Filmtipp #868: The Fish with the Eyes of Gold

The Fish with the Eyes of Gold

Originaltitel: El pez de los ojos de oro; Regie: Pedro L. Ramírez; Drehbuch: Juan Gallardo Muñoz; Kamera: Antonio Lopez Ruiz; Darsteller: Waldemar Wohlfahrt [Wal Davis], Norma Kastel [Norma Kastell], Ada Tauler, Montserrat Prous [Montserrat Proust], Rex Martín. Spanien 1974.

El pez de los ojos de oro

Bei der Erstsichtung dieses mediokren spanischen Versuchs eines giallo stand mir das Hirn still. Manches glaubt man erst, wenn man es sieht. Dies ist ein Film, bei dem man alle drei Minuten laut ausruft: »Das muss doch jemandem aufgefallen sein?!« Ja, es ist einer dieser Filme, bei denen wirklich nichts stimmt — und den man dennoch ruhig einmal (!!) sehen kann, denn kein Film ist so schlecht, dass man aus ihm nicht etwas lernen könnte. Außerdem kann »El pez de los ojos de oro« in der richtigen Gesellschaft und mit einem Tanklaster voll alkoholhaltiger Kaltgetränke durchaus Spaß machen, wenn man die Erwartungen ein wenig runterschraubt. (Am besten, man buddelt sich im Keller noch ein, zwei Etagen dafür!)
Dieser Film war ein ziemlich dreistes und einen Hauch zu spät entstandenes Vorhaben, aus den italienischen gialli Profit zu schlagen. Selbst das Plakatmotiv ist gestohlen, zeigt es doch die schreiende Carroll Baker in Il coltello di ghiaccio. (Aus diesem Grunde habe ich hier ein alternatives Plakat hochgeladen.)

»El pez de los ojos de oro« beginnt an einem kleinen, kargen Strandstück, das zwischen ein paar Felsen liegt. Eine belgische Touristin, die von Susana Taber enthusiastisch und talentfrei gespielt wird, gibt sich ihren Schwimmfreuden hin, als ein Mann mit Taucheranzug und Schnorchel auftaucht und ihr nachstellt. Sie merkt es nicht, merkt nichts, bis sie wieder an Land ist und sich abtrocknet. Dann steht er vor ihr. Sie lächelt kurz. (Kennt sie ihn etwa? Hofft sie auf ein kleines Techtelmechtel am Strand?) Dann blitzt ein Messer auf und sie ringt etwas halbherzig mit ihrem Mörder. Da schippert unverhofft ein kleines Boot um die Ecke, in dem Zachary Kendall (Ricardo Vázquez) hockt und dem Killer in die Quere kommt — nur leider etwas zu spät. Der Taucher flieht, die Blondine liegt mit einer schlecht geschminkten Wunde auf ihrem Handtuch. (Wobei es Susana Tauber nicht gelang, für die Dauer der Aufnahme die Luft anzuhalten; der Bauch hebt und senkt sich gleichmäßig, sodass das nagellackrote Filmblut beinahe seitlich zu verlaufen droht.) Auf dem Handtuch sehen Kendall und wir einen Fisch. Titelvorspann. Für die nervtötende Musik gibt es keinen Credit, der Regisseur bediente sich einfach an Archivaufnahmen.
Bis hierhin ist der Film eigentlich ganz drollig. Dann lernen wir die Hauptfigur des Ganzen kennen: Derek (Davis) ist Engländer und möchte die Kendalls, also Zachary und dessen Gattin Virginia (Kastel), besuchen und trampt die Costa del Sol entlang. Eine hilfsbereite Brünette namens Mónica (Prous) nimmt Derek mit. Die beiden sind sich auf Anhieb sympathisch, sodass Mónica Derek in ein Hotel einlädt, um ein wenig zu klöpern. Läuft auch alles ganz geschmeidig, freundschaftlich und unverbindlich. Als Derek am nächsten Morgen aufwacht, liegt Mónica mit durchschnittener Kehle neben ihm. Er reagiert nicht besonnen, nicht pfiffig, nicht unverdächtig, sondern springt einfach aus dem Fenster und flieht. Wir sehen es und denken uns: »Bei dem möchte ich keine Gehirnzelle sein. Die Einsamkeit würde mich umbringen.«
Derek flieht zu den Kendalls, um dort zu erfahren, dass dies nicht der erste Mord war. Ein Kommissar (Barta Barri) ermittelt. Bald schon muss man sich die Frage stellen, was der Mörder gegen Fische hat, denn dies scheint der Schlüssel zur Lösung des blutigen Rätsels zu sein. Die Spur führt zu einem ziemlich schäbigen Aquarium, das offensichtlich nur nachts geöffnet hat. Marina (Tauler), die Tochter des Chefs, ist dann auch die erste intelligente (wenn auch nicht ganz glaubhafte) Figur des Films und treibt die vorhersehbare Handlung dann auch ein wenig voran. Denn, und das ist das Traurige, »El pez de los ojos de oro« ist ebenso hanebüchen wie langatmig, was bei einer Lauflänge von kaum 84 Minuten ziemlich bemerkenswert ist. Okay, es passiert viel. Virginia betrügt ihren Mann. Ihr Lover (Martín) wirkt verdächtig, wird allerdings selbst Opfer des Serienkillers…

Poetisch ausgedrückt ist dies ein Film darüber, wie eine Psychose ein Fischglas streichelt und zerschmettert. Pedro L. Ramírez erhebt den Anspruch, einen elementaren giallo zu kreieren, doch leider wird dieser von seinem eigenen Ambiente tödlich getroffen. Die atmosphärischen Ströme — Einblendungen von Fischen im Aquarium — werden verwendet, um die Opfer zum Wasser zu treiben: zur Dusche, zum Ufer, zu ihrem Untergang. Erzählerisch alles andere als eine gelungene Stimmung der Küstenperversität, diese Sommertage, die langsam dem Sumpf der day for night-Diskordanz erliegen. Der Höhe- oder auch Tiefpunkt der sphärischen Unentrinnbarkeit wird in einer schier endlosen Verfolgungsjagd erreicht. Die Zeitlupe wird hier zur Qual, das Schicksal verheddert sich im Sand, während die Wellen mit schrecklicher Gewissheit in Echtzeit brechen; wenn der Körper in solchen Fluten gefangen ist, kann er kaum mehr tun, als sich zu winden wie ein am Boden erstickender Goldfisch. Das Sujet eines Kindheitstraumas kommt als Auflösung dann doch etwas holzhammerhaft daher. Ein umgestoßenes Goldfischglas, das eine traumatische Erinnerung auslöst? In Ordnung. Deshalb lieben wir schließlich das Genrekino. Die Lust des Absurden ist eine schöne! Deshalb macht dieser Film in der richtigen Gesellschaft auch streckenweise Spaß.
Tja, und dann wäre da noch der Star in der Manege, der einer der miesesten Schauspieler des europäischen Genrekinos seiner Zeit gewesen sein dürfte: Wal Davis, der diesen Film auch finanzierte. Davis’ Vita ist um Längen faszinierender als der eigentliche Film. Der blonde Stuttgarter Waldemar Wohlfahrt, Jahrgang 1940, war in den späten 1960ern als Autoliebhaber, Privatdetektiv und Spanientourist ein beliebtes Sujet der deutschen yellow press gewesen. 1966 gab es einen handfesten Skandal, als diverse Blätter ihn fälschlicherweise als Frauenmörder gebrandmarkt hatten und daraufhin von ihm erfolgreich auf Schadensersatz verklagt wurden: Springer musste Wohlfahrt 199.000 DM zahlen, die bis dato höchste Schmerzensgeld-Forderung, die an ein deutsches Presseorgan gestellt worden war. In den Folgejahren trat der sportliche Playboy kurzzeitig als Sänger in Erscheinung (»Benidorm«) und stand in einigen französischen, italienischen, bundesdeutschen und vor allem spanischen C-Produktionen schauspielerisch vor der Kamera, unter anderem in Werken von Jess Franco und Enzo G. Castellari. Meist spielte er unter dem Künstlernamen Wal Davis. Leider ließ sich das private Charisma des lebenslustigen Schwaben nie so recht auf die Leinwand übertragen, er war auch nicht wirklich fotogen, sodass er in seinen Filmen unattraktiv wirkte und in Sachen Charme und Energie an einen alten Wischmopp erinnerte. Dazu kam noch, dass er partout nicht spielen konnte. Sein Traum, einen Geheimagenten im Bond-Stil zu verkörpern, erfüllte sich nie. Sein Filmdebüt, welches er persönlich mit den Einnahmen aus seinem Schmerzensgeld-Verfahren finanzierte, war »El vampiro de la autopista« (Regie: José Luis Madrid), ein Horrorfilm, der direkt auf den Autobahn-Serienmörder anspielte, von dem die Presse einst behauptete, Wohlfahrt sei es. Das Werk kam erst gut zwei Jahre nach den Dreharbeiten in die Lichtspielhäuser. Seine Kinokarriere beendete Wohlfahrt 1984 mit einem Western (!).

André Schneider

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