13. September 2013

Seid Ihr abergläubisch? Dann hoffe ich, dass Ihr diesen Freitag, den 13. sicher und nicht allzu gebeutelt übersteht. Am Dienstag habe ich bereits für ein paar Stunden die Heizung anschmeißen müssen, die Wohnung war so durchgekühlt und klamm gewesen, dass ich kaum schreiben konnte. Vielleicht wird es ab der Monatsmitte noch einmal goldig-warm, bevor uns der Herbst ergreift, schön wär’s jedenfalls.
     Ich weiß nicht, wie’s Euch geht, aber ich bin wahlkampfmüde. Und ich habe nicht einmal einen Fernseher, höre kein Radio und bin nur zweimal täglich kurz im Internet unterwegs, das heißt, ich entziehe mich schon einem Großteil des Wahl-Theaters! Mir wird übel, wenn ich daran denke, wie viel Geld und Zeit in diesen Zirkus investiert wird — Zeit, die man für das eigentliche Politikmachen verwenden könnte und Geld, das sinnvoll investiert werden könnte. Ich glaube, es war Norbert Blüm, der vor etlichen Jahren mal im Fernsehen sagte, dass der permanente Wahlkampf ein eminentes Problem in Deutschland sei, denn: kaum sind die Bundestagswahlen vorbei, findet in irgendeinem Bundesland wieder eine Landtagswahl statt. Das sind Monate, in denen die Parteien sich praktisch nur um ihren Wahlkampf kümmern (können). Mir hatte das damals zu denken gegeben. Ich bin sehr froh, wenn am 22. der Spuk endlich vorbei ist, wir keine Wahlplakate mit hohlen Phrasen mehr sehen müssen und uns das Gesülze von Angie, Steinbrück & Co. wenigstens kurzfristig erspart bleibt.

Die Sache mit dem Spendenaufruf nervt mich diesmal gewaltig. Täglich schicke ich 40, 50 E-Mails, SMSe, Facebook-Nachrichten und WhatsApps heraus, um die Welt auf unseren Film aufmerksam zu machen, und täglich bombardiert mich unser Regisseur mit Nachrichten, dass wir unbedingt mehr Spender brauchen. Besonders angefressen bin ich von jenen Freunden und Bekannten, die mir schriftlich ihre Unterstützung zusicherten, sich dann aber doch nicht mehr meldeten. Ich bleib einfach weiter am Ball und hoffe inständig, dass wir noch Sponsoren finden werden, die uns bei der Post-Produktion unter die Arme greifen. (Mehr zu dem Thema finden Eingeweihte in der VIP Lounge.)
     Meinen Flug nach Paris habe ich diese Woche gebucht, ich werde praktisch den ganzen November drüben sein. Die Nervosität ist angesichts der preisgekrönten, prominenten Spielpartner ungleich höher als sonst, die Freude aber auch. Stéphanie Michelini war so unbeschreiblich gut in »Wild Side« (Regie: Sébastien Lifshitz), so schön in »Pigalle, la nuit«; ich bin so gespannt auf unsere gemeinsamen Szenen! Manuel Blanc gehört seit über 20 Jahren zu den namhaft-etablierten Schauspielern des französischen Kinos, sein Debüt gab er neben Philippe Noiret und Emmanuelle Béart, er spielte mit Delon und Huppert, mit Mylène Demongeot, Clovis Cornillac, Philippe Nahon, Olivier Sitruk, Clément Sibony, Sandrine Kiberlain, Michel Aumont, Anouk Aimée, Richard Bohringer, Mathieu Bisson und hatte Regisseure wie Téchiné, Deray, Maillet, Josée Dayan, Edouard Molinaro, Nadine Trintignant und so weiter. Unnötig, noch mehr über ihn zu schreiben. Unser erstes Zusammentreffen vor einigen Monaten habe ich in guter Erinnerung. Und dann Thomas Laroppe, der meinen Bruder spielt — umwerfend! Ein wenig enttäuscht war ich, dass Sarah Biasini nicht frei war, aber Antony hat gottlob schnell einen wunderbaren Ersatz gefunden. Letzten Endes ist die Arbeit mit talentierten Menschen nicht nur besser, sondern auch unkomplizierter. Das Problem sind die Möchtegerns, denn die leben in ständiger Angst, dass man sie als die Blender entlarvt, die sie sind, und werden, um dieser Angst Luft zu machen, bockig und intrigant. Das machte einige Drehs in der Vergangenheit beinahe unerträglich für mich und trieb mich letzten Endes in die Krankheit.
     Thematisch ist Eine Nacht in tiefem Wasser eine Art Rückkehr zu den Welten, die ich in Deed Poll und Die Sprache der Scherben beleuchtete: weniger von einer stringenten Handlung, sondern von der Atmosphäre getragen, sehr dunkel, sehr bedrückend. Es hatte mich in den letzten Jahren immer ein wenig gestört, dass ich nie einen richtigen Thriller gemacht hatte — der Thriller ist eben auch einfach kein deutsches Genre —, und genau genommen fällt Eine Nacht in tiefem Wasser auch nicht klar und eindeutig in diese Sparte, geht aber immerhin atmosphärisch in die Richtung. Ich hoffe, der Pariser November wird grau und schwarz, regnerisch, verdreckt, kalt, abstoßend und gespenstisch. Und bis dahin hoffe ich, Le cadeau fertig gestellt zu haben.

Das letzte Viertel des Jahres bricht bald an, die Weichen für 2014 müssen langsam gestellt werden. Insgesamt habe ich das Gefühl, auf einem guten Weg zu sein. Ich freue mich über die aktuellen und die kommenden Projekte, bin nach wie vor glücklich und zufrieden in meinen vier Wänden und hab auch endlich ein wenig abgenommen. Ab Montag werde ich jeden zweiten Tag schwimmen gehen, und das Fahrrad wird vor Monatsende noch verkehrssicher gemacht, damit ich nicht auf die BVG angewiesen bin. Meine letzte Fahrt mit der U-Bahn anlässlich der Demo vor zwei Wochen kulminierte nämlich in einer kleinen Grippe, die ich mir gerne erspart hätte.
     Falls sich konsumtechnisch jemand belohnen möchte, dem kann ich eine gute Empfehlung machen: Disney hat »Arielle, die Meerjungfrau« in einer neuen Edition herausgebracht — mit der alten Synchronfassung von 1989! Ja, Beate Hasenau, Joachim Kemmer und Ute Lemper sind wieder da! Manchmal ist es eben doch sinnvoll, eine Petition zu unterschreiben. Kommt gut ins Wochenende, alles Liebe vom Schreibtisch.

André