Filmtipp #832: Lawinenexpress

Lawinenexpress

Originaltitel: Avalanche Express; Regie: Mark Robson; Drehbuch: Abraham Polonsky; Kamera: Jack Cardiff; Musik: Allyn Ferguson; Darsteller: Lee Marvin, Robert Shaw, Linda Evans, Maximilian Schell, Michael Connors [Mike Connors]. USA/IRL 1979.

Avalanche Express

Ein KGB-Funktionär (Shaw), dessen Frau durch eine Intrige in den Tod getrieben wurde, schmuggelt regelmäßig Audiokassetten mit Geheiminformationen aus dem Kreml an Bord des Nachtzugs nach Basel, von wo aus diese von einer eigens dafür geschaffenen Sondereinheit in die USA weitergeleitet werden. Diese Sondereinheit steht unter der Leitung von Lee Marvin, der hier selbst für seine Verhältnisse auf absoluter Sparflamme spielt. Der KGB-Mann droht aufzufliegen und will sich in den Westen absetzen. Marvin und seine Mannschaft fliegt ihn von einem Kongress in Bukarest nach Italien. Ein Direktflug in die USA ist nicht möglich, da aufgrund eines massiven Wintereinbruchs alle Flughäfen Europas geschlossen sind (!). Die einzige Ausnahme ist der Amsterdamer Flughafen, den der KGB-Mann mit dem Atlantik-Express erreichen soll. Dieser fährt von Mailand über Zürich, Basel und Köln nach Amsterdam. Natürlich will der Kreml verhindern, dass der Agent überläuft, da dieser genauestens über das sowjetische Agentennetz in Europa Bescheid weiß, und so wird der Zug bei einem Zwischenstopp mit MGs beschossen und soll später von einer künstlichen Lawine verschüttet werden. Und der Einfallsreichtum der Herren Kommunisten ist damit noch längst nicht erschöpft…

Klingt spannend? Ist es nicht. Eigentlich ist »Avalache Express« vor allem wirr, unausgegoren und billig. Dabei war dies seinerzeit die teuerste US-Produktion, die je auf europäischem Boden gedreht worden war. Die Originalschauplätze in Italien und der Schweiz sehen auch toll aus. Auch die illustren Stars sind ihr Geld wert: Linda Evans trägt imposante Schulterpolster, ihre männlichen Kollegen wenig überzeugende Toupets. Das Gebräu ist dennoch auf merkwürdig-komische Weise unterhaltsam, allerdings sind die Logiklöcher des ohnehin schon banalen 08/15-Spionagefilms schwer zu verzeihen, da sich der Film viel zu ernst nimmt. Zudem setzte Regisseur Robson in den Actionszenen auf Modelleisenbahnen, die einwandfrei als solche zu erkennen sind. Da ist dann die groß im Titel angekündigte Lawine auch nicht besonders bedrohlich. Ferner sind Horst Buchholz, David Hess, Sky du Mont, Claudio Cassinelli, Kristina Nel und Joe Namath in ihren Rollen oder Röllchen kaum der Rede wert.

Obwohl der Film für eine irische Firma entstand, fand nicht ein einziger Drehtag in Irland statt. Sowohl für Robert Shaw als auch für Mark Robson wurde »Avalache Express« der letzte Film. Beide starben noch, bevor der Flop fertiggestellt war. (Beide an einem Herzinfarkt.) Mehreren Quellen zufolge wurden die letzten beiden Drehtage nach dem Tode Robsons vom Kameramann Jack Cardiff, der ja Regieerfahrung hatte, geleitet. Monte Hellman hat möglicherweise einige Szenen zu einem späteren Zeitpunkt nachgedreht, doch seine Hauptfunktion bei dem Film scheint die eines Cutters und eines Leiters der Postproduktion gewesen zu sein. Die Dreharbeiten waren im Allgemeinen chaotisch verlaufen und wurden durch den plötzlichen Tod des Hauptdarstellers noch weiter erschwert; Shaw war während des Drehs schon sichtlich krank und stimmlich nicht mehr in der Lage gewesen, seinen Text verständlich zu sprechen, weshalb er komplett nachsychronisiert werden musste. Hellmans Umgang mit dem umfangreichen Filmmaterial scheint drastisch gewesen zu sein; etliche bekannte Schauspieler tauchen nur sehr kurz auf (einer von ihnen, Vladek Sheybal, wird unter einem anderen Namen aufgeführt), die Handlung ist oft elliptisch und meist verwirrend, während der Dialog oft spärlich ist.

André Schneider

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