Filmtipp #842: Der Kommissar und sein Lockvogel

Der Kommissar und sein Lockvogel

Originaltitel: Dernier domicile connu; Regie: José Giovanni; Drehbuch: José Giovanni; Kamera: Étienne Becker; Musik: François de Roubaix; Darsteller: Lino Ventura, Marlène Jobert, Michel Constantin, Paul Crauchet, Alain Mottet. Frankreich/Italien 1970.

dernier domicile connu

Der Film beginnt im 12. Arrondissement von Paris. In der Rue Hector Malot hetzt ein Mann (François Jaubert) mit einer Schusswaffe die Straße entlang. Er ist offensichtlich auf der Flucht. Auf einem Wochenmarkt versuchen Passanten, ihn zu überwältigen. In seiner Panik erschießt er sie und flieht weiter. Kurz wähnt er sich in Sicherheit, als er über einen Bauzaun klettert, doch schon rauscht die Polizei mit lauten Sirenen an und der Mann wird von Inspektor Leonetti (Ventura) ohne großes Gefackel abgeknallt. Der skrupellose Bulle ist bei der Pariser Polizei ebenso erfolgreich wie gefürchtet. Er verprügelt schon einmal einen Inhaftierten, sein Vorgesetzter (Albert Dagnant) hat regelmäßig Beschwerden über ihn zu bearbeiten. Nachdem Leonetti den Sohn eines einflussreichen Anwalts bei einer Trunkenheitsfahrt im Bois de Boulogne verhaftet hat, sorgen einige Intrigen dafür, dass er versetzt wird. In seinem neuen Revier wird ihm die junge, idealistische Polizistin Jeanne Dumas (Jobert) als Partnerin zugeteilt, die ihren legendären Kollegen bewundert, jedoch ein ganz anderes Temperament hat.
Ein Staatsanwalt (Mottet) bittet Leonetti um seine Hilfe: Die Polizei sucht vergeblich einen für einen Strafprozess wichtigen Zeugen (Philippe March), ohne dessen Aussage der Schwerverbrecher Soramon (Guy Héron) nicht verurteilt werden kann. Bis zum entscheidenden Prozess bleiben Leonetti und Dumas nur sieben Tage, um den untergetauchten Zeugen aufzutreiben…
Am Ende wird der Zeuge zwar gefunden, nach der Verurteilung Soramons jedoch von dessen Handlangern getötet. Jeanne wendet sich desillusioniert von ihrem Mentor ab, dem sie vorwirft, den Zeugen aus Karrieregründen geopfert zu haben.

Das rasant inszenierte Werk gehört zu Venturas stärksten und gilt in Frankreich als Klassiker, während man ihn jenseits der Grenzen kaum wahrnahm. Es gab ein paar gute Kritiken, ja, aber das Publikum blieb dem modernen film noir fern. In der BRD startete der Film erst 1974, später brachte ihn die ARD unter dem Titel »Die letzte Adresse« im Fernsehen. In der DDR bekam er den Titel »Gesucht wird: Roger Martin« verpasst. Gedreht wurde zwischen dem 29. September und dem 19. November 1969 vor Ort in Paris, vor allem 14., 16. und 18. Arrondissement.
»Dernier domicile connu« ist ein an realistischer Schilderung des Pariser Polizeialltags interessierter Krimi mit gesellschaftskritischem Einschlag, einem fulminant-aufpeitschenden Score von François de Roubaix und einem ausgezeichnet agierenden Hauptdarsteller-Duo. Ich habe jede Minute dieses ungewöhnlichen Streifens genossen. Ansehen!

André Schneider

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