Filmtipp #151 bis #154: The Best of Frances Farmer

Frances Elena Farmer wurde am 19. September 1913 in Seattle, Washington, geboren. Deshalb gibt es heute ein paar Geburtstags-Filmtipps für die Schauspielerin, die als eines der prominentesten Opfer Hollywoods gilt.
     Die Tochter eines Anwalts und einer stadtbekannten Vegetarierin mischte schon als Teenager ihre Heimatstadt gehörig auf, als sie mit 16 einen landesweiten Aufsatzwettbewerb gewann — mit einem Essay, in dem sie die Existenz Gottes anzweifelte. Das Mädchen war belesen, klug, eigenwillig, stur, hatte eine ausgeprägte Begabung fürs Schreiben und eine Leidenschaft fürs Theater. Ihr Traum: Schauspielerin. Ihr Ziel: der Broadway. Während ihres Studiums an der University of Washington gewann sie eine Reise in die Sowjetunion — und trat diese zum Entsetzen der Gemeinde auch an (»Nicht nur Atheistin, auch noch Kommunistin!«). In lokalen Theaterproduktionen war die wunderschöne junge Frau durch ihre Vielseitigkeit und ihre kraftvolle Bühnenpräsenz aufgefallen. Nachdem sie in Moskau Aufführungen des berühmten Theaters von Stanislawski besucht hatte, machte sie sich auf den Heimweg in die USA — mit einem Zwischenstopp in New York, wo sie ihre Bühnenkarriere ankurbeln wollte und eher zufällig beim Film landete, als ein Talentsucher der Paramount die 21jährige mit einem Siebenjahresvertrag »beschenkte« und nach Kalifornien schickte. Frances akzeptierte in der Hoffnung, dass ihr eine Hollywoodkarriere den Weg zum Broadway ebnen würde.
     An ihrem 22. Geburtstag landete sie in Hollywood. Die Paramount gab ihr sofort die Hauptrollen in zwei B-Movies: »Too Many Parents« (Regie: Robert F. McGowan) und »Border Flight« (Regie: Otho Lovering, mit Robert Cummings). Noch im selben Jahr drehte sie ihren ersten A-Klasse-Film, »Rhythm on the Range« (Regie: Norman Taurog), ein Musical mit Bing Crosby in Farbe. Im Sommer 1936 lieh das Studio sie an Samuel Goldwyn aus, der sie mit einer Doppelrolle in »Come and Get It« nach dem Beststeller von Edna Ferber betraute. Nach dem Crosby-Film und hervorragenden Kritiken für »Come and Get It« galt Frances Farmer als aufstrebender Star, Paramount nannte sie »die neue Garbo«.
     Frances jedoch war nicht glücklich mit ihrer Karriere und fing rasch an, gegen das Diktat des Studios zu rebellieren. Damals war es Usus, dass die Studios das Image ihrer Stars — und auch ihr Leben — kreierten und regelten. Die Vertragsschauspieler erhielten ihren Wochenscheck und wohnten in Häusern, die von den Studios bezahlt und eingerichtet wurden. Man trug vom Studio vorgeschriebene Kleidung, ging pressewirksam mit Filmpartnern zu arrangierten Rendezvous (für die Presse), der ganze Tagesablauf wurde vom Studio bestimmt. Frances ging nicht zu den vorgeschriebenen Hollywood-Partys und weigerte sich, mit Schauspielern auszugehen, die das Studio für sie ausgesucht hatte, sie trug in ihrer Freizeit bequeme Kleidung, fuhr einen alten, wenig prunkvollen Wagen und beklagte sich offen darüber, nur Filme angeboten zu bekommen, die von ihr weniger Talent als Schönheit forderten. Die Krönung war, als sie im Februar 1936 — ihr Stern war noch gar nicht aufgegangen — gegen den Willen des Studios Leif Erickson heiratete.
     Ihren ersten Ausbruchsversuch wagte sie schon im Sommer 1937, als sie Sommertheater in Westchester spielte und dort von Harold Clurman und Clifford Odets für das Group Theatre entdeckt wurde. Der Broadway! »Golden Boy« hieß das erste von drei Stücken, die sie auf die Broadway-Bühne brachte, ein respektabler Hit, der ihr glänzende Kritiken eintrug. Ihre Affäre mit Odets jedoch, der damals mit Luise Rainer verheiratet war, verlief unglücklich, da er mitnichten die Absicht hatte, seine Frau zu verlassen.
     In Los Angeles war man langsam wütend auf Frances, weil sie ihre Theaterambitionen über ihre Verpflichtungen zu dem Studio, »das sie schließlich groß gemacht hatte«, stellte. Man handelte ein Arrangement aus: drei Monate pro Jahr sollte sie in Hollywood wohnen, um dort ihren Vertrag zu erfüllen, den Rest des Jahres könne sie Theater spielen. Leider wurden ihre nächsten beiden Stücke Flops. Resigniert strandete Frances wieder in Hollywood, wo das Studio sie »aus Rache« in eine Reihe von albernen B-Movies steckte, von denen »Flowing Gold« (Regie: Alfred E. Green, mit John Garfield) und »South of Pago Pago« (Regie: Alfred E. Green) die nennenswertesten sein dürften. Insgesamt spielte sie zwischen 1935 und 1942 in 14 Filmen. Ihren letzten, »Son of Fury«, drehte sie für die 20th Century Fox, weil Paramount schon keine Verwendung mehr für sie hatte.
     Frances Farmer war gewissermaßen »ein Opfer ihrer Zeit« — wäre sie zehn Jahre später geboren, wären die Probleme, die sie schließlich zerstörten, gar keine echten Probleme mehr gewesen. Was war ihr Fehler? Sie war zu früh emanzipiert, sie war eine eigenwillige Individualistin und (leider) sehr impulsiv. Sie konnte sich schlecht beherrschen und wusste nicht, wann es klüger war, den Mund zu halten. Wenn ihr jemand nicht gefiel — und wenn es ein Vorgesetzter war —, dann sagte sie ihm das. Ihre unverhohlene Rebellion gegen die Studiobosse, ihr privates Dilemma mit Odets, der Zerfall ihrer Ehe, ihr Alkohol- und Amphetaminkonsum (zu jener Zeit wurden in den Kellern der Filmstudios Speed-Tabletten hergestellt — kein Witz! —, die den Schauspielerinnen helfen sollten, »schlank zu bleiben« und problemlos 12-Stunden-Tage zu absolvieren) sorgten dafür, dass es 1941/42 mit der neuen Garbo ganz schnell vorbei war.
     Es fing mit einem eigentlich ganz banalen Verkehrsdelikt an. Während des Krieges gab es auf den Küstenstraßen eine Abblendpflicht: die Autos mussten ohne Scheinwerfer fahren, damit die Japaner die USA nicht finden. (Eine wirklich kluge Idee…) Frances hatte schlicht und einfach vergessen, während einer Nachtfahrt ihr Licht auszumachen. Als der Streifenpolizist sie ermahnte, schlug sie zu und wurde kurz darauf wegen Körperverletzung vor Gericht gestellt. Um ihr eine Haftstrafe zu ersparen, bot ihre Mutter an, sie für eine gewisse Zeit in eine Heilanstalt zu bringen, damit sie ihr erratisches Verhalten in den Griff bekommt.
     Als Frances nach einem kurzen Aufenthalt im Sanatorium nicht wieder zurück nach Hollywood wollte, ließ ihre Mutter, die ihre eigenen gescheiterten Filmstar-Ambitionen durch ihre Tochter verwirklicht sehen wollte, sie entmündigen. Ein perfider Gedankengang: Wer nicht nach Hollywood will, muss ganz einfach verrückt sein. Aus heutiger Sicht ist es erschreckend, wie leicht es für die Autoritäten war. Farmer schien überhaupt keine Bürgerrechte zu haben: sie wurde ohne Rechtsbeistand verurteilt und entmündigt.
     Acht Jahre dauerte ihre Odyssee durch immer schrecklichere Psychiatrien. Sie wurde in Eisbäder gesteckt, mit Elektro- und Insulinschocks ruhig gestellt und wiederholt vergewaltigt. (Einige Pfleger »verkauften« Patientinnen an Soldaten, die gerade auf Fronturlaub waren.) Am Ende schließlich wurde sie »mit einer neuen revolutionären Methode« lobotomiert: Ein Arzt führt ihr eine Art Eispickel unterm Augenlid ein und trieb ihn mit einem Hammerschlag in den vorderen Teil des Gehirns, wodurch die Nervenbahnen, die die Emotionen leiten, durchtrennt wurden. Danach wurde Frances Farmer als »geheilt« entlassen: als gebrochene Frau. Das war 1950, sie war noch nicht ganz 37 Jahre alt.
     1958 stöberte man sie irgendwo wieder auf — sie arbeitete inzwischen als Rezeptionistin in einem Hotel — und gab ihr die Chance auf ein Leinwandcomeback. Sie drehte noch einen Film, machte ein bisschen Fernsehen und Kommunaltheater, und bis 1964 moderierte sie eine kleine TV-Show in Indianapolis. Im Alter von 56 Jahren starb sie an Krebs, ihre niederschmetternde Autobiographie »Will There Really Be a Morning?« erschien posthum. Erst rund zehn Jahre später kam ihre Geschichte ans Licht, es wurden mehrere Filme über sie gedreht, und sie wurde eine Art Kultfigur: die kanadische Popsängerin Mylène Farmer benannte sich nach ihr, Nirvana machte den Song »Frances Farmer Will Have Her Revenge On Seattle« über sie. Vor einigen Jahren meldete sich jemand zu Wort, der behauptete, Frances Farmer sei nicht lobotomiert worden; offensichtlich ist diese Frage bis heute nicht eindeutig geklärt. Wenn man sich das vorhandene Filmmaterial nach ihrer Entlassung aus der Psychiatrie anschaut, sieht man ganz deutlich eine zerstörte Seele.
     Nun also kurze Beschreibungen ihrer drei wichtigsten Filme und von »Frances«.

Come and Get It!

#151: Nimm, was du kriegen kannst

Originaltitel: Come and Get It; Regie: Howard Hawks, William Wyler; Drehbuch: Jane Murfin, Jules Furthman; Kamera: Rudolph Maté, Gregg Toland; Musik: Alfred Newman; Darsteller: Edward Arnold, Joel McCrea, Frances Farmer, Walter Brennan, Mady Christians. USA 1936.

Edna Ferbers berühmtester Roman dürfte »Giant« sein, der 1956 mit Rock Hudson, Liz Taylor und James Dean verfilmt wurde. Der 1935 erschienene Roman »Come and Get It« der mit dem Pulitzer Prize ausgestatteten Autorin war in den USA allerdings auch ein respektabler Bestseller gewesen, und Sam Goldwyn zahlte der Autorin 150.000 Dollar für die Filmrechte — damals ein Vermögen! — und plante, »einen großen Film über die Vergewaltigung Amerikas« zu machen.
     Die Geschichte dreht sich um Holzfäller in Wisconsin, gedreht wurde allerdings in Idaho (Außenaufnahmen) und Hollywood (Innenaufnahmen). Barney Glasgow (Arnold) ist der Geschäftsführer einer erfolgreichen Holzfällerei und plant aus Karrieregründen, die Tochter seines Chefs zu heiraten. Mit seinem Freund Swan (Brennan) begießt er eines Abends seinen Erfolg in einem Saloon, wo sie der Sängerin Lotta (Farmer) begegnen. Barney verliebt sich in sie, heiratet aber wie geplant die Tochter des Chefs. Lotta ehelicht daraufhin den gutmütigen Swan. Jahre später, Barney ist inzwischen Vater zweier Kinder, besucht er seinen alten Freund und erfährt, dass Lotta gestorben ist, doch sie und Swan haben eine Tochter, die ebenfalls Lotta heißt (Farmer spricht die Rolle der Tochter mit hoher Stimme und vollbringt insgesamt eine respektable Leistung in ihrer Doppelrolle!). Barney verliebt sich Hals über Kopf in das junge Mädchen, die ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten ist, und überhäuft sie mit Geschenken. Sie allerdings glaubt, er würde in ihr eine Art Tochter sehen. Als sie anfängt, sich für Barneys Sohn Richard (McCrea) zu interessieren, kommt es zum Drama…

Howard Hawks und William Wyler führten nicht gemeinsam Regie. »Come and Get It« war zunächst Hawks’ Baby gewesen, der aber wurde nach einem Streit mit Goldwyn gefeuert und durch Wyler ersetzt, der überhaupt keine Lust auf den Stoff hatte und nur widerwillig seinen Vertragsverpflichtungen gegenüber dem Studio nachkam, als Goldwyn ihm mit Suspendierung drohte. Wyler tat seine Arbeit, hatte aber zähneknirschend darum gebeten, im Vorspann ungenannt zu bleiben, doch selbst darauf ließ man sich nicht ein. Wyler äußerte sich später sehr negativ über den Film und jeden, der daran beteiligt war: »Das Freundlichste, was ich über Frances Farmer sagen kann, ist, dass sie unerträglich ist.« — Howard Hawks nannte Farmer hingegen »die beste Schauspielerin, mit der ich je gearbeitet habe.«
     »Come and Get It« besticht auch heute, fast 80 Jahre nach seiner Entstehung, durch die famosen Einzelleistungen von Frances, Walter Brennan und Joel McCrea. Brennan wurde für sein Spiel mit einem Oscar als Bester Nebendarsteller bedacht — der erste Schauspieler, der in dieser Kategorie ausgezeichnet wurde. Eine weitere Oscarnominierung erhielt Edward Curtiss für den Schnitt. Der Film lief nie in den deutschen Kinos, sondern wurde am 10. Februar 1978 in der ARD erstmals ausgestrahlt.

The Toast of New York

#152: The Toast of New York

Originaltitel: The Toast of New York; Regie: Rowland V. Lee; Drehbuch: Dudley Nichols, John Twist, Joel Sayre; Kamera: Peverell Marley; Musik: Nathaniel Shilkret; Darsteller: Edward Arnold, Cary Grant, Frances Farmer, Jack Oakie, Donald Meek. USA 1937.

Jim Fisk (Arnold) und Nick Boyd (Grant), zwei Geschäftspartner im Amerika nach dem Bürgerkrieg, werden durch ihre skrupellosen Methoden zu respektablen Größen an der Wall Street. Beide Männer verlieben sich in die Schauspielerin Josie Mansfield (Farmer). Aus Dankbarkeit für seine Hilfe in Bezug auf ihre Karriere heiratet diese Fisk, obwohl sie Boyd liebt. Im weiteren Handlungsverlauf steigert sich Fisks Geldgier mehr und mehr zu einer Art Größenwahn: er möchte den Goldmarkt beherrschen, schlägt Boyds Warnungen in den Wind und geht schließlich, als all seine Pläne von der Regierung zunichte gemacht werden, bankrott.
     Der zähflüssige Film, dem der Zahn der Zeit nicht geholfen hat, hatte die besten Aussichten, RKOs profitabelster Film für die Kinosaison 1937 zu werden, man setzte große Hoffnungen in ihn und scheute keine Mühen. »The Toast of New York« ist ein schnörkellos inszeniertes, gut gespieltes Drama über die frühen Tage der Wall Street, Gier und Moral. Dummerweise hielt schon frühzeitig das Chaos Einzug in die Produktion: Eingeplant waren vier Wochen Drehzeit — es wurden schließlich 15. Ökonomisch eine mittlere Katastrophe für das Studio, denn Edward Arnold erhielt damals eine Wochengage von 10.000 Dollar. Am Ende waren nicht weniger als sieben Drehbuchautoren beteiligt, und obwohl der Film nicht gerade schlecht besucht wurde, erwies er sich mit 530.000 Dollar Verlust als RKOs größter Flop des Jahres. Produzent Edward Small musste daraufhin seinen Hut nehmen und zu United Artists zurückkehren.

Son of Fury

#153: Abenteuer in der Südsee

Originaltitel: Son of Fury: The Story of Benjamin Blake; Regie: John Cromwell; Drehbuch: Philip Dunne; Kamera: Arthur C. Miller; Musik: Alfred Newman; Darsteller: Tyrone Power, Gene Tierney, George Sanders, Frances Farmer, Roddy McDowall. USA 1942.

Erzählt wird hier die Sage von Benjamin Blake (McDowall als Kind, Power als Erwachsener), dessen Titel und Erbe von seinem Onkel (Sanders, The Quiller Memorandum) gestohlen wurde. Dieser hält ihn auf seinem Besitz wie einen Gefangenen, doch Blake gelingt eines Tages die Flucht. Auf einer Südseeinsel macht er ein Vermögen und kehrt dann nach England zurück, um seinen rechtmäßigen Besitz vor Gericht einzuklagen. Er gewinnt den Prozess (natürlich) und vertreibt seinen einstigen Peiniger.

»Son of Fury« war der erste von drei Filmen, die Tyrone Power 1942 drehte, und der Dreh gestaltete sich ziemlich schwierig, da einige Sequenzen mit ihm ständig wiederholt werden mussten — die Produzenten konnten sich nämlich nicht über seine Partnerinnen einig werden. Die Rolle der Isabel, Benjamin Blakes erste Liebe, spielte zunächst Cobina Wright. Sie wurde, da sie angeblich »zu intelligent« aussah (was immer das heißen mag), von Frances Farmer ersetzt. Kay Johnson, die Gattin des Regisseurs, übernahm den Part von Helen Blake, die anfangs von Virginia Gilmore (zur damaligen Zeit mit Yul Brynner (Taras Bulba) verheiratet) dargestellt werden sollte. Gilmore war den Produzenten wiederum zu jung gewesen. Die aufregendste Frau des Films ist ohnehin Gene Tierney, deren wunderschönes Gesicht fast den Rahmen sprengt. In den kommenden Jahren sollte ihr eine große, leider recht kurzlebige Karriere bevorstehen.
     Aufgrund des Krieges hatte das Studio zu wenig Geld, um den Film in Farbe drehen zu können. Elf Jahre später holte man das nach, und es entstand in sattem Technicolor ein Remake unter dem Titel »The Treasure of the Golden Condor« (Regie: Delmer Daves).

Frances

#154: Frances

Originaltitel: Frances; Regie: Graeme Clifford; Drehbuch: Eric Bergren, Christopher De Vore, Nicholas Kazan; Kamera: László Kovács; Musik: John Barry; Darsteller: Jessica Lange, Kim Stanley, Sam Shepard, Bart Burns, Jeffrey DeMunn. USA 1982.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Frances’ berühmtester (und mit Abstand bester) Film einer ist, in dem sie überhaupt nicht mitspielt: der ehemalige Cutter Graeme Clifford wurde von Mel Brooks, dessen Firma diesen Streifen produzierte, mit der Aufgabe betraut, ein Biopic über Frances Farmers Leben zu drehen. Man hielt sich weitestgehend an die Fakten, musste jedoch, um den rund 30 Jahre umspannenden Film glaubwürdig zu gestalten, einige dramaturgische Änderungen vornehmen. So wurden beispielsweise Frances’ Geschwister verschwiegen und eine Art Erzähler in Form von Frances’ Freund Harry York (Sam Shepard) eingefügt, den es »in echt« nie gab. Der Film beginnt mit Frances’ Schulaufsatz über Gott, es folgen kurze Szenen aus ihrer Zeit an der Uni (Theateraufführung, Antritt des Russland-Trips), die von Harrys Erzählstimme zusammengehalten werden. Der Rest des Films widmet sich den Jahren 1936 bis 1958, mit Schwerpunkt auf ihre Zeit in den Psychiatrien.
     »Frances« ist ein erstklassiger, ehrlicher Film, der seine deprimierende Thematik nicht beschönigt oder verwässert. Das nahezu unglaubliche Schicksal der ebenso intelligenten wie eigensinnigen Frau, die sich von der Hollywood-Maschinerie nicht vereinnahmen lassen wollte, wurde als ein herzzerreißendes, anrührendes und schonungsloses Drama für die Leinwand umgesetzt. Im Zentrum stehen die grandios gespielten Portraits von Jessica Lange als Frances und Kim Stanley als ihre dominante Mutter, die sich für die »Undankbarkeit« ihrer Tochter grausam rächt. Für Stanley (The Goddess) war »Frances« der erste Film seit Séance on a Wet Afternoon und ihre dritte Filmrolle überhaupt. Für dieses schier unglaubliche Comeback nach über 17 Jahren erhielt sie eine Golden Globe- sowie ihre zweite Oscarnominierung; in meinen Augen gehört ihre Lillian Farmer zu den eindrucksvollsten Frauendarstellungen der achtziger Jahre. (Kurioserweise war Kim Stanleys eigenes Naturell dem von Frances Farmer nicht unähnlich, auch sie hatte mit ihrer Unangepasstheit und dem Alkohol zu kämpfen und sabotierte dadurch ihre Karriere.) Jessica Lange war nie besser. Auch sie wurde für einen Oscar nominiert, gewann in jenem Jahr aber nicht für »Frances«, sondern für ihre Nebenrolle in »Tootsie« (Regie: Sydney Pollack). Mit diesen beiden Filmen war ihr der Durchbruch zum Star geglückt. Dass sie für »Frances« nicht gewann, ist dennoch bedauerlich, denn es wäre auch eine späte Wiedergutmachung für eines der tragischsten Opfer Hollywoods gewesen.
     Randnotiz: Lange und Sam Shepard lernten sich bei den Dreharbeiten zu diesem Film 1981 kennen und blieben fast 30 Jahre ein Paar.

André Schneider

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