Filmtipp #803: Viel Lärm um nichts

Viel Lärm um nichts

Originaltitel: Much Ado About Nothing; Regie: Kenneth Branagh; Drehbuch: Kenneth Branagh; Kamera: Roger Lanser; Musik: Patrick Doyle; Darsteller: Kenneth Branagh, Michael Keaton, Robert Sean Leonard, Keanu Reeves, Emma Thompson. GB/USA 1993.

Nach einer siegreichen Schlacht treffen mehrere Männer auf dem Landgut von Signore Leonato (Richard Briers) ein. Das Gemäuer liegt inmitten sonniger Gärten in der Nähe von Florenz. Don Pedro (Denzel Washington) wird von Leonato eingeladen, mit seinen Mannen dort für einen Monat zu verweilen. Einer von ihnen, der junge Claudio (Robert Sean Leonard), ist in Hero (Kate Beckinsale), die stolze Tochter Leonatos, verliebt und möchte um ihre Hand anhalten. Indes liefert sich Leonatos scharfzüngige Nichte Beatrice (Emma Thompson) pausenlos Wortgefechte mit dem eingebildeten Benedikt (Kenneth Branagh). Ihrem Ruf, mit ihren Gesprächspartnern nicht gerade zimperlich umzuspringen, werden beide mehr als gerecht, wobei niemand auf dem Landgut sagen kann, woher ihre Animosität gegeneinander rührt. (Mein Gedanke: Was sich liebt, das neckt sich.)
Während sich die einer screwball comedy nicht unähnlichen Neckereien überschwänglich entwickeln, will Don Juan (Keanu Reeves), der uneheliche Halbbruder Don Pedros, Unheil stiften, indem er die bevorstehende Hochzeit zwischen Claudio und Hero zu verhindern sucht…

Von den Shakespear’schen Verwechslungskomödien war mir »Much Ado About Nothing« immer die liebste gewesen. Im Vergleich zu seinen wesentlich berühmteren Werken wie dem »Sommernachtstraum« oder »Was ihr wollt« kommt dieses rasante Stück verhältnismäßig selten zur Aufführung, wurde allerdings mehrfach sowohl für den Fernsehschirm als auch für die große Leinwand adaptiert. Da gab es zum Beispiel die BBC-Verfilmung (in Kooperation mit dem National Theatre) von 1967, in welcher das Ehepaar Maggie Smith und Robert Stephens brillierte und die als höchst amüsanter Beitrag in die Annalen der Fernsehgeschichte einging.
1989 hatte sich der aus Belfast stammende Schauspieler Kenneth Branagh im Alter von süßen 28 Jahren daran gemacht, Shakespeares »Henry V« zu verfilmen. Es wurde ein entsetzlich dröger, aber überraschend erfolgreicher Film, der uns in den Folgejahren eine ganze Flut von Shakespeare-Verfilmungen bescherte. Branagh selbst quälte das Publikum noch mit »Hamlet« (1995), »Love’s Labour’s Lost« (1997), »As You Like It« (2006), »The Winter’s Tale« (2015, mit Judi Dench) und »Romeo and Juliet« (2016) — ausnahmslos schockierend behäbige Werke, die beweisen, dass Branaghs inszenatorisches Talent sehr überschaubar ist. (Heute vergreift er sich an Agatha Christie: »Murder on the Orient Express« (2017) und »Death on the Nile« (2022) waren gleichermaßen überflüssig und geschmacklos und hatten den befremdlichen Look der Marvel-Filme übernommen.) Aus Branaghs Murks an Filmen ragen zwei Werke erfreulich heraus: die Tragikomödie »Peter’s Friends« (1992) und »Much Ado About Nothing«, der zwischen dem 3. August und dem 18. September 1992 in der Toskana gedreht wurde und eine Leichtigkeit versprüht, die man bei diesem Filmemacher sonst selten spürt.

Natürlich musste das fünfstündige Bühnenstück für die Verfilmung gestrafft werden, was dem Drehbuchautor Branagh vorzüglich gelang. Einige Szenenfolgen mussten umgestellt werden, einige Nebenstränge blieben auf der Strecke. Die Dialoge allerdings wurden ausnahmslos dem Originaltext Shakespeares entnommen. Der Geschlechterkampf erinnert an die feurigsten Komödien von Lubitsch oder Capra. Bei der Umsetzung unterstützt wurde Branagh von einer erstklassigen Besetzung, zu der unter anderem auch seine damalige Schwiegermutter Phyllida Law, Imelda Staunton, Brian Blessed, Richard Clifford, Ben Elton und Edward Jewesbury gehörten. Die blutjunge Kate Beckinsale gab hier ihren Einstand beim Film; glücklicherweise fanden die Dreharbeiten in den Semesterferien statt, denn sie studierte damals gerade Russisch und Französisch in Oxford. Emma Thompson ist so locker und sinnlich, wie man sie selten vor- oder nachher sah, und Michael Keatons Darbietung ist einfach kostlich! Die Kostüme von Phyllis Dalton wurden 1994 für einen BAFTA nominiert.

2012 nahm sich (leider) Joss Whedon des Stoffes noch einmal an, verlegte die Handlung hierbei ins kalifornische Santa Monica der Jetztzeit und ließ amerikanische Hipster Shakespeares Texte aufsagen. Um das fade Etwas nach Kunst aussehen zu lassen, wählte er kontrastreiche Schwarzweißbilder als Rahmung. Kann man getrost vergessen und stattdessen noch einmal Branaghs urlaubsfreudigen Sommerspaß genießen.

André Schneider

2 thoughts on “Filmtipp #803: Viel Lärm um nichts

  1. Pingback: Filmtipp 809: Accident – Zwischenfall in Oxford | Vivàsvan Pictures / André Schneider

  2. Pingback: Filmtipp #871: Speak No Evil | Vivàsvan Pictures / André Schneider

Leave a comment

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.