21. September 2015

André als Anam Wagner.

André als Anam Wagner.

Am 16. fiel gegen 21:00 Uhr die letzte Klappe für Sur les traces de ma mère, nach Le deuxième commencement, Le cadeau und One Deep Breath meine vierte französische Produktion. Es war mal wieder ein hartes Stück Arbeit. Vor allem schauspielerisch war ich gefordert wie schon lange nicht mehr, denn Sur les traces de ma mère ist vor allem die Charakterstudie eines Mannes, der mit seinen Wurzeln — der Familie — hadert und deswegen nicht lieben kann, obwohl er sich nichts sehnlicher wünscht. Ich weiß nicht, ob der Film gut werden wird, aber er wird auf jeden Fall schön. Das verdanken wir nicht zuletzt unserem großartigen Kameramann Adrian Mindak, der den Realismus geradezu magisch einfing und Bilder von süchtig machender Schönheit schuf. Die Atmosphäre am Set war konzentriert, fokussiert und ruhig. Niemand erhob die Stimme, es wurde nicht intrigiert, nicht gezickt, nicht ziellos diskutiert. Abgesehen von den üblichen Komplikationen wie wetterbedingten Drehortänderungen und finanziellen Engpässen lief alles wie am Schnürchen. Eigentlich kann ich über diesen Dreh gar nicht viel erzählen. Sur les traces de ma mère ermöglichte mir die Zusammenarbeit mit großartigen Schauspielern, mit denen ich zum Teil schon seit Jahren drehen wollte: Andreas Adam, für den ich Fruchtstückchen im Gras geschrieben habe, zum Beispiel, oder Hubert Burczek, der unseren Vater spielte. Der Drehtag mit Carrie Getman war ein ganz besonders schöner, und die fünf Tage, die Thomas Laroppe hier bei uns war, werde ich bestimmt nie vergessen. Ich muss in nächster Zeit noch eine Liste anlegen von all den hundekuchenguten Menschen, die unseren kleinen Film unterstützten, indem sie Geld spendeten, uns in ihren Wohnungen oder auf ihren Balkonen drehen ließen, als Komparse dabei waren oder uns mit ihrem Zuspruch die Motivation stärkten. Solange die Liste noch nicht geschrieben ist, sage ich jetzt einfach mal DANKE! an alle und hoffe, dass mein Dank sie erreicht.

Szenenfoto aus "Sur les traces de ma mère".

Szenenfoto aus “Sur les traces de ma mère”.

Am 21. Oktober erscheint One Deep Breath in Frankreich. Jeremy Goncalves hat ein richtig schönes DVD-Cover entworfen, die euphorischen Pressestimmen und Festivalteilnahmen machen sich gut darauf. Trotzdem bin ich, wie leider immer, nervös und skeptisch und hoffe einfach, dass die Leute unser Baby annehmen werden.
Für Sur les traces de ma mère gibt es schon die ersten Anfragen aus Athen, Belfort und Paris. Adrian und ich werden bis in die Vorweihnachtszeit mit der Post-Produktion beschäftigt sein. Zwischendurch werde ich noch meinen Part in »Where Horses Go to Die« spielen und dafür nach Paris müssen. Meine Partnerinnen werden Amanda Dawson und Stéphanie Michelini sein. Ich hoffe sehr, Manu wieder zu sehen und Alexandre Styker kennen zu lernen. Bei Thomas sind wir bereits zum Abendessen eingeladen, und auch Alexandre Vallès hat um ein Treffen gebeten. Léonard möchte mit mir über die Songs sprechen, die wir gegebenenfalls zusammen aufnehmen werden, und ich werde mit Optimale über den nächsten Film verhandeln, den Ian und ich 2016 in Angriff nehmen wollen. Aufregende Zeiten. Daher auch meine Schreibfaulheit, für die ich mich an dieser Stelle entschuldige.

Heute ist Mutters 65. Geburtstag, den sie mit einem Urlaub feiert. Sie hat ihn sich mehr als verdient. In Hölldesheim war ich seit Weihnachten nicht mehr, hoffe aber, im Oktober für ein Wochenende dorthin zu kommen. Zwischen den Dreharbeiten war ich einige Male im Kino. Der neue Bogdanovich war prima, ansonsten war »Hedi Schneider steckt fest« (Regie: Sonja Heiss) ein einsamer cineastischer Höhepunkt in diesem Jahr. Fade eigentlich. Thomas Laroppe schenkte mir zum Abschied einen zweisprachigen Gedichtband von Yves Bonnefoy, der mich begeistert. Dank Angelika entdeckte ich — ziemlich spät, ich weiß — Mario Wirz. Oh, und ich sah einige grandiose Filme auf DVD, über die ich in den kommenden Monaten bei den Filmtipps schreiben werde. Draußen riecht es schon nach Herbst. Kommt gut in die Woche.

André

3. Februar 2014

Augenblicklich kein großes Mitteilungsbedürfnis; ich arbeite schneebedeckt und eingeigelt vor mich hin, echauffiere mich hie und da etwas über das Politik-, Gesellschafts- oder Mediengeschehen — aber auch die Empörung sirrt momentan leise, bleibt im Kämmerlein —, gehe ab und an schwimmen, besuche oder bekoche Freunde — Sirko feierte am Samstag seinen vorläufigen Abschied von Berlin — und versuche ansonsten, Geld und Kraft zu sparen. Den Luxus eines Kinobesuches beispielsweise gönnte ich mir 2014 bislang noch gar nicht. Das Alleinsein nach Feierabend — Barbara ist in Österreich, der Mitbewohner auf Geschäftsreise, die schwarzen Samtaugen bereits seit fast einer Woche in Oslo — beschalle ich mit Simphiwe Dana, Roy Hargrove oder Jay-Jay Johanson. DVDs schaue ich gerade kaum, es wird wieder mehr gelesen, und zu den asozialen Netzwerken wie Facebook gehe ich bis zum Ende des Monats mal wieder ein bisschen auf Abstand. Meist schleiche ich früh ins Bett und stehe gegen sechs Uhr auf.
     Mir fehlt Paris. Bis zum 30. März läuft im Théâtre de la Gaité noch »Des journées entières dans les arbres« von Marguerite Duras. Fanny Ardant und Nicolas Duvauchelle spielen die Hauptrollen, die Musik ist von Alex Beaupain, Regie führt Thierry Klifa. Unfassbar, dass ich mir das aller Wahrscheinlichkeit nach entgehen lassen muss, aber ich kann gerade überhaupt nicht prognostizieren, ob ich es in den nächsten sechs Wochen an die Seine schaffen werde. Am 18. Februar fliege ich erstmal nach Brüssel, dann sehen wir weiter. 

One Deep Breath ist fertig. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen. Jetzt rollt der ungeliebte Publicity-Teil auf uns zu, die Filmfestivals und die Presse. Optimale übernimmt die frankophonen Festivals in Europa, unsere internationale Agentur kümmert sich um die übrigen. Antony und ich hoffen — natürlich! — auf einen extensiven festival run und darauf, an möglichst vielen screenings persönlich teilnehmen zu können. Die offenen Rechnungen, die uns noch Kopfschmerzen bereitet hatten, werden nun gottlob von einem italienischen Verleih übernommen, und so findet One Deep Breath Ende Februar nach 16 halsbrecherisch schwierigen Monaten schließlich ein glückliches Ende. Im Nachhinein bin ich immer wieder baff, unter was für widrigen Umständen es möglich ist, einen Film auf die Beine zu stellen, aber es nagt doch sehr an den Nerven. Unter normalen Umständen — mit einem adäquaten Budget — hätten wir den kleinen Film in der Hälfte der Zeit fertig stellen können, und wir hätten uns auch nicht monatelang die Haare raufen müssen — schlaflose Nächte wegen dem ewigen »Wie bezahlen wir das nur?« — Bittstellerbriefe — wochenlanges unentgeltliches Schuften — finanzbedingte Konflikte. Unsere Produktionsassistentin Fanny Lehmann reißt sich gerade förmlich die Beine für uns aus, was vor allem dem Umstand geschuldet ist, dass in Frankreich — man höre und staune! — die Mühlen der Bürokratie noch um einiges schärfer mahlen als bei uns.
     Erwartungsgemäß riss Le cadeau niemanden wirklich vom Hocker und wurde bis jetzt kaum gesehen. Was mich angesichts des Umstands, dass es sich eigentlich nur um ein kleines Filmchen »zur Übung« handelte, weder überrascht noch stört. Die Feuerblume hingegen verkauft sich prima — was mir leider nichts nützt, da der Verlag mir meine Margen nicht überweist. Das stört mich allerdings, zumal man mir die Abrechnungen ja regelmäßig zukommen lässt. Was bleibt, sind die freundlichen E-Mails von Freunden und Verwandten Marisas, die sich über das Buch freuen und mir gratulieren. Diesen Monat wäre sie 75 Jahre alt geworden.
     Startet gut in die Woche und zieht Euch warm an.

André