Filmtipp #781: Liebesspiele

Liebesspiele

Originaltitel: Castillos de cartón; Regie: Salvador García Ruiz; Drehbuch: Enrique Urbizu; Kamera: Teo Delgado; Musik: Pascal Gaigne; Darsteller: Adriana Ugarte, Nilo Zimmerman [Nilo Mur], Biel Durán, Cristian Magaloni, Pepa Pedroche. Spanien 2009.

Almudena Grandes’ Bestseller »Luftschlösser«, 2004 in Spanien erschienen, spielt im Madrid der achtziger Jahre. Inmitten der politischen Umstrukturierungen nach der Franco-Ära finden drei Kunststudenten — eine Frau, zwei Männer — für kurze Zeit ihr Glück in einer Dreiecksbeziehung: Maria-José, der empfindsam-verletzliche Marcos und der raubeinige Jaime sprengen mit ihrer Liebe gesellschaftliche Schranken, kapitulieren aber letztlich vor ihrer aufkeimenden Eifersucht, ihren Zweifeln und der engstirnigen Erwachsenenwelt.

Die Verfilmung des Romans, welche in Deutschland unter den Titeln »Luftschlösser« (im TV) und »Liebesspiele« (auf DVD) ausgewertet wurde, verzichtet auf die politischen Bezüge und konzentriert sich ganz auf die ménage à trois und deren Umfeld. Als Maria-José kann man die wunderhübsche und hochbegabte Adriana Ugarte in ihrer ersten Hauptrolle bewundern. Sie ist der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, das beinahe magische Wesen, das alle umkreisen.
Gleich zu Beginn des Films tauscht Maria-José tiefe Blicke mit Marcos (Zimmerman), der auf berührend-kindliche Weise in seine Zeichnungen vertieft ist, und Jaime (Durán) aus, um ihnen kurz darauf bereits als neue Mitbewohnerin in deren WG zu folgen. »Castillos de cartón« erzählt vieles nonverbal, fängt Blicke und Nuancen ein. So auch in der Szene, in der Maria-José und Marcos sich zum ersten Mal alleine wähnen und sich näher kommen: Ohne ihr Wissen beobachtet sie Jaime durch einen Türspalt. Als Marcos vor Aufregung keine Erektion zustande bringt, springt sein Mitbewohner helfend ein.
In der Seifenblase des Künstlermilieus richtet sich das Dreiergespann romantisch und erotisch ein: Maria-José wird von Marcos, dessen Selbstzweifel keine Erektion zulassen, vorbereitet, bevor Jaime für die Penetration sorgt. Eines Tages gesteht die Schöne ihren Freunden, dass sie keinen Orgasmus kriegt. Jaime, der sensibler und feinfühliger ist, als es auf den ersten Blick scheint, überlegt sich eine Lösung für die sexuellen Probleme seiner beiden Mitstreiter. Er schlägt vor, so oft wie möglich Sex zu haben; irgendwann würde es bei Marcos mit der Erektion und bei Maria-José mit dem Orgasmus klappen. Und in der Tat: Als Maria-José ihre beiden Männer ihren Eltern vorstellt, bekommt Marcos in der Küche überraschenderweise einen Ständer und schläft zum ersten Mal richtig mit ihr. Ungefähr an diesem Punkt beginnt das Gleichgewicht des Dreiecks zu kippen, denn Jaime spürt, dass sich Maria-José und Marcos emotional näher sind als ihm, obwohl sie betont, dass sie beide gleichermaßen liebe.
Abgesehen von den sozio-emotionalen Schwierigkeiten entwickeln die beiden Männer eine künstlerische Rivalität: Jaime ist als Maler bei weitem nicht so begabt wie Marcos, dessen erste Vernissage bereits ein großer Erfolg wird. Neid und Missgunst gesellen sich zur Eifersucht, Jaime wird immer wütender.

Im spanischsprachigen Kino hat man einfach ein Händchen dafür, erotische Stoffe sowohl deftig als auch geschmackvoll anzurichten, die thematisch ähnlich gelagerten Werke El sexo de los ángeles und Somos tr3s sind zwei weitere gelungene Beispiele. Auch Bigas Luna, Julio Medem und Almodóvar haben sich gerne mit sinnlichen Bilderbögen beschäftigt. Und wenn man an Kiki, el amor se hace denkt…
»Castillos de cartón« (wörtlich übersetzt: »Schlösser aus Karton«) ist stringent erzählt und mit gebotener Feinfühligkeit inszeniert. Besonders ergreifend empfand ich die Szene, in der feinsinnige Marcos den anderen beiden gesteht, dass er sie liebt und ohne sie nicht leben möchte. Er schlägt vor, dass sie auch nach Beendigung des Studiums zusammen wohnen bleiben. Maria-José versteht ihn, Jaime lehnt das Angebot ab.
Der »film-dienst« lobte den Streifen, der leider nicht in die deutschen Kinos kam, als eine »psychologisch differenzierte, visuell ansprechende erotische Dreiecksgeschichte«, während die »Cinema« den unfairen Vergleich zu Bertoluccis »The Dreamers« zog und den spanischen Film im Vergleich dazu als »blass — auch im gesellschaftlichen Zeitbezug« bezeichnete. Welcher Meinung man sich auch immer anschließen möge: Allein die Klasse und Rasse Adriana Ugartes macht »Castillos de cartón« zeitlos sehenswert.

André Schneider

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