Filmtipp #634: Arabeske

Arabeske

Originaltitel: Arabesque; Regie: Stanley Donen; Drehbuch: Julian Mitchell, Stanley Price, Peter Stone [Pierre Marton]; Kamera: Christopher Challis; Musik: Henry Mancini; Darsteller: Gregory Peck, Sophia Loren, Alan Badel, Kieron Moore, Carl Duering. USA 1966.

Anfang der 1960er hatte Stanley Donen eine kurze Hitchcock-Phase, die zwei seiner erfolgreichsten Filme zutage brachte. In »Charade« (1963) hatte er eine Romanze zwischen Cary Grant und Audrey Hepburn in einer verzwickten Krimi-Handlung angesiedelt. Schauplatz war Paris, die Kostüme von Givenchy und Henry Mancini der Komponist. In »Arabesque«, gut drei Jahre später entstanden, setzte Donen auf dieselbe Rezeptur. Diesmal führt uns die Handlung nach London und Sophia Loren trägt Kreationen aus dem Hause Dior. War in »Charade« noch Cary Grant der geheimnisvolle und ständig flunkernde Teil des Paares, drehte Donen hier den Spieß um und ließ die Loren als undurchsichtig-verführerische Araberin in Erscheinung treten. Die Italienerin sah vermutlich nie schöner aus als in diesem Film, und Gregory Peck gibt in einer seiner raren komischen Rollen eine respektable Vorstellung. Er spielt einen etwas weltfremden Universitätsprofessor, der den Auftrag erhält, einige Hieroglyphen zu entziffern. Das Leben eines Staatsmanns hängt möglicherweise davon ab. Unversehens sitzt Professorchen zwischen allen Stühlen und bugsiert sich von einer gefährlichen Situation in die nächste, stets begleitet von der pseudologischen Yasmin Azir (Loren). Bis zum Schluss bleibt offen, auf wessen Seite Yasmin steht und ob der Professor ihr trauen kann.

Die Rezensenten bekrittelten seinerzeit, Donen hätte bei »Arabesque« den Inhalt auf Kosten des Stils geopfert. Tatsächlich ist die komplizierte, aber insgesamt schlüssig konstruierte Story zweitrangig. Schon der Titelvorspann von Maurice Binder verweist auf das uns bevorstehende optische Feuerwerk, welches der Regisseur und sein Kameramann Challis hier kreieren. Wie in jedem guten Agentenfilm dient die Handlung nur als Grundgerüst für eine Serie von brillanten Gags und atemberaubend inszenierten Sequenzen. Die Kamera ist praktisch ununterbrochen in Bewegung, schaut durch regennasse Fenster, Brillen, Lupen, Spiegel und Kristalle. Ein besonders beeindruckendes Beispiel für diese Stilisierung ist die Verfolgungsjagd durch das Aquarium im Londoner Zoo. Das von den drei Autoren ausgefeilte Drehbuch strotzt nur so von Wendungen im Plot und bietet gar köstliche Dialoge, die von den beiden Stars mit sichtlichem Vergnügen dargeboten werden. Besonders gefallen hat mir die Szene, in der Peck mit den Worten »Follow that car!« in ein Taxi springt, woraufhin der Taxifahrer (Robert Rowland) erwidert: »All my life I have waited for somebody to say that!«

Der flamboyante Thriller war trotz der verhaltenen Kritiken ein weltweiter Publikumsrenner, heimste einen BAFTA (Beste Kamera) ein und wurde für zwei weitere (Beste Kostüme, Bester Schnitt) nominiert. Gregory Peck, rund 20 Jahre älter als die Loren, erledigte den Großteil seiner Stunts selber und empfand die Dreharbeiten in England als äußerst anstrengend. Er drehte im Anschluss deutlich weniger als in den Vorjahren: In den 25 Jahren bis 1991 entstanden noch 15 Kino- und drei Fernsehproduktionen unter seiner Mitwirkung. Stanley Donen (Two for the Road, The Pajama Game) starb übrigens im Februar 2019 im stolzen Alter von 94 Jahren. Von ihm stammt eines der besten Zitate übers Filmemachen: »For me directing is like having sex: when it’s good, it’s very good; but when it’s bad, it’s still good.«

André Schneider