Filmtipp #555: Zwei Wochen in einer anderen Stadt

Zwei Wochen in einer anderen Stadt

Originaltitel: Two Weeks in Another Town; Regie: Vincente Minnelli; Drehbuch: Charles Schnee; Kamera: Milton R. Krasner; Musik: David Raskin; Darsteller: Kirk Douglas, Edward G. Robinson, Cyd Charisse, George Hamilton, Daliah Lavi [Dahlia Lavi]. USA 1962.

Vincente Minnelli verfilmte den zynischen Roman aus der Feder Irwin Shaws komplett in Rom. MGM pumpte satte vier Millionen Dollar in das ambitionierte Projekt — ein herbes Verlustgeschäft, wie sich kurz nach seinem Kinostart im Hochsommer 1962 herausstellen sollte. Die Kritiker zeigten sich nur mäßig beeindruckt von Minnellis filmischer Abrechnung mit der Traumfabrik: 1952 hatten er und sein Star Kirk Douglas mit »The Bad and the Beautiful« (mit fünf Oscars bedacht!) mehr Fortune gehabt. Dennoch kann man »Two Weeks in Another Town« seine Qualitäten nicht absprechen, der Streifen war, ist und bleibt ein Glamourprodukt par excellence, gefühlvoll gespielt, routiniert inszeniert und eindrucksvoll gefilmt. Die wundervolle, im Mai diesen Jahres verstorbene Daliah Lavi, damals in Rom lebend, gab hier ihr US-Debüt, das mit einer Golden Globe-Nominierung bedacht wurde, und Leslie Uggams (»Deadpool« (Regie: Tim Miller)) feierte mit diesem Film ebenfalls ihren Einstand im Business.

Douglas spielt den vom Schicksal gebeutelten Jack Andrus. Der einst berühmte Hollywood-Star und Oscarpreisträger schoss sich mit Alkohol- und weiteren Eskapaden ins Abseits. Der Ruhm verblasste, seine Ehe scheiterte, und nach einem schweren Autounfall erlitt er auch noch einen Nervenzusammenbruch, der ihn für drei Jahre in ein Sanatorium brachte. Ein typischer Fall für einen poor rich boy, der von seinem Selbstmitleid beinahe zerstört wurde. Nun ist Jack wieder back on track und hofft auf einen Neustart in der Traumfabrik. Es dauert nicht lange, bis er das Angebot erhält, eine kleine Rolle — nur vier Szenen — in dem neuen Streifen von Maurice Kruger (Robinson) zu spielen, jenem Regisseur, dem Jack einst seine Karriere zu verdanken hatte. Die Dreharbeiten finden in Cinecittà statt, Jack fliegt also für zwei Wochen nach Europa. Dort angekommen, folgt rasch die Ernüchterung: Krugers Film ist eine B-Produktion und Jacks Part schon anderweitig besetzt. Um das problembeladene Projekt zu retten — Kruger hat seine Glanzzeit als Regisseur auch schon hinter sich und kann die Produktion nicht stemmen —, soll Jack die Synchronisation des Films überwachen. Jack fühlt sich erniedrigt. Als wäre das nicht genug, läuft ihm auch noch seine Ex-Frau Carlotta (Charisse) über den Weg. Jack tröstet sich mit der hübschen Italienerin Veronica (Lavi), die allerdings in den Star des Films, Davie (Hamilton), verliebt und daher nicht wirklich frei ist. Eines Nachts erleidet Kruger einen Herzinfarkt und muss seine Arbeit unterbrechen. Jack verspricht dessen Ehefrau Clara (Claire Trevor), den Film für seinen Freund und Mentor zu beenden. Die Dreharbeiten gehen reibungslos weiter, das ganze Unterfangen scheint doch noch ein Erfolg zu werden. Als Kruger von positiven Verlauf dank Jacks Engagement erfährt, flippt er völlig aus und bezichtigt diesen, seinen Film stehlen zu wollen. Nach dieser Attacke sieht Jack rot…

Neben den römischen Schauwerten und den satten Farben glänzt natürlich vor allem das Ensemble, zu dem auch Rosanna Schiaffino, James Gregory und Erich von Stroheim Jr. gehören. Die rasante Autofahrt mit Jack im Vollrausch und seiner kreischenden Ex-Frau auf dem Beifahrersitz ist in ihrer charmant-altbackenen Inszenierung geradezu eindrucksvoll. Ein Film, der trotz kleiner Schwächen immer wieder sehenswert ist. Jean-Luc Godard bezeichnete ihn als einen seiner absoluten Lieblinge.

André Schneider