Filmtipp #580: Sommerliebelei

Sommerliebelei

Originaltitel: Un amour de pluie; Regie: Jean-Claude Brialy; Drehbuch: Yves Simon, Jean-Claude Brialy; Kamera: Andréas Winding; Musik: Francis Lai; Darsteller: Romy Schneider, Nino Castelnuovo, Suzanne Flon, Bénédicte Bucher, Mehdi El Glaoui. Frankreich/Italien/BRD 1974.

un-amour-de-pluieWieder einmal spielt Romy Schneider eine Elisabeth. Doch dieses Mal ist es etwas anders. Weniger hoheitsvoll, dafür leichter, gelöster und mitreißend. In kaum einem Film der 1970er sah man die Schneider so wunderschön enthemmt und fröhlich wie in Jean-Claude Brialys romantischer Sommerkomödie, die im Juli und August 1973 in Vittel gedreht wurde. Schneider und Brialy waren seit den späten Fünfzigern miteinander befreundet gewesen, und nachdem ihr sein Regie-Erstling »Églantine« (1972, mit Valentine Tessier und Claude Dauphin) gefallen hatte, gab sie ihm das formlose Versprechen, eines Tages mal unter seiner Ägide zu spielen. Im Folgejahr hatte Produzent Ralph Baum die Finanzierung beisammen, und man machte sich ohne Umschweife ans Werk. Baum, Brialy und sie hätten gewusst, dass man nicht »Lady Macbeth« auf die Leinwand bringen würde, scherzte Romy Schneider später, aber es sei ein hübscher Film voll zarter Poesie geworden. Dabei ist die Handlung wahrlich ein Hauch von Nichts: Elisabeth und ihre pubertierende Tochter (Bucher) fahren gemeinsam zur Kur, beide verlieben sich, beide Affären überdauern die Ferien nicht. Ende.

Elisabeths Kurschatten, der schnuckelige Italiener Giovanni, wird von Nino Castelnuovo gespielt. Er ist zuckersüß und sexy wie eh und je; diesmal trägt er einen zeitgemäßen Schnauz und vergnügt sich spielerisch-charmant. Ihm wird nicht viel abverlangt. Bénédicte Bucher alias Cécile bekommt von Brialy den 17jährigen Mehdi El Glaoui in der Rolle des Georges zur Seite gestellt. Alles ist sommerlich-fröhlich, es gibt ein wenig Leidenschaft, Vertrautheit, kleine Geheimnisse und verträumte Glücksmomente. Wir erfahren, dass Elisabeths Ehe mit einem physisch oder geistig ewig abwesenden Geschäftsmann nicht besonders intensiv ist. Man hat sich arrangiert. Er sei, erzählt Elisabeth ihrer Tochter, der erste Mann gewesen, der sie ins Kino einlud, also aus dem Elternhaus herausholte. »Ich sagte mir, wenn ich mich mit dem verheirate, dann gehe ich jeden Abend ins Kino, und überhaupt wird mein ganzes Leben wie ein Film.« Es gibt jedoch Filme, die schlecht enden, weiß sie jetzt. »Du meinst«, fragt die Tochter, »mit einer Heirat?« Der Ehemann und Vater ist hier nicht mehr als eine ferne Stimme am Telefon.
Es geht viel ums Kino, um das Medium Film generell. »Brialy stellt sich, ohne deren inszenatorischen Leistungen folgen zu können, in die Tradition französischer Filmemacher, die ihrer Liebe zum Film Ausdruck verleihen möchten«, schrieb Günter Krenn in seiner Schneider-Biographie. Der Regisseur leistet sich viele Insider-Gags. So erspähen die Urlauber das Kinoplakat eines Visconti-Films und beschließen, sich ihn anzusehen. Romys Hotelzimmer trägt den Namen »Luchino«. Beiläufig wird von Filmen erzählt, die man durch die Türen eines Vorführraumes sieht. Brialy selbst spielt in einer Nebenrolle einen glücklosen Charmeur. Seine Hauptdarstellerin brauchte er kaum zu führen: »Sie lebte so in ihrer Rolle, dass ich sie kaum unterbrechen mochte. So intensiv, wie sie spielte, lebte sie auch.«

Keiner von Jean-Claude Brialys Ausflügen in die Regie war von Erfolg gekrönt, »Un amour de pluie« erging es da nicht anders. Auch heute noch kreidet man dem Streifen eine gewisse Belanglosigkeit an, bemängelt die Einfallslosigkeit der Regie und dass man sich zu sehr auf die Zugkraft der Namen verlassen habe. Der Film sei »nett«, aber eben nicht mehr. Das Ganze wirke konstruiert und zum Ende hin künstlich aufgeplustert und lang. All das trifft sicherlich zu, ja, aber »Un amour de pluie« wohnt auch ein ganz eigener Zauber inne. Man kann Brialy und seinen Kameramann Winding ihr feines Gespür für Ästhetik und Stimmungen nicht absprechen. »Un amour de pluie« entfaltet in anderthalb Stunden Laufzeit eine traumwandlerische Magie, in deren Rahmen sich Romy Schneiders star appeal voll und ganz entfalten kann. Wie kaum in einem anderen Film aus diesen Jahren demonstriert sie eine Stärke und Verspieltheit, ihre Elisabeth ist eine moderne Frau, welche die althergebrachten Konstellationen von Mann und Frau auf den Kopf stellt: Neben ihr wird ab sofort der Mann zum schmückenden Beiwerk. Sie agiert, er reagiert. Sie ist aktiv, er passiv. Schneider tanzt und lacht, wandelt durch den nächtlichen Kurort, genießt das Leben, legt Seele und Busen frei. Die unleugbaren Schwächen des Films werden von den Stars überspielt. Die Dialoge waren von Jean-Claude Carrière überarbeitet und nachgeschliffen worden.
»Un amour de pluie« haftet etwas Irreales an, der Film hat etwas von einem Traum in Pastelltönen, gespickt mit etwas Ironie. Für Romy Schneider, die damals frisch in Daniel Biasini verliebt war, wurde »Un amour de pluie« ihre wohl schönste Selbstinszenierung. Wie To Catch a Thief oder Crustacés et coquillages ist Brialys kleiner Beitrag nicht viel mehr als ein Urlaubsfilm mit hübschen Bildern und einer sparsamen Handlung ohne Tiefgang, der ganz von den Stars und der leichten Atmosphäre lebt. Aber was will man bei den kalten Temperaturen mehr?

Kleine Anmerkung: Da ich kein Plakat in guter Auflösung finden konnte, bestücke ich diesen Artikel wieder einmal mit einem Standbild aus dem Film — und einem Portrait von Nino Castelnuovo.

André Schneider