Filmtipp #482: Der Mann im Hintergrund

Der Mann im Hintergrund

Originaltitel: Someone to Watch Over Me; Regie: Ridley Scott; Drehbuch: Howard Franklin; Kamera: Steven Poster; Musik: Michael Kamen; Darsteller: Tom Berenger, Mimi Rogers, Lorraine Bracco, Jerry Orbach, John Rubinstein. USA 1987.

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Es ist nicht die Spannung, die »Someone to Watch Over Me« so sehenswert macht — unterm Strich handelt es sich um einen typischen Thriller der achtziger Jahre —, sondern die Gestaltung und die Atmosphäre. Es dürfte der wärmste und der am meisten unterschätzte Film von Ridley Scott sein. Zum allerersten Mal wagte der Alien-Regisseur sich in eine zeitgenössische Umgebung und schuf mit vergleichsweise bescheidenen Mitteln einen klassischen romantischen Thriller, der sich angenehm bei den Meisterwerken des film noir bedient. Gedreht wurde von Dezember 1986 bis März 1987. Leider spielte »Someone to Watch Over Me« nur einen Bruchteil seines 17-Millionen-Dollar-Budgets wieder ein; er war seinerzeit ein Flop und erarbeitete sich nur langsam über die Videotheken und TV-Ausstrahlungen seine Fangemeinde.

Gleich in der Anfangssequenz demonstriert Ridley Scott sein sicheres Auge für visuelle Akzentuierung der Handlung: von der Galerie-Eröffnung im Chrysler-Building, wo in geleckt-seelenloser, ultraschick-kalter, elegant-dekadenter Umgebung der Mord, welcher den Stein der Handlung ins Rollen bringt, stattfindet, geht es mit einer gut koordinierten Hubschrauberfahrt über das nächtliche New York zu der in warmen Brauntönen gehaltenen Beförderungsparty von Mike Keegan (Berenger) in Queens. Mike ist Polizist beim NYPD und glücklich mit der Ex-Polizistin Ellie (Bracco in ihrer ersten größeren Filmrolle) verheiratet; das Paar hat einen kleinen Sohn, Tommy (Harley Cross). Während in Queens gefeiert wird, geschieht in der schnieken Manhattaner Galerie ein kaltblütiger Mord, dessen einzige Zeugin die ebenso schöne wie reiche Claire Gregory (Rogers) wird. Die verwöhnte, gebildete und völlig verängstigte Frau wird unter Polizeischutz gestellt, und es obliegt Mike, die damsel in distress zu beschützen. Es dauert nicht lange, und die beiden fühlen sich zueinander hingezogen und beginnen eine Affäre, die für den armen Polizisten verheerende Konsequenzen nach sich zieht: Ellie wirft ihn raus, das geregelte Leben in Queens zerbröselt, bricht weg. Die amourösen Verwicklungen lassen ihn zudem unvorsichtig werden, denn der Mörder ist immer noch auf freiem Fuße und Claire in Lebensgefahr…

Der Film erhielt insgesamt recht gute Kritiken, dennoch krittelten einige Rezensenten anno 1987, dass »Someone to Watch Over Me« arge Probleme mit der Plausibilität hätte und deshalb die Spannungskurve nicht so recht nehmen wolle. Dabei ist der große Trumpf des Films sein reges Interesse für die menschlichen Konflikte, die sich aus der Story ergeben. Berenger, Bracco und besonders Mimi Rogers sind exzellent. Der Gershwin-Song, der den Titel inspirierte, wird im Laufe des Films übrigens dreimal gesungen: von Sting am Anfang des Films, dann eine alte Aufnahme, die Gene Ammons mit Richard Wyands, Doug Watkins und J.C. Heard 1961 eingespielt hatten, und zu guter Letzt von Roberta Flack — wundervoll! — während des Abspanns. Die Galerie-Sequenzen drehte Scott übrigens an Bord der Queen Mary: wegen der opulenten Art déco-Verzierungen.

André Schneider

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