Filmtipp #753: Mord in den Wolken

Mord in den Wolken

Originaltitel: Julie; Regie: Andrew L. Stone; Drehbuch: Andrew L. Stone; Kamera: Fred Jackman Jr.; Musik: Leith Stevens; Darsteller: Doris Day, Louis Jourdan, Barry Sullivan, Frank Lovejoy, Jack Kelly. USA 1956.

Zu Doris Days heutigem 99. Geburtstag widme ich mich einem ihrer wenigen Thriller (sie drehte insgesamt drei) — und zugleich einem ihrer wohl (leider) schlechtesten Filme. Star-Kritiker Leonard Maltin schimpfte das Werk eine »überkochte Seifenoper« und die »Cinema« hob die »unfreiwillige Komik« von »Julie« hervor, einem Drama mit film noir-Touch, dessen Ungereimtheiten und (damals schon) abgedroschene Story seltsamerweise höchst unterhaltsam serviert werden.
Day mimt die Titelheldin Julie Benton, die unter den hochnotpeinlichen Szenen ihres krankhaft eifersüchtigen (zweiten) Gatten Lyle leidet. Der wird von dem charmanten Louis Jourdan gespielt, und der macht seine Sache wirklich gut. Als Lyle seiner Liebsten in einem schwachen Moment gesteht, ihren ersten Mann ermordet zu haben, um sie zu bekommen, fühlt sich diese mitnichten geschmeichelt, sondern ergreift in blinder Panik die Flucht. Eine äußerst dumme Entscheidung, denn Lyle würde seine Julie lieber tot als in den Armen eines anderen sehen und heftet sich an ihre Fersen. Day taucht unter und geht in ihren alten Beruf zurück: Sie war vor ihrer Hochzeit Flugbegleiterin gewesen. Jourdan folgt ihr bis ins Flugzeug. Hoch über den Wolken kommt es zu einem überdramatischen (und daher wirklich unfreiwillig komischen) Showdown, der rund 20 Jahre später von Karen Black in »Airport 1975« (Regie: Jack Smight) schamlos abgekupfert wurde…

Freunde von Filmfehlern haben bei »Julie« ihre helle Freude; das Mikro ragt so oft ins Bild, dass es eigentlich im Titelvorspann als Nebendarsteller Erwähnung finden sollte. Der Morgenmantel, den Doris Day in einer Szene trägt, war ihr eigener, wie man an den deutlich erkennbaren Initialen DDM auf dem Rücken sehen kann, und in der Anfangsszene dreht und wendet die gute Doris das Lenkrad hysterisch hin und her, obwohl sie eine gerade Straße entlangfährt. Aber irgendwie ist das alles ziemlich süß. John Wilson, der Erfinder der Razzie Awards, packte in seinem Buch »The Official Razzie Movie Guide« den Film auf die »100 Most Enjoyably Bad Movies Ever Made«-Liste. Ironischerweise ging eine der zwei Oscarnominierungen, mit denen »Julie« 1957 bedacht wurde, an das Drehbuch von Regisseur Andrew L. Stone. Der war ein reichlich unterschätzter Filmemacher, dem der NDR in den 1990ern eine eigene kleine Retrospektive gönnte, in deren Rahmen ich »Julie« auch zum ersten Mal sah. Sein wohl berühmtester (und bester) Film dürfte »Cry Terror!« (1958, mit James Mason und Rod Steiger) gewesen sein.

»Julie« war der erste Film, der von Days Ehemann Martin Melcher für sie und mit ihr produziert wurde — und war trotz mäßiger Kritiken ein Kassenknüller, der windeseilig über 2,5 Millionen Dollar einspielte. Dabei hatte »Julie« von all den Filmen, in denen Doris Day mitspielte, das niedrigste Budget: Der Streifen wurde für 750.000 Dollar zwischen dem 10. März und Ende Mai 1956 in Pebble Beach, Monterey, Blythe, Oakland, San Francisco und Carmel-by-the-Sea gedreht. Während des Drehs verliebte sich Doris Day in die Region und ließ sich später in Carmel nieder, wo sie bis zu ihrem Tod im Jahr 2019 lebte. Eigentlich hatte sie den Film nicht machen wollen — Anne Francis war ursprünglich für die Hauptrolle vorgesehen —, da sie die Lyle-Figur erschreckend an ihre ersten beiden Ehemänner erinnerte. Der Dreh gestaltete sich im Großen und Ganzen sehr angenehm für sie, da sie sich gut mit Louis Jourdan verstand, der im wahren Leben ihr Nachbar war und lebenslang mit ihr befreundet blieb. Unglücklicherweise musste der Drehbeginn aus gesundheitlichen Gründen verschoben werden, da die Hauptdarstellerin eine Hysterektomie über sich ergehen lassen musste, nachdem die Ärzte Anfang 1956 einen Tumor in ihrer Gebärmutter gefunden hatten.

By the way: »Julie« ist einer der ganz wenigen Filme, in denen man Doris Day rauchen sieht! Und in einer Nebenrolle ist Jack Kruschen mit dabei.

André Schneider

4 thoughts on “Filmtipp #753: Mord in den Wolken

  1. Pingback: Filmtipp #826: Ein Hauch von Nerz | Vivàsvan Pictures / André Schneider

  2. Pingback: Filmtipp #829: Mit mir nicht, meine Herren | Vivàsvan Pictures / André Schneider

  3. Pingback: Filmtipp #856: Penelope | Vivàsvan Pictures / André Schneider

  4. Pingback: 9. Mai 2024 | Vivàsvan Pictures / André Schneider

Leave a comment

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.