Filmtipp #663: Flüsternde Schatten

Flüsternde Schatten

Originaltitel: Chase a Crooked Shadow; Regie: Michael Anderson; Drehbuch: David D. Osborn [David Osborn], Charles Sinclair; Kamera: Erwin Hillier; Musik: Mátyás Seiber; Darsteller: Richard Todd, Anne Baxter, Herbert Lom, Alexander Knox, Faith Brook. GB 1958.

Ein rundum geglückter Thriller in Hitchcock-Manier, über den das »Lexikon des internationalen Films« urteilte: »Geschickt konstruiert, von guten Darstellern und einer suggestiven Kamera unterstützt, ist der Film präzise auf den Kulminationspunkt der Spannung hin inszeniert.« Der britische Regisseur Michael Anderson, der in seiner langen Karriere so unterschiedliche Werke wie »Around the World in 80 Days« (1956, mit David Niven und Shirley MacLaine), »The Wreck of the Mary Deare« (1959, mit Gary Cooper), Wild and Wonderful, The Quiller Memorandum, »Logan’s Run« (1976) und »Orca« (1977, mit Richard Harris) aus der Taufe hob, setzte »Chase a Crooked Shadow« mit sicherer, leichter Hand an der Costa Brava in Szene. Der für seine Licht-Schatten-Effekte gerühmte Kameramann Erwin Hillier, dessen Dienste Anderson häufiger in Anspruch nahm, leistete bei diesem Film Außerordentliches.

Anne Baxter, hier brünett, mimt ziemlich überzeugend eine Millionenerbin namens Kimberley Prescott, die in der Nähe von Barcelona eine neidisch machende Villa am Strand besitzt. Nach einer rauschenden Party steht ein attraktiver Fremder (Richard Todd) vor ihr, der behauptet, ihr Bruder Ward zu sein — der vor über einem Jahr in Südafrika mit seinem Wagen tödlich verunfallt und dessen Leiche von Kimberley persönlich identifiziert worden war. Verstört alarmiert die junge Frau die örtliche Polizei, doch der herbeigeeilte Inspektor Vargas (Herbert Lom) bestätigt nur die Identität des ungebetenen Gastes: Wards Ausweispapiere sind tadellos in Ordnung. Ward bleibt also und bringt gleich zwei weitere Gäste mit: den Butler Carlos (Alan Tilvern) und die unheimliche Mrs. Whitman (klasse: Faith Brook), die irgendwie an Mrs. Danvers aus Rebecca erinnert. Das Trio, so vermutet Kimberley, hat es auf ihr Vermögen abgesehen. Es beginnt ein spannendes Katz-und-Maus-Spiel mit einer über dreiminütigen Autorennszene und einer geradezu haarsträubenden Wendung am Schluss, mit der selbst hartgesottene Thriller-Fans nicht rechnen…

Ein von der Welt vergessenes Kleinod des B-Spannungskinos, elegant, straff und schnörkellos — ich war begeistert. Selbst im kontrastreichen Schwarzweiß wirken die Außenaufnahmen in Barcelona und Sitges sommerlich-heiß. Die Atelieraufnahmen entstanden ab Mai 1957 in den Elstree Studios in Hertfortshire. Besonders interessant ist die ungewöhnliche Wahl der Filmmusik, die hauptsächlich aus spanischen Gitarrensoli, gespielt von Julian Breams, besteht und der flirrenden Atmosphäre von »Chase a Crooked Shadow« sehr zuträglich ist. Die Welturaufführung des Thrillers fand am 16. Januar 1958 in London statt. Anderson und sein Team wurden von der Presse durchaus gelobt; lediglich Richard Todds Spiel wurde als »zu hölzern« bekrittelt. Doch wenn man sich »Chase a Crooked Shadow« genauer ansieht, so ist gerade dies ein kluger Schachzug des Schauspielers gewesen, denn seine Figur muss schließlich und endlich ihre Emotionen dicht bei sich halten, um nicht aufzufliegen. Der Produzent des Streifens war übrigens Douglas Fairbanks Jr., der bereits im Vorjahr mit der romantischen Komödie »The Silken Affair« (Regie: Roy Kellino) einen großen Erfolg in seiner englischen Wahlheimat verbuchen konnte.

André Schneider

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