Filmtipp #789: Exodus

Exodus

Originaltitel: Exodus; Regie: Otto Preminger; Drehbuch: Dalton Trumbo; Kamera: Sam Leavitt; Musik: Ernest Gold; Darsteller: Paul Newman, Eva Marie Saint, Ralph Richardson, Peter Lawford, Lee J. Cobb. USA 1960.

Exodus

Die amerikanische Krankenschwester Kitty Fremont (Saint), eine junge Soldatenwitwe, kommt anno 1947 in das von den Briten verwaltete Palästina und wird dort Zeugin, wie sich die aus aller Welt herbeigeströmten Juden, die meisten von ihnen Überlebende des Holocausts, versammeln, um auf die Gründung eines unabhängigen Staates zu drängen. Die Flüchtlinge entern den Frachter Exodus, um ihr Anliegen zu verdeutlichen. Kitty verliebt sich in einen der Anführer, Ari Ben Canaan (Newman), und erlebt an seiner Seite die Gründung des Staates Israel.

Leon Uris hatte einen ausufernden Wälzer geschrieben — der Roman umfasste mehr als 800 Seiten —, in welchem er kunstvoll historische Fakten mit fiktiven Handlungssträngen verwob. Otto Preminger gelang das Kunststück, den Roman filmisch zu adaptieren, ohne dass die Hauptfiguren etwas von ihrer Glaubwürdigkeit verloren. Allerdings verzichtete er im Gegensatz zur Vorlage auf zeitliche Sprünge in Form von Rückblenden und erzählte die Geschichte chronologisch. Anfangs hatte Preminger Leon Uris angeboten, das Drehbuch selbst auszuarbeiten, musste ihn dann doch aus dem Projekt entlassen, da er in Uris’ Dialogen jegliches Gefühl von Sensibilität vermisste. So erhielt Dalton Trumbo den Auftrag. Preminger wollte mit dem Engagement Trumbos ein Zeichen gegen die McCarthys Schwarze Liste setzen, was ihm auch gelang: Donald Trumbo erhielt kurz darauf das Angebot von Produzent Kirk Douglas, das Drehbuch für »Spartacus« (Regie: Stanley Kubrick) zu schreiben.

»Exodus« ist ein Spektakel von monumentalen Ausmaßen. Die DVD hat eine Lauflänge von 199 Minuten, im Kino dauerte der Streifen 208. (Während der New Yorkers Premiere am 15. Dezember 1960 soll der Komiker Mort Sahl nach drei Stunden aufgesprungen sein und laut gebrüllt haben: »Otto, let my people go!«) Preminger hatte keine Kosten gescheut, sein Opus entstand unter dem Einsatz tausender Komparsen zwischen März und Ende Juni 1960 vor Ort auf Zypern und in Jerusalem. Trotz der eindrucksvollen Massenszenen liegt die Attraktivität von »Exodus« in den feinfühlig gestalteten stillen Momenten. Hier sticht vor allem die zarte und tragisch endende Liebesgeschichte zwischen Karen, die von Jill Haworth ergreifend gespielt wurde, und dem polnischen Juden Dov Landau, für dessen Darstellung Sal Mineo seine zweite Oscarnominierung einheimste, hervor. Das elegisch-tragische musikalische Leitthema des Films, für das Ernest Gold den Oscar erhielt, entwickelte sich zu einem Klassiker der symphonischen Filmmusik.
Wie bei einem Preminger-Film üblich kam es während des Drehs zu großen Spannungen zwischen dem als Despot bekannten Regisseur und seinen Schauspielern. Besonders Paul Newman litt unter Premingers Schikanen, die letzten Endes so weit gingen, dass zwischen den beiden Funkstille herrschte. Newman bezeichnete seine Mitwirkung an »Exodus« später als groben Fehler — eine Auffassung, die von einem Gros der Kritiker geteilt wurde; gemeinhin wird Newman bis heute als Fehlbesetzung in »Exodus« angesehen. Dafür sind die Nebenrollen geradezu meisterhaft besetzt: Hugh Griffith, Ralph Richardson, John Derek, Peter Lawford, Felix Aylmer, Gregory Ratoff, Marius Goring, Alexandra Stewart, David Opatoshu, Martin Benson, Paul Stevens, Martin Miller, John Crawford, Esther Ofarim, Peter Madden, Joseph Fürst und viele, viele andere geben sich hier die Ehre. Für die Rolle der Karen war zunächst Hayley Mills die Wunschkandidatin Premingers, doch Disney wollte sie für diesen »Erwachsenenfilm« nicht freigeben. So ließ der Altmeister in London eine ganze Reihe junger Schauspielerinnen vorsprechen. Unter ihnen war auch Christine Kaufmann, die ihn so sehr beeindruckte, dass er sie für die Hauptrolle in Town Without Pity empfahl.

Waren die Kritiken seinerzeit auch recht gemischt, so spielte »Exodus« an den Kinokassen weltweit etwa das Vierfache seiner Kosten ein, was Preminger ermutigte, auch künftig auf überlange, große Ensemblefilme wie beispielsweise The Cardinal und »In Harm’s Way« (1965) zu setzen, die jedoch in der Gunst des Publikums nicht ganz so hoch im Kurs stehen sollten wie dieser Film.

André Schneider

2 thoughts on “Filmtipp #789: Exodus

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