (1964), den ich hier bereits beschrieben habe und sehr liebe.)
     Celia (Bennett) lernt während eines Urlaubs in Mexiko den attraktiven Mark Lamphere (Michael Redgrave) kennen und heiratet ihn überstürzt, obwohl sie mit einigem Unbehagen selbst erkennt, wie wenig sie über ihn weiß. Während der Hochzeitsreise steigert sich ihr Unwohlsein durch seine merkwürdigen Stimmungsschwankungen: immer wieder wird er ihr gegenüber eiskalt oder sucht das Weite. Nachdem sie den zweiten Teil ihrer Flitterwochen alleine verbringen musste, folgt sie ihm in sein unheimliches Landhaus vor den Toren New Yorks und muss erstaunt feststellen, dass er nicht nur bereits einmal verheiratet war — die Hausangestellten munkeln, die erste Gattin sei an seiner Gefühlskälte zugrunde gegangen —, sondern auch noch einen Sohn (Mark Dennis) hat. Damit nicht genug, »sammelt« ihr Angetrauter auch Zimmer: In einem Seitenflügel des Anwesens hat er mehrere Zimmer, in denen sich berühmte Morde ereignet hatten, originalgetreu nachbauen lassen. Einer der Räume ist immer verschlossen. Celia, von Neugier und Angst gepackt, stiehlt ihrem Mann den Schlüssel und entdeckt ein wahrlich grausiges Geheimnis, das sie in allerhöchste Gefahr bringt…

Secret Beyond the Door… SCRIPT

Das Todeshaus am Fluss

Originaltitel: House by the River; Regie: Fritz Lang; Drehbuch: Mel Dinelli; Kamera: Edward Cronjager; Musik: George Antheil; Darsteller: Louis Hayward, Lee Bowman, Jane Wyatt, Dorothy Patrick, Ann Shoemaker. USA 1950.

House by the River

»House by the River« war Fritz Langs erster Film nach dem Debakel mit »Secret Beyond the Door…«, und es war auch seine erste Arbeit für die wenig renommierte Gesellschaft Republic Pictures, die nach dem Krieg versuchte, durch das Engagement einer Reihe von prominenten Regisseuren ein gewisses Maß an Anerkennung zu finden. Also verpflichtete sie so versierte Meister wie Orson Welles, John Ford, Lewis Milestone und eben auch Lang. Leider hatte Republic Pictures aufgrund ihrer chronischen finanziellen Engpässe keine Drehbuchautoren unter Vertrag, die den Regisseuren adäquate Skripts hätten liefern können, und auch in Sachen Ausstattung, Kostüm und Dekorationen bewegte sich das kleine Studio hart an der Grenze zum C-Movie-Markt. Auf Stars mussten die Meisterregisseure sowieso verzichten. Insgesamt also suboptimale Arbeitsbedingungen. Nichtsdestotrotz ist »House by the River« ein wunderbar düsterer und unterhaltsamer Kriminalfilm, bei dem sich Lang wieder einmal als genialer Beherrscher von Licht- und Schatteneffekten erwies. Langs detailverliebten Storyboards wurden von seinem Kameramann Edward Cronjager hervorragend umgesetzt.
     »House by the River« ist eine klassische Geschichte von Mord und Leidenschaft. In der wenig einladenden Umgebung eines modrigen Flussufers bewohnt Stephen Byrne (Louis Hayward) zusammen mit seiner Frau Marjorie (Jane Wyatt) eine alte, gespenstische Villa. Das Unheil kommt ins Rollen, als Stephen das Dienstmädchen (Lang wollte eigentlich eine farbige Schauspielerin für diese Rolle, die Produzenten untersagten es ihm jedoch ausdrücklich und besetzten sie mit Dorothy Patrick) verführen will, das er, als dieses sich gegen seine Zudringlichkeit zur Wehr setzt, versehentlich tötet. Er setzt seinen Bruder John (Lee Bowman) von der Tat in Kenntnis, und die beiden übergeben die Leiche dem schlammigen Grund des Flusses. Dieser aber befördert den toten Körper alsbald wieder an die Oberfläche, und John gerät in den Verdacht, das Mädchen getötet zu haben. Stephen beschwört seinen Bruder, die Wahrheit zu verheimlichen. Inzwischen kommt jedoch Marjorie dahinter, was für ein falsches Spiel ihr Mann treibt. Sie bittet ihren Schwager, den wahren Tathergang vor Gericht offen zu legen, doch Stephen denkt gar nicht daran, sich seiner Verantwortung zu stellen und bemüht sich, die beiden Mitwisser auf hinterhältige Weise loszuwerden…

House by the River SCRIPT

André Schneider