Filmtipp #477: Heiße Katzen

Heiße Katzen

Originaltitel: Deadlier Than the Male; Regie: Ralph Thomas; Drehbuch: Liz Charles-Williams, David Osborn, Jimmy Sangster; Kamera: Ernest Steward; Musik: Malcolm Lockyer; Darsteller: Richard Johnson, Elke Sommer, Sylva Koscina, Nigel Green, Suzanna Leigh. GB 1967.

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Genau genommen war Hugh »Bulldog« Drummond schon lange vor James Bond da. Die Romane von Sapper — der mit bürgerlichem Namen Herman Cyril McNeile hieß — fanden ab 1919 reißenden Umsatz. Die Geschichten um den abenteuerlustigen Ex-Offizier waren schon bald auch auf der Leinwand zu sehen; bereits 1922 gab es die erste Verfilmung (mit Carlyle Blackwell). Unter anderem spielten Ronald Colman, Ralph Richardson, Ray Milland, John Lodge, John Howard und Walter Pidgeon den smarten Helden. Die Paramount produzierte in den späten Dreißigern eine ganze Reihe einstündiger Drummond-Filme. Mit dem sensationellen Erfolg der Bond-Filme begann man, sich auf den altgedienten Serienhelden zu besinnen und machte aus ihm einen Agenten, der ganz in Bond-Manier heroisch gegen einen fiesen Oberschurken (Green) zu Felde zieht, der sich rücksichts- und uferlos bereichert und keine Scheu vor Mord und Totschlag kennt. Die ausführenden Organe des Bösewichts sind zwei weibliche Killer: Irma (Sommer) und die dümmliche Penelope (Koscina) morden sich quer durch Europa, während Drummond sich an ihre hübschen Fersen heftet.

Jimmy Sangster, einer der profiliertesten Autoren aus dem Hause Hammer, bemühte sich redlich, den Drummond-Film noch bondiger als einen waschechten Bond zu machen, scheiterte dabei jedoch auf höchst sehenswerte und amüsante Weise. Stellenweise wirkt »Deadlier Than the Male« mehr wie eine Persiflage denn wie ein Thriller. Produzentin Betty Box und ihr versierter Regisseur Ralph Thomas sparten nicht mit Schauwerten: »Deadlier Than the Male« ist farbenfroh, atmet den Geist der swinging sixties von der ersten bis zur letzten Minute, ist aufwendig ausgestattet und mit sauberem Blick fürs Detail in Szene gesetzt. Richard Johnson macht als Drummond eine wirklich gute Figur; er hätte durchaus auch einen passablen James Bond abgegeben. Der Showdown zwischen ihm und Nigel Green findet auf einem Schachfeld mit lebensgroßen Figuren statt und ist so mitreißend inszeniert, dass man auch 50 Jahre später noch seine helle Freude daran hat. Dreh- und Angelpunkt jedoch sind die »heißen Katzen« Koscina und Sommer, die mit kessen Sprüchen, kurzen Röcken und mörderischem Engagement die Waffen einer Frau einsetzen, um ihren Boss glücklich zu machen. In weiteren Rollen sind Suzanna Leigh, Virginia North, Leonard Rossiter und Steve Carlson als Drummonds fescher Neffe mit von der Partie. Zwar entstand kurz darauf noch eine Fortsetzung unter dem Titel »Some Girls Do« (Regie: Ralph Thomas, u. a. mit Daliah Lavi, Beba Loncar, Sydne Rome und Robert Morley), aber leider konnte sich Johnson/Drummond nicht als Serienheld durchsetzen — zu groß war die Konkurrenz, von Matt Helm über Derek Flint bis zum unerreichbaren James Bond. Immerhin genießen die beiden Filme heute Kultstatus. Regisseur Thomas, am bekanntesten für seine »Doctor«-Filme mit Dirk Bogarde, gab später zu, sie nur des Geldes wegen gemacht zu haben. Die Kritiker verrissen beide Werke; man bemängelte vor allem die fehlende Subtilität — als ob die irgendwas in einem Actionfilm zu suchen hätte! Wenigstens wollten 1967 noch ausreichend Zuschauer den neuen Agenten sehen, so dass er an den Kassen ganz gut abschnitt. Mit dem Nachfolger sah es 1969 unglücklicherweise ganz anders aus, so dass »Some Girls Do« im deutschsprachigen Raum nicht einmal mehr einen Verleih fand.

André Schneider