Filmtipp #585: Dazu gehören zwei

Dazu gehören zwei

Originaltitel: Where the Boys Are; Regie: Henry Levin; Drehbuch: George Wells; Kamera: Robert J. Bronner; Musik: George Stoll; Darsteller: Dolores Hart, George Hamilton, Yvette Mimieux, Jim Hutton, Paula Prentiss. USA 1960.

»Today’s young women don’t know what they want. They see that feminism has not brought sexual happiness. The theatrics of public rage over date rape are their way of restoring the old sexual rules that were shattered by my generation. Because nothing about the sexes has really changed. The comic film ›Where the Boys Are‹ (1960), the ultimate expression of Fifties man-chasing, still speaks directly to our time. It shows smart, lively women skillfully anticipating and fending off the dozens of strategies with which horny men try to get them into bed. The agonizing date rape subplot and climax are brilliantly done. The victim, Yvette Mimieux, makes mistake after mistake, obvious to the other girls. She allows herself to be lured away from her girlfriends and into isolation with boys whose character and intentions she misreads. ›Where the Boys Are‹ tells the truth. It shows courtship as a dangerous game in which the signals are not verbal but subliminal.« (Camille Paglia, 1991)

Diese Textpassage verleitete mich dazu, mir die DVD von »Where the Boys Are« zu besorgen und mir das Werk mal genau anzuschauen. Immerhin gehörte die flockige Komödie, ein Baby des mächtigen Produzenten Joe Pasternak, zu den größten box office hits des Jahres 1960 und löste eine regelrechte Lawine ähnlich gearteter Streifen wie »Palm Springs Weekend« (Regie: Norman Taurog), »Beach Party« (Regie: William Asher) oder »Pajama Party« (Regie: Don Weis) aus. Die Amerikaner liebten die fröhliche Unbeschwertheit dieser Sommer-Sonne-Strandkomödien, die auch Satiren auf die omnipräsente Mittelklasse-Prüderie jener Zeit waren, welche durch ewige Jungfrauen wie Debbie Reynolds oder Doris Day repräsentiert wurde. Diese beach party comedies wurden bis ca. 1967 wie am Fließband produziert. (Kaum eine davon schaffte es nach Deutschland.) »Where the Boys Are« war ein Vorreiter dieser Welle und galt anno 1960 als ausgesprochen gewagt und progressiv: Es war der erste Film, der offen suggerierte, dass voreheliche sexuelle Erfahrungen durchaus möglich (und gar nicht so falsch) seien. Das Handlungsgerüst ist alles andere als stabil: Es geht um vier College-Freundinnen, die zum spring break nach Fort Lauderdale (Florida) fahren, um dort ein wenig Spaß zu haben. Dabei erleben sie schöne und auch weniger schöne Abenteuer mit den dort ebenfalls urlaubenden männlichen Studenten.
Dass das laue Lüftchen von einem Film über 100 Minuten Kurzweil hält, ist vor allem dem hervorragend-spielfreudigen Ensemble zu verdanken: Um Geld zu sparen, wollte Pasternak ausschließlich junge MGM-Vertragsschauspieler und -schauspielerinnen in den Film stecken. So waren unter anderem Natalie Wood, Russ Tamblyn, Bill Smith und Nancy Walters für verschiedene Rollen im Gespräch, bevor man sich für Dolores Hart, Yvette Mimieux, Jim Hutton, die Newcomerin Paula Prentiss sowie die Sängerin Connie Francis entschied, die hier ihr Filmdebüt gab. Eigentlich hatte Francis überhaupt kein Interesse gehabt, darstellerisch an einem Film mitzuwirken, aber Pasternaks Überredungskünste obsiegten. Dafür durfte die Trällerbiene neben dem Titelsong, der sich mehrere Wochen in den Charts platzieren sollte, auch noch das schmissige »Turn On the Sunshine« zum Besten geben. In den Folgejahren spielte Connie Francis noch in zwei weiteren musikalischen Klamotten mit, die beide das Wort Boys im Titel trugen: »Follow the Boys« (Regie: Richard Thorpe) und »When the Boys Meet the Girls« (Regie: Alvin Ganzer). Als jugendlicher Playboy wurde George Hamilton mit an Bord geholt, der gerade neben Natalie Wood in »All the Fine Young Cannibals« (Regie: Michael Anderson) geglänzt hatte und von MGM zum neuen Traummann stilisiert werden sollte. Er hielt »Where the Boys Are« für ein banales, lachhaftes Filmchen und hatte überhaupt keine Lust dazu, musste aber seinen vertraglichen Verpflichtungen dem Studio gegenüber nachkommen. Seiner Karriere war der Bombenerfolg, den der Streifen schließlich haben sollte, am Ende sehr zuträglich, und immerhin schaffte er es, dass sein bester Freund Sean Flynn (Sohn von Errol) eine kleine Rolle bekam. In weiteren Nebenrollen wirkten Barbara Nichols, Chill Wills, Frank Gorshin, Jack Kruschen und Rory Harrity mit.

»Where the Boys Are« hat den Lauf der Zeit nicht in jeder Hinsicht gut überstanden. Einige Gags zünden nicht mehr so gut, das Tempo wirkt aus heutiger Sicht insgesamt etwas gedrosselt. Die Sehgewohnheiten heute verlangen nach schnellen Schnitten; es gibt Untersuchungen darüber, dass das jüngere Publikum nervös wird, wenn nicht alle drei bis fünf Sekunden geschnitten wird. In »Where the Boys Are« dauert eine Einstellung im Durchschnitt über neun Sekunden, so dass der Film von einigen Zuschauern als lahm empfunden werden könnte. Viele Situationen jedoch sind nach wie vor urkomisch. Dolores Hart und Paula Prentiss spielen fabelhaft. Die Musik ist verspielt und macht Laune. Und für uns, die lange nach der Uraufführung des Films geboren wurden, bietet »Where the Boys Are« eine sehr interessante Lektion in Sachen Geschichte: Wie wurde mit Sexualität in den 1950ern und frühen 1960ern umgegangen? Wie wurde darüber gesprochen? Wie war das Verhältnis unter den Geschlechtern? Sehr spannende Fragen, auf die »Where the Boys Are« in unterhaltsamer Weise Antwort gibt. 1984 entstand übrigens ein ebenso überflüssiges wie peinliches Remake mit Lorna Luft und dem heißen Russell Todd, das verdientermaßen floppte.

André Schneider