Filmtipp #257: Die Fratze

Die Fratze

Originaltitel: Fright; Regie: Peter Collinson; Drehbuch: Tudor Gates; Kamera: Ian Wilson; Musik: Harry Robertson; Darsteller: Susan George, Honor Blackman, Ian Bannen, John Gregson, Dennis Waterman. GB 1971.

Fright

Gut und gerne acht Jahre vor »Halloween« (Regie: John Carpenter) rückte der Brite Peter Collinson eine ahnungslose Babysitterin ins Visier eines blutrünstigen Psychopathen. Dabei jongliert der Regisseur äußerst effektiv mit den gängigen Zutaten des klassischen Horrorfilms: »Fright« spielt durchwegs nachts, nutzt radikale Schnitte und fokussiert sich vor allem auf eine nervenaufreibende Geräuschkulisse (knarrende Türen, heulender Wind, das Geschreie eines Gruselfilms — es handelt sich um »The Plague of the Zombies« (Regie: John Gilling) — im Fernsehen), um dann in der zweiten Hälfte in ein kammerspielartiges Psycho-Drama überzuwechseln, das sich gegen Ende leider etwas zu sehr in die Länge zieht. Zugegeben, die Machart ist einfach, aber immerhin bietet dieser frühe Schocker anderthalb Stunden straffe Unterhaltung und ist durchaus spannend. Interessanterweise kommt »Fright« praktisch ohne Gewalt und Blutvergießen aus, dennoch verpasste ihm die FSK seinerzeit eine Altersfreigabe ab 18, die bis heute nicht revidiert wurde, obschon der Streifen bedenkenlos Jugendlichen ab zwölf Jahren gezeigt werden könnte.

Susan George, eine wunderbare Scream Queen, gibt die miniberockte Amanda, die als Babysitterin in das einsam gelegene Haus von Helen Lloyd (gespielt von Honor Blackman, der legendären Pussy Galore aus Goldfinger) gerufen wird. Helen möchte mit ihrem Freund Jim (George Cole) einen fröhlichen Abend in der Stadt verbringen, um ihre Scheidung zu feiern. Ihr Ex-Mann Brian (Bannen) wurde nach einigen gewalttätigen Ausschreitungen gegen sie und den gemeinsamen Sohn (verkörpert von Tara Collinson, dem Sohn des Regisseurs) in eine geschlossene psychiatrische Anstalt eingewiesen. Eigentlich hat sich Amanda auf einen ruhigen Abend eingestellt, doch der horrorerprobte Zuschauer ahnt richtigerweise, dass besagter Irrer aus der Klinik ausgebrochen und auf dem Weg zu ihr ist. Und so beginnt für Amanda und das Kind ein geradezu höllischer Alptraum…

Schon der Titelsong »Ladybird« erinnert stark an das Leitmotiv aus »Rosemary’s Baby« (Regie: Roman Polanski) und verheißt nichts Gutes. Die Besetzung von »Fright« ist äußerst erlesen; als Inspektor ist beispielsweise Maurice Kaufmann zu sehen, der damals noch mit Honor Blackman verheiratet war. In Erinnerung bleibt vor allem Ian Bannens beängstigendes Spiel als geisteskranker Übervater, der mit einer riesigen Scherbe vor dem Gesicht seines Kindes hantiert. Honor Blackman erzählte später freimütig, dass er ihr, obwohl sie ihn von gemeinsamen früheren Arbeiten her gut kannte, wirklich Angst gemacht habe. Sorgen machte sich die Aktrice vor allem um das Kind des Regisseurs, das einige haarsträubend gruselige Szenen zu spielen hatte. »Fright« wurde von der zeitgenössischen Kritik damals als »zweitklassiker Thriller« verkannt und ist heute weitestgehend in Vergessenheit geraten. Freunde des US-amerikanischen Slasher-Films jedoch sollten diesen kleinen englischen Schatz unbedingt bergen, es lohnt sich.

André Schneider