Filmtipp #459: Fremde, wenn wir uns begegnen

Fremde, wenn wir uns begegnen

Originaltitel: Strangers When We Meet; Regie: Richard Quine; Drehbuch: Evan Hunter; Kamera: Charles Lang; Musik: George Duning; Darsteller: Kirk Douglas, Kim Novak, Ernie Kovacs, Barbara Rush, Walter Matthau. USA 1960.

strangers when we meet poster

Evan Hunters Roman, den er selbst für die Leinwand adaptierte, galt zu seiner Zeit als gewagt, weil er die außerehelichen Eskapaden der gehobenen Mittelschicht untersuchte. Richard Quine, ein ewig unterschätzter Produzent und Regisseur, schuf daraus ein sensibles Drama nach bewährter Hollywood-Rezeptur (und ein Vehikel für seine damalige Freundin Kim Novak), das an der Kinokasse jedoch gnadenlosen Schiffbruch erlitt und auch die Kritiker ziemlich unbeeindruckt ließ. Dabei bietet »Strangers When We Meet« einige ziemlich knisternde Momente, reichlich Herzschmerz und zeichnet darüber hinaus in feinen Linien ein gelungenes Portrait des Lebens in Suburbia der frühen sechziger Jahre. Dort laufen sich Larry (Douglas) — Architekt, verheiratet, zwei Söhne — und Maggie (Novak) — Hausfrau, ebenfalls verheiratet, ein Sohn — über den Weg. Larry ist in seiner Ehe mit Eve (Rush) zwar zufrieden, aber gelangweilt und irgendwie »satt«, und so beginnt er eine Liaison mit der von ihrem Ehemann vernachlässigten Maggie. Man trifft sich heimlich, und beide wissen nicht so recht, was sie nun aus ihren Gefühlen für Konsequenzen ziehen wollen. Am Ende wagen sie es nicht, tatsächlich aufeinander zuzugehen. Man beschließt, die Affäre zu beenden und sich bei einer eventuellen Begegnung wie Fremde zu verhalten. Als unübersehbares Symbol für die Entwicklung der heimlichen Romanze steht der Bau eines Hauses, das Larry im Auftrag des Schriftstellers und Schürzenjägers Roger (Kovacs, einer der sympathischeren Charaktere des Films) baut. Als es fertig ist, nimmt Larry einen Auftrag auf Hawaii an, und die außereheliche Beziehung ist zu Ende.

Der betulich erzählte Streifen hat durchschnittlich nur alle elf Sekunden einen Schnitt, was ihn für heutige Verhältnisse ziemlich »langsam« macht. Der Film profitiert nicht nur von den guten Darstellungen seiner Besetzung — in Nebenrollen sind u. a. Nancy Kovack, Virginia Bruce und Kent Smith zu sehen —, sondern auch von der sorgfältigen teuren Ausstattung, den guten Kostümen und der wunderschönen Farbfotografie Walter Langs (The Wheeler Dealers, Some Like It Hot, Wait Until Dark); all diese Elemente lassen das Material nach mehr Substanz aussehen, als es eigentlich hat. Kirk Douglas, der »Strangers When We Meet« gemeinsam mit Richard Quine auch produzierte, stieg in das Projekt ein, als Glenn Ford als Hauptdarsteller ausgestiegen war. Er liefert ein besonders überzeugendes Spiel ab, hatte allerdings kein gutes Verhältnis zu Kim Novak, die sich als Freundin des Regisseurs erdreistete, dem Star selbstpersönlich Regieanweisungen zu geben. Es lag an Quine, den erzürnten Douglas zu beschwichtigen. Das während der Dreharbeiten fertiggestellte Haus war übrigens ein Teil von Quines Bezahlung; als der Film abgedreht war, zog er dort ein.

André Schneider

Artwork von Ingo Teichmann.

Artwork von Ingo Teichmann.